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Naiv und sorglos?

Der deutsche Handball erlebte in den letzten Jahren goldene Zeiten. Befeuert vom deutschen Weltmeistertitel 2007 im eigenen Land, stiegen die Gehälter der Profis in der Bundesliga rasant an. Netto-Monatsgehälter in Höhe von 20.000 Euro sind keine Seltenheit mehr. Und doch berichtet nun der SPIEGEL von finanziellen Nöten einiger Spieler. Sie sollen sich bei Immobiliengeschäften verhoben haben.

Von Erik Eggers |
    Geschildert wird der Fall des Logi Geirsson. Sechs Jahre stand der Isländer beim TBV Lemgo unter Vertrag, musste aber im Sommer aufgrund einer Schulterverletzung seine Karriere beenden. Zwischen 2006 und 2009 hat er 20 Wohnungen gekauft und dafür 2,4 Millionen Euro bezahlt. Zurückgekehrt nach Reykjavik, kann er die Zins- und Tilgungsraten nicht mehr leisten, obwohl er mittlerweile drei Wohnungen verkaufen konnte.

    Vermittelt hat die Wohnobjekte Dr. Björn-Heiko Scholz, der Geschäftsführer der in Hamburg ansässigen Benedict Star GmbH. Laut SPIEGEL hat Scholz an 24 Handballprofis Immobilien verkauft. Neben Geirsson handelt es sich unter anderen um die Nationalspieler Sven-Sören Christophersen, Petr Stochl und Konrad Wilczyinski, die alle bei den Füchsen Berlin unter Vertrag stehen. Auch Lasse Boesen von der SG Flensburg-Handewitt hat Immobilien bei Scholz erworben. Alle fünf Profis hatten im Herbst 2009, als einige Zeitungen berichteten, Scholz habe seine Kunden geschädigt, ihrem Verkäufer einen Freibrief ausgestellt. Sie unterschrieben, "bestens beraten" worden zu sein. Scholz selbst hatte alle Anschuldigungen von sich gewiesen.

    Nun aber wird Scholz vor dem Landgericht Detmold auf Zahlung von rund 345.000 Euro verklagt. Kläger ist der Beiratsvorsitzende des TBV Lemgo, Fynn Holpert. Auch Holpert hat zahlreiche Immobilien über Scholz erworben und dem Vermittler für den Kauf von Immobilien gar eine Vollmacht über zehn Millionen Euro ausgestellt. Holpert selbst hat Verbindlichkeiten in Höhe von 1,8 Millionen aus Immobilienkäufen. Nun wirft er Scholz vor, ihn "als Käufer bei der Abwicklung eines Immobiliendeals in Berlin im Sommer 2007 mit Hilfe des Verkäufers und einer Notarin geschädigt zu haben". Auch hat Holpert im gleichen Fall Strafanzeige erstattet; die Staatsanwaltschaft Detmold ermittelt.

    Scholz weist alle Vorwürfe von sich. Sein Anwalt bezeichnete die Vorwürfe gegenüber dem Deutschlandfunk als substanzlos; er habe bereits einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt. Scholz sehe sich in dem Fall, da er selbst Immobilien in Berlin erworben und keine Leistung bekommen habe, selbst als Geschädigter, weshalb auch Scholz Strafanzeigen stellen werde. Klagen oder Strafanzeigen von Profis sind dem Anwalt nicht bekannt. Allerdings lassen sich mehrere Profis, denen die Raten über den Kopf wuchsen, gegenüber den finanzierenden Banken anwaltlich vertreten. Holpert berichtete auf Anfrage, dass er einigen Profis seinen Anwalt weiterempfohlen habe.

    Wie Holpert hatten die meisten Handballprofis Scholz, dem ein großes rhetorisches Geschick nachgesagt wird, umfassende Vollmachten ausgestellt. Einige Profis erwarben Wohnungen, ohne diese zuvor gesehen zu haben, nur um Steuern zu sparen. Manchmal war ihnen sogar nicht einmal der Standort des Kaufobjektes klar. Heute meiden sie jede Öffentlichkeit in diesem Fall, weil sie sich für ihre kaufmännische Naivität und Sorglosigkeit schämen. Aus diesem Grund ist bisher unklar, wie viele Profis sich neben Geirsson in finanziellen Schwierigkeiten befinden.