Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Nachhaltigkeit
Eine App für faire Mode

Faire Mode – das sind doch diese weiten Leinenteile, nicht gerade trendy, farblos und mit Öko-Touch. Klischees wie diese halten sich hartnäckig. Damit wollen angehende Designer aus Düsseldorf jetzt aufräumen. Wie breit gefächert das Angebot wirklich ist, zeigen sie den Verbrauchern übersichtlich in einer App.

Von Julia Batist | 28.06.2016
    Eine Schere liegt vor einer Nähmaschine.
    Studierende der Akademie für Mode und Design in Düsseldorf wollen mit einem Einkaufsführer für faire Mode ein Zeichen setzen. (picture alliance / dpa / Inga Kje)
    Verkäuferin: " Ja, die steht tatsächlich auch total auf bunte Socken. Kannste gerne mal ein bisschen gucken. Oder halt Gürtel ..."
    Faire Mode verkauft sich gut in Köln. Neben zahlreichen Designern setzen auch immer mehr Boutiquen-Inhaber auf ökofaire Ware. Marlies Binder war eine der ersten.

    "Die Nachfrage in den letzten fünf Jahren ist auf jeden Fall gewachsen. Das liegt einmal daran, dass natürlich dieses Thema in der Öffentlichkeit mehr Raum gefunden hat. Gerade eben seit dem tragischen Riesen-Unglück in Bangladesch. Andererseits auch weil einfach das Angebot so vielfältig geworden ist."
    Durch den Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch vor drei Jahren sind Sicherheitsmängel, unfaire Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und ökologische Missstände in der Modeindustrie am Pranger. Marlies Binders Kunden kommen gezielt – aus umliegenden Städten wie Aachen oder Siegburg. Sogar Stammkundschaft aus Holland und Belgien kommt in ihr Geschäft. Aber nicht alle kaufen ausschließlich faire Mode."
    "Ich versuch's. Es ist natürlich manchmal auch eine Preisfrage. Oder auch eine: Ich muss gezielt hingehen und was finden, für die Arbeit zum Beispiel schickere Klamotten. Am Ende ist es ein sich aufraffen und es tun – und da bin ich bestimmt nicht so konsequent, dass ich es immer wieder mache. Man findet auch viel online. Wenn man möchte, ist es eigentlich gar nicht so schwer."
    Studierende des Fachbereichs Design an der Akademie für Mode und Design in Düsseldorf wollen mit einem Einkaufsführer für faire Mode in Köln ein Zeichen setzen. Hippe Modefotos und Hintergrundberichte zum Thema wollen sie in einer App bündeln. Für viele der angehenden Designer ein völlig neues Pflaster:

    "Ich hab mir auch ehrlich gesagt vorher nicht so viele Gedanken gemacht, weil ich auch super viele Vorurteile ehrlich gesagt hatte. Dass es nicht so modisch ist."
    Miriam Rhazi ist 19 und möchte später im Online-Handel der Modeindustrie arbeiten. Sie war in vielen Kölner Läden, die nachhaltige Mode im Sortiment haben, unterwegs.
    "Da waren super modische Teile, sehr schöne Sachen. Auch nicht so teuer, wie ich es eigentlich immer erwartet hätte von ökofairer Mode. So'n T-Shirt 20 bis 30 Euro."
    Per Fragebogen haben die Studierenden die Inhaber der meisten kleinen Modegeschäfte in Köln zu ihrem Angebot an ökofairer Mode, zu Marken und Siegeln befragt. Manche wollten nicht einmal mit den Studenten sprechen. Andere hatten Vorurteile, berichtet Studentin Martina Karrasch.
    "Das ist teuer, das können wir uns nicht leisten. Das Interesse ist nicht da, haben wir oft gehört – dabei wissen wir eigentlich, dass Interesse kommt."
    Von den teils topmodernen Kleidungsstücken war Martina Karrasch selbst überrascht.
    "Ist noch sehr viel Street Wear und Casual wear, die fair gehandelt wird. Aber wir haben auch ein paar Labels, die wirklich modisch sind und in die Businnessrichtung gehen."
    "…soll einfach nach und nach auch ein politischer Druck aufgebaut werden"
    Die Preise sind vergleichbar mit denen für konventionelle Markenware. Die Studierenden sind gerade mit ihren Recherchen fertig geworden. Jetzt wird der Verein FEMNET, der sich für bessere Produktionsbedingungen in der Modeindustrie einsetzt, zusätzlich die großen Modeketten befragen. Der Verein hat das Projekt zusammen mit der Akademie für Mode und Design ins Leben gerufen. Annika Cornelissen von FEMNET e.V. ist selbst ausgebildete Mode-Designerin und betreut das Projekt.
    "Durch die Befragung soll einfach nach und nach auch ein politischer Druck aufgebaut werden auf große Unternehmen, die immer wieder preisen, dass sie sich engagieren. Und dann aber in unserem Führer nur zu einem ganz kleinen Prozentsatz auftauchen oder eben gar nicht."
    Elisabeth Hackspiel ist Professorin für Modetheorie und Modegeschichte an der AMD Akademie. Sie behandelt das Thema Nachhaltigkeit bereits seit Jahren in ihren Vorlesungen.
    "Das bewegt die jungen Menschen schon. Es gibt eigentlich keine Modefirma mehr, die sich nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen kann. Firmen wie H & M oder C & A haben ja veröffentlicht, dass sie in Zukunft fast ausschließlich Biobaumwolle verwenden wollen. Das sind schon sehr heftige Statements – schauen wir mal, wie sie es umsetzen."
    Was genau ökofaire Mode ausmacht, versuchen die Projektleiter durch vorgeschriebene Standards zu definieren.
    "Uns war wichtig, dass die Kleidung unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt ist und dass die Textilien selber gesundheitlich unbedenklich sind. Und dass man auch nachvollziehen kann, wo diese Kleidung von wem hergestellt worden ist."
    Die Kunden wissen solche Transparenz zu schätzen, die Nachfrage scheint zu wachsen. Marlies Binder beobachtet eine für sie positive Entwicklung.
    "Das ist einfach in der Mitte angekommen. Ich hab' ganz viele junge Kunden, die gerade ihr Studium fertig haben. Ärzte, Rechtsanwälte, die sich einfach Gedanken machen."
    Prof. Dr. Elisabeth Hackspiel treibt auch ein persönlicher Wunsch an.
    "Wir bilden hier junge Leute aus, die später Führungspositionen haben werden, im Modemanagement oder im Modedesign. Da sehe ich das als meine Verantwortung an, dass sie sich mit diesen Themen auseinandersetzen und auch ihre eigene Verantwortung erkennen."
    "Ich habe super viel aus dem Projekt mitgenommen. Ich weiß jetzt, man kann ökofaire Mode privat tragen. Man kann damit auch Erfolg haben in der Modebranche."
    "Unser Fazit ist: es wird eine Basis werden. Das denke ich auch für meinen Werdegang – dass ich auch in dem Bereich bei einem Label anfange und da sehr viel Potenzial sehe."
    Der Öko-Modeführer "Buy Good Stuff" ist für die Städte Düsseldorf und Bonn fertig und kostenlos online verfügbar. Am Kölner Shopping Guide wird noch gefeilt, das Endprodukt wird voraussichtlich im September veröffentlicht. Alle Infos gibt es unter: http://www.amdnet.de