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Nagib-Mahfus-Museum in Kairo eröffnet
Der große Literat der kleinen Leute

Schon nach seinem Tod 2006 wollte Ägypten seinem großen Schriftsteller Nagib Mahfus ein eigenes Museum widmen. Jetzt ist es eröffnet worden - in dem Viertel, in dem Mahfus lebte und seine Geschichten fand.

Von Cornelia Wegerhoff | 11.08.2019
Der Nobelpreisträger für Literatur, der Ägypter Nagib Mahfus, am 20. Oktober 1988 in seinem Lieblingscafe "Ali Baba" am Place Tahrir in Kairo.
Der Nobelpreisträger für Literatur, der Ägypter Nagib Mahfus (dpa - Bildarchiv / AFP)
Das hätte Nagib Mahfus gefallen: Gleich gegenüber vom Eingang zu seinem Museum befindet sich ein Gemüsemarkt, indem die Händler mit den Hausfrauen um die Tomatenpreise feilschen. Das bunte Treiben in der Kairoer Altstadt hat Nagib Mahfus immer wieder beschrieben. Nicht weit vom Museum entfernt, hat er gelebt.
"Dass man durch eine typisch ägyptische Gassen ins Museum gelangt, ist Teil unseres Konzepts"
…so Fathy Abd El-Wahab vom ägyptischen Kulturministerium.
"Nagib Mahfus hat einfach gelebt und er konnte das Leben der einfachen Ägypter genau in Worte fassen. Inzwischen ist er ein Teil der ägyptischen Identität."
Islamisten gegen Mahfus
"Die Kinder unseres Viertels", so lautet der Titel eines der berühmtesten Werke von Nagib Mahfus. Eine Parabel auf die Menschheitsgeschichte. Die Figuren erinnern an Adam, Moses, Jesus und den Propheten Mohamed. "Gotteslästerung", so erzürnten sich Islamisten. Den Literaturnobelpreis 1988 empfanden sie als Provokation. Doch für Nagib Mahfus brachte die Ehrung – wenn auch spät - den internationalen Durchbruch. Eine Collage mit Buchcovern in unzähligen Sprachen hängt im Museum. Bis das jetzt eröffnet wurde, habe es allerdings auch ewig gedauert, wird in Ägypten kritisiert.
"Ziemlich lange"
muss der Regierungsbeamte zugeben.
"Die Umsetzung der Idee, die schon 2006, kurz nach dem Tod von Nagib Mahfus kam, hat sich ein bisschen verspätet. Es war auch wichtig, dieses Bauwerk angemessen zu renovieren. Es soll ein schönes Bild sein, dass wir Touristen und Einheimischen bieten."
Das neue Nagib-Mahfus-Museum in Kairo: Das Café erinnert daran, dass Mahfus täglich Kairoer Cafés besuchte und sich dort gern Notizen machte
Das Café erinnert daran, dass Mahfuz täglich Kairoer Cafés besuchte und sich dort gern Notizen machte (Deutschlandradio / Cornelia Wegerhoff)
Und sie ist schön, die mehr als 250 Jahre alte Herberge eines mamelukischen Baumeisters, in der eine Bibliothek und viele persönliche Gegenstände an Nagib Mahfus erinnern. Stattlich genug, um den angemessenen Rahmen zu bieten für die vielen Auszeichnungen, die der Ägypter in seinem langen Leben erhalten hat. Er starb mit 94. Aber das dreistöckige Gebäude ist durch seine Nachbarschaft eben auch volksnah genug, um seiner Bescheidenheit gerecht zu werden. Und die hölzernen Balkone im Innenhof leuchten im gleichen Blau wie der Lieblingsanzug des Schriftstellers, der ebenfalls in einer Vitrine hängt. Fathy Abdel Wahab öffnet eine Tür.
"Hier steht der Schreibtisch von Nagib Mahfus. Im Hintergrund hören Sie seine Stimme. Er erzählt aus seinem Leben. Die heutige Generation soll von ihm lernen."
"Das sind alles Geschichten aus unserem Viertel"
In Ägyptens Schulen werden von Nagib Mahfus‘ sozialkritischen Werke nur Auschnitte gelesen. 34 Romane hat er geschrieben, mehr als 300 Kurzgeschichten, dazu Theaterstücke und Drehbücher. Zum Museum gehört auch ein kleiner Kinosaal Der große Literat, der den kleinen Leuten so nahe stand, wusste, dass er sie am besten durch die Verfilmungen seiner Bücher erreichen konnte. Der ägyptische Dichter Said al-Kafrawi war mit ihm befreundet.
"Nagib Mahfus ist der Begründer der modernen arabischen Gesellschaftsliteratur. Und er war ein Sohn der ägyptischen Gassen. Nagib Mahfus beschrieb in seinen Romanen genauestens diese kleine Welt und gab einem dabei das einmalige Gefühl, die gesamte Welt zu betrachten."
Das neue Nagib-Mahfus-Museum in Kairo: Eine Karikaturen-Ausstellung erinnert aktuell auf humorvolle Weise an den ägyptischen Literatur-Nobelpreisträger
Eine Karikaturen-Ausstellung erinnert aktuell auf humorvolle Weise an den ägyptischen Literatur-Nobelpreisträger. (Deutschlandradio / Cornelia Wegerhoff)
Die Gesellschaftskritik von Mahfus und seine harte politische Haltung gegenüber Fundamentalisten und arabisch-nationalistischen Kreisen gefielen jedoch nicht jedem. Ein islamistischer Fanatiker verübte 1994 einen Attentat auf den damals schon 82-Jährigen. Das Museum zeigt die Hefte, in denen er mit der verletzten Hand wieder das Schreiben übte. Nagib Mahfus ließ es sich auch nicht nehmen, sich bis zuletzt in seinem Viertel unter die Leute zu mischen. Im Café Fishawi, keine fünf Minuten Fußweg vom neuen Museum entfernt, erinnert sich Kellner Abdelrahman bis heute an den berühmten Gast. An der Wand hängen sogar Fotos.
"Hier, das war der Platz von Nagib Mahfus. Auf diesem Stuhl saß er immer. Und dann hat er geschrieben, stundenlang. "Zuckergässchen", "Palast der Sehnsucht", "Die Midaq-Gasse". Das sind alles Geschichten hier aus unserem Viertel, aus dem wahren Leben, über unser Leben und unsere Sorgen."
Im neuen Nagib-Mahfus-Museum und in seinem Viertel sind die Erinnerungen an ihn lebendig.