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Nationalpark Wattenmeer
Heftige Kritik an Plänen zu stärkerer Ölförderung

Seit Jahrzehnten wird mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer Öl gefördert. Der Konzern Wintershall Dea will die Förderung unbedingt ausweiten und hat dafür einen neuen Antrag gestellt. Damit ist einen alter Streit wieder angeheizt.

Von Johannes Kulms | 30.10.2019
Ölplattform in der Nordseeaus der Luft
Öl-Plattform im Nationalpark Wattenmeer in Schleswig-Holstein (dpa/ Arco Images, G. Schulz)
1985 wurde der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gegründet. Auch die Nordseeküste vor Friedrichskoog gehört dazu. Wer von hier aus hinauswandert ins Watt taucht ein in eine einzigartige Natur. Und sieht neben den Containerschiffen in der Ferne ein seltsames Gebilde flirren, das ein wenig an ein schwebendes Schloss erinnert.
Es ist die Mittelplate – die Plattform, von der seit Jahrzehnten mitten im Nationalpark Öl gefördert wird. Der Betreiber nennt sich mittlerweile Wintershall Dea und versichert: Hier werde unter strengsten Umweltauflagen gearbeitet, in 32 Betriebsjahren habe es nie einen Unfall gegeben.
"Es bedeutet, die Ölförderung einzuschränken"
Doch das Unternehmen weiß, dass die Bundesrepublik die Ölnutzung zurückfahren will. "Am Ende bedeutet das natürlich auch, die Ölförderung einzuschränken", sagt Klaus Jürgen Gern. Er forscht am Kieler Institut für Weltwirtschaft zur internationalen Konjunktur und zu Rohstoffmärkten. Bislang seien viele Beobachter davon ausgegangen: Die Ölvorkommen sind begrenzt, die Nachfrage werde bald nicht mehr gedeckt. Doch nun drehe sich offenbar die Situation um.
Dass Wintershall Dea nun weitere Ölvorkommen unter dem Wattenmeer erschließen will, überrascht Rohstoffforscher Gern nicht.
"Es besteht das Risiko, dass diejenigen, die zu spät kommen, ihr Öl nicht mehr verkaufen können, weil keine Nachfrage mehr da ist. Es gibt das ökonomische Sprichwort: 'Die Steinzeit' ist nicht aus Mangel an Steinen zu Ende gegangen'. Und so wird vielleicht auch die Ölzeit nicht aus Mangel an Öl zu Ende gehen. Sondern deswegen, weil es andere, bessere Energiegewinnungsverfahren gibt."
Lizenz bis ins Jahr 2041
Bis 2041 hat Wintershall Dea eine Lizenz für das Gebiet rund um die Mittelplate. Mehr als 60 Prozent der deutschen Gesamtreserven schlummerten dort unter dem Wattenmeer heißt es vom Konzern. Das Problem: Ein Teil davon liegt außerhalb des erlaubten Gebiets.
Nicht nur bei Umweltschützern hat die Erschließung dieses "Zipfels" deswegen kräftig Ärger ausgelöst. Auch aus der in Kiel regierenden Jamaika-Koalition kommt Kritik.
Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Jan Philipp-Albrecht bezweifelt, dass eine Ausweitung der Ölförderung vereinbar ist mit dem Nationalparkgesetz. Auch wenn er betont, dass der Antrag nach Recht und Gesetz entschieden werde müsse und werde. Auch der liberale Koalitionspartner will den Nationalpark schützen. Doch die FDP verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung. Mehr Importe könnten auch zu mehr Abhängigkeit von Staaten führen, in denen Umweltschutz und Menschenrechte leider keinen hohen Stellenwert hätten, so FDP-Fraktionschef Christopher Vogt.
Die Mittelplate vor Friedrichskoog zähle zu den sichersten Ölplattformen der Welt, sagt Heiner Rickers. Auch der umweltpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion weiß um die Jobs, die die Ölförderung an der strukturschwachen Westküste schafft und die Millionengelder, die sie jedes Jahr in den Landeshaushalt spült. Trotzdem steht Rickers einer Ausweitung der Ölförderung skeptisch gegenüber.
Wintershall Dea sieht keine Umweltrisiken
Rickers: "Bundesweit wird diskutiert, aus der Kohle auszusteigen. Und zwar nicht erst 2038, sondern die ersten fordern ja jetzt schon, spätestens 2030 – also in zehn Jahren… Und hier haben wir Fördergenehmigungen bis 2041. Wenn man die beiden Themenfelder miteinander vergleicht, dann weiß man, in welchem Spannungsfeld wir uns mittlerweile in Schleswig-Holstein bewegen und da müssen wir eine Lösung finden."
Über den Antrag entscheiden wird das Bergbauamt im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld. Neue Umweltrisiken entstünden nicht, heißt es von Wintershall Dea, da die Ölerschließung in 2.000 bis 3.000 Meter verlaufe und der Nationalpark an der Oberfläche nicht betroffen sei.
Das Unternehmen weiß um die Einzigartigkeit des Wattenmeers und dass dieses Gebiet unbedingt geschützt werden müsse, sagt ein Sprecher. Wie groß genau die Ölvorkommen in dem anvisierten Zipfel außerhalb des bisher genehmigten Gebiets sind kann der Konzern nicht sagen.
Derzeit fördert Wintershall Dea etwa 1,1 Millionen Tonnen Öl pro Jahr von der Mittelplate aus. Das entspreche 54 Prozent der Gesamtproduktion in Deutschland und fast der Menge, die die Bundesrepublik jedes Jahr aus Saudi-Arabien importiert.