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Nacht- und Nebelaktion in Österreich

In Österreich werden die Studiengebühren abgeschafft. Das hat das Parlament in Wien in einer dramatischen Nachtsitzung beschlossen. Das Besondere an dieser Entscheidung: Sie wurde im freien Mehrheitsspiel der parlamentarischen Kräfte getroffen. Eine Premiere in der österreichischen Innenpolitik, und das vier Tage vor der Nationalratswahl.

Von Manuel Marold |
    Mit dem parlamentarischen Beschluss von Sozialdemokratischer Partei, Grünen und Freiheitlicher Partei werden die Studiengebühren an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen acht Jahre nach ihrer Einführung wieder abgeschafft:

    "Das ist die Mehrheit - der Gesetzesentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen."

    An Fachhochschulen bleiben die Studiengebühren vorerst weiter bestehen. Der Beschluss tritt ab März 2009 in Kraft und gilt für alle Österreicher und Studenten aus anderen EU-Staaten. Die Zugangsbeschränkungen werden ebenfalls aufgehoben, nur in Psychologie und Medizin sollen sie bleiben.

    Die Studiengebühren waren im Herbst 2000 von der damaligen rechten Mehrheit aus Volkspartei und Freiheitlicher Partei eingeführt worden.

    Schon im Vorfeld der Nationalratswahl vor zwei Jahren hatten die Sozialdemokraten mehrfach versprochen, die Studiengebühren abzuschaffen; der damalige SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer konnte sich aber nicht gegen den Regierungspartner Volkspartei durchsetzen. Nach dem Zusammenbruch der Großen Koalition im Juli hat sich nun, kurz vor der Wahl, Gusenbauers Nachfolger Werner Faymann mit den Stimmen von Grünen und Freiheitlicher Partei eine Mehrheit zur Abschaffung der Studiengebühren geschaffen.

    Darüber wird in Österreich aber nicht nur gejubelt: Christoph Badelt etwa, Vorsitzender der österreichischen Rektorenkonferenz, hat erst kürzlich vor einer Abschaffung der Studienbeiträge gewarnt:

    "Die Rektoren haben das Parlament ganz offiziell dazu aufgefordert, diesen Gesetzesentwurf nicht vor der Wahl zu beschließen, weil die Themen noch tiefer analysiert werden müssen und man in einer Wahlkampfstimmung nicht so schwerwiegende Einschnitte beschließen soll."

    Den österreichischen Universitäten würden, so Badelt, ohne Studiengebühren etwa 150 Millionen Euro im Budget fehlen.
    Die Österreichische Hochschülerschaft, kurz ÖH, ist als politischer Dachverband aller Studierenden erwartungsgemäß erfreut über die Streichung der Studiengebühren. Aber, so ÖH-Vorsitzender Samir Al-Mobayyed:

    "Das Problem an dem momentanen Antrag ist, dass er rechtliche Unklarheiten hinterlässt. Zum Beispiel in Bezug auf Fachhochschulen oder berufstätige Studierende. Grundsätzlich freuen wir uns, dass die Studiengebühren endlich abgeschafft werden, aber diese rechtlichen Bedenken gehören noch bereinigt."

    Die Politik müsse dafür Sorge tragen, dass der Wegfall der Studiengebühren keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der österreichischen Unis hat, mahnt Al-Mobayyed und beklagt, dass die ÖH von den politischen Entscheidungsträgern nicht in die Entscheidung über das Weglassen der Studiengebühren eingebunden worden sei.

    Auch die Studentinnen und Studenten an der Universität Wien stehen dem Ende der Studiengebühren nicht unkritisch gegenüber:

    "Ich finde es gut, dass die Studiengebühren abgeschafft werden, denn als ich noch studiert habe, waren sie noch, und das war der Grund, warum ich aufgehört habe.

    Ich begrüße es, weil die Studiengebühren für jeden Studenten eine Hürde waren.

    Ich bin an sich dafür, dass sie abgeschafft werden, aber ich glaube, es gibt irgendwo einen Haken daran.

    Persönlich bin ich dafür, aber ich fürchte, dass wir ohne Studiengebühren und ohne Zugangsbeschränkungen von den Deutschen überrannt werden.

    Ich denke, dass die Abschaffung der Studiengebühren nur Mittel zum Zweck ist, von anderen Problemen im Bildungsbereich abzulenken. Eine Reform des gesamten Bildungssystems wäre hilfreicher."

    In der Tat bleiben viele Fragen offen: Wer ersetzt den Universitäten das fehlende Geld? Wie verfährt die kommende Regierung mit dem hastig beschlossenen Aus für die Studiengebühren? Wichtige Details, die sich erst in der Zeit nach der Wahl klären werden.