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Nationalratswahl
Österreich rückt nach rechts

Sebastian Kurz und seine ÖVP haben die Wahl in Österreich gewonnen. Um Platz zwei ging es lange hin und her - nun dürfte die SPÖ doch vor der FPÖ liegen. Wie die neue Regierungskoalition in Wien aussehen wird, ist noch unklar. Allenthalben ist von einem Rechtsruck in Österreich die Rede.

    ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz spricht am 15.10.2017 in Wien (Österreich), nachdem die erste Hochrechnung im Rahmen der Nationalratswahl bekannt gegeben wurde.
    Wahlen in Österreich - ÖVP gewinnt. (dpa-Bildfunk / APA / Robert Jäger)
    Österreich steht vor einem Regierungswechsel. Die Ära der von den Sozialdemokraten geführten Großen Koalition, zuletzt mit SPÖ-Chef Christian Kern als Bundeskanzler, ist zuende. Jetzt ist die ÖVP stärkste Kraft. Ihr neuer Vorsitzender, der 31-jährige Außenminister Sebastian Kurz, baute Personal und Stil seiner Partei um. Nun liegen er und die als "Liste Sebsatian Kurz" angetretene ÖVP mit 31,6 Prozent vorne und werden die nächste Regierung anführen.
    Bundespräsident will Kurz mit der Bildung einer Regierung beauftragen
    Kurz war seit Monaten in Umfragen als Favorit gehandelt worden. Er sprach sich für einen strengen Migrationskurs aus und kündigte an, die illegale Zuwanderung zu beenden. Das vermutliche Ergebnis nannte Kurz nun eine "Chance für eine echte Veränderung" und einen "starken Auftrag, das Land zu verändern". Er versprach, mit "voller Kraft" zu arbeiten und einen "neuen Stil in diesem Land zu etablieren". Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat angekündigt, Kurz mit der Bildung einer Bundesregierung zu beauftragen - sollte sich das Wahlergebnis nach Auszählung der Briefwahlstimmen bestätigen. Kurz sei dann der "eindeutige Wahlsieger", so Van der Bellen.
    Wird Straches FPÖ die zweite Regierungspartei?
    Doch wer wird mitregieren? Viele meinen, der Wahlkampf habe größe Nähe zwischen Kurz und der FPÖ gezeigt. Die Freiheitlichen mit ihrem Chef Heinz-Christian Strache kommen wohl mit 26 Prozent knapp hinter der SPÖ (26,9 %) auf Platz drei. In den ersten Hochrechnungen sah die FPÖ noch wie die zweite Kraft aus. Strache hatte sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen, dass Österreich Teil der Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechien) wird, die für eine restriktive Flüchtlingspolitik und das Pochen auf nationalen Interessen stehen.

    Dieses Bild zeigt ein Wahlplakat der freiheitlichen Partei Österreichs FPÖ für die Nationalratswahl im Oktober 2017 auf dem Messegelände Wels.
    Wahlkampfauftakt der FPÖ für die Nationalratswahl im Oktober 2017 auf dem Messegelände von Wels. (imago/Rudolf Gigler)
    Strache spracht im ORF von einem "großartigen" Erfolg. Zu einer möglichen Koalition sagt Strache: "Wer ist bereit für ernsthafte Veränderungen im Sinne der freiheitlichen Ideen?"
    Kern will SPÖ-Chef bleiben
    Die SPÖ zeigte sich am Wahlabend kämpferisch. Der scheidende Kanzler Kern machte deutlich, er wolle SPÖ-Chef bleiben. Kern und andere Politiker seiner Partei sprachen von einem Rechtsruck in Österreich. So sieht das auch der österreichische Politologe Peter Filzmaier. Er meinte im ORF, die Parteienlandschaft habe sich nach rechts verschoben. ÖVP und FPÖ hätten deutlich hinzugewonnen. Das sei beachtlich, da bisher sonst eine der beiden Parteien auf Kosten der anderen gewonnen habe. Der Jüdische Weltkongress sprach nach den ersten Hochrechnungen von einem "besorgniserregenden Wahlergebnis". In einer Pressemitteilung warnte der WJC eindringlich vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, die "eine extremistische Partei sei, die Rassisten und Antisemiten begünstige und Gefühle gegen Minderheiten" schüre.
    Bitterer Abend für die österreichischen Grünen
    Nach ihrem besten Ergebnis von 12,4 Prozent vor vier Jahren stürzen die österreichischen Grünen diesmal ab. Sie kommen laut Hochrechnung nur noch auf 3,9 Prozent und könnten damit den Wiedereinzug ins Parlament verpasst haben. In Österreich gilt eine Vier-Prozent-Hürde. Die erstmals angetretene Liste des Grünen-Abtrünnigen Peter Pilz sehen die Demoskopen dagegen bei 4,3 Prozent. Die liberalen Neos erreichen den Angaben zufolge 5,1 Prozent.
    Koalitionsbruch führte zu Neuwahlen
    Der Bruch der zerstrittenen Koalition aus SPÖ und ÖVP im Mai hatte zu der um ein Jahr vorgezogenen Abstimmung geführt. Der Wahlkampf war zuletzt von einer Schmutzkampagne aus den Reihen der SPÖ geprägt worden. Angeblich ohne Wissen der Parteiführung hatte ein international bekannter Spezialist für "Dirty Campaigning" zwei Fake-Facebook-Seiten organisiert, die mit ihren teils rassistischen und antisemitischen Inhalten dem ÖVP-Spitzenkandidaten Kurz schaden sollten. Die SPÖ hat ihrerseits den Verdacht, die ÖVP habe mit Bestechung versucht, an parteiinterne Dokumente zu kommen. Beide Parteien haben sich gegenseitig angezeigt.
    Offizielles Ergebnis am Donnerstag
    In Österreich waren rund 6,4 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Die Stimmen der etwa 750.000 Briefwähler werden heute nur hochgerechnet. Die letzten Wahlkarten werden erst am Donnerstag ausgezählt, erst dann steht das offizielle Ergebnis fest.