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Nachgefragt: Das Satelliten-Navigationssystem Galileo

Europa will mit seinem Galileo-Satellitensystem das amerikanische GPS in die Schranken weisen. Einmal fertig, soll Galileo präziser als das US-Pendant arbeiten. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Von Dirk Lorenzen |
    Ausschnitt aus EU-Werbevideo "Satellite navigation allows us to determine precisely at any given moment and within a few meters the position in time space of a freight delivery, a vehicle or simply for someone out for a walk..."

    Mit Satellitennavigation kann man jederzeit ganz präzise bestimmen, wo sich eine Lieferung, ein Fahrzeug oder einfach ein Spaziergänger aufhält, verspricht ein Werbevideo der Europäischen Union. Dazu rollen Autos durchs Bild, Fußgänger blicken begeistert auf ihr Navigationsgerät und Container werden von einem Schiff abgeladen.

    "There are many economic spin-offs: 9 billion euros a year plus more than 100.000 new jobs."

    Das Ganze bringe Europas Wirtschaft neun Milliarden Euro im Jahr und mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze ein. Die Vision klingt paradiesisch, die Realität sieht sehr viel nüchterner aus - noch. Denn bevor Europa zum Galileo-Wunderland wird, müssen die 30 Satelliten des Navigationssystems ins All. Spätestens Anfang des neuen Jahres wird die EU den Bau der Galileo-Satelliten in Auftrag geben. In Oberpfaffenhofen gibt es bereits das Galileo-Kontrollzentrum. Von dort sollen die Satelliten künftig gesteuert werden. Bisher arbeiten Walter Päffgen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und sein Team eher mit angezogener Handbremse:

    "Seit April 2008 haben wir zwei Satelliten in der Umlaufbahn. Es sind Testsatelliten, mit denen die Technologie der späteren Galileo-Satelliten ausgetestet beziehungsweise qualifiziert werden soll. Zurzeit laufen auch die Vorbereitungen für die erste kleine Minikonstellation, sagen wir vier Satelliten ..."

    ...die bereits gebaut sind und bis Anfang 2011 ins All starten und so einen umfangreichen Testbetrieb ermöglichen sollen. Wenn es mit der Miniaturausgabe von Galileo klappt, dann folgt der Theorie die Praxis: ein voller Betrieb mit den 30 Satelliten.

    "In einem zweiten Schritt werden wir auch noch den Navigationsmissionsbetrieb durchführen. Da sind die Hauptaufgaben: eine hochgenaue Bestimmung der Bahn der Satelliten und eine Synchronisation der Uhren an Bord, weil das das Essenzielle ist, ohne das man nicht auf eine hohe Genauigkeit käme bei der Positionsbestimmung."

    Die Galileo-Satelliten sind nichts anderes als Uhren, die in 23.000 Kilometern Höhe um die Erde fliegen. Ununterbrochen funken sie die exakte Uhrzeit zu Boden. Ein Galileo-Empfangsgerät misst, wie lange die Funksignale der einzelnen Satelliten unterwegs waren. Aus der Laufzeit der lichtschnellen Funksignale lässt sich dann der Abstand zu den Satelliten berechnen. Hat ein Empfänger Kontakt zu mindestens vier Satelliten, kann er präzise seine Position auf dem Erdboden oder in der Luft bestimmen. Um metergenau zu navigieren, müssen die Uhren auf milliardstel Sekunden genau gehen und die Bahnen der Satelliten fast auf Zentimeter bestimmt werden. Derart ausgestattet ist Galileo dem amerikanischen Global Positioning System GPS deutlich überlegen:

    "Dadurch, dass wir in Europa auf neueste Technologie zurückgreifen, insbesondere auch auf bessere Uhren, die auf den Satelliten mitfliegen, die genauer sind, kann man auch genauere Positionsbestimmung machen. Es ist klar, dass die Amerikaner in diesen Technologien nachziehen werden mit ihrem GPS-System."

    GPS ist ein militärisches System. Die Generäle können nach Belieben das Signal künstlich unscharf stellen, sodass es für Anwender außerhalb des US-Militärs nicht mehr sinnvoll zu nutzen ist. Dagegen wird das zivile Galileo-System ständig mit höchster Präzision zur Verfügung stehen. Erst damit ist die Satellitennavigation für viele Anwendungen interessant, etwa den Luftverkehr, gezielte Verkehrssteuerung, Überwachung gefährlicher Güter, Notrufsysteme etc.

    Ausschnitt aus EU-Werbevideo: "The Galileo adventure can begin ..."

    Das Galileo-Abenteuer könne beginnen, tönt es im EU-Werbevideo. Doch ganz so schnell wie es die PR-Strategen in Brüssel wünschen, geht es nicht. Frühestens in vier Jahren verfügt Europa über ein eigenes Satellitennavigationssystem.