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NATO-Luftangriff
Opfer von Kundus hoffen auf zweite Chance

Im September 2009 ließ der deutsche Bundeswehrkommandeur Georg Klein einen Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen in Kundus anordnen. Rund 100 Zivilisten wurden damals getötet. Die Angehörigen hatten auf Schadensersatz geklagt. Darüber verhandelt ab heute das Oberlandesgericht Köln.

Von Jürgen Webermann |
    Längst ist die Bundeswehr abgezogen aus Kundus. Aber sie hat Spuren hinterlassen. Militärposten, eine Kaserne für Armee und Polizei, aber auch Spuren in den Köpfen der Menschen. In einigen Fällen sind es keine guten Erinnerungen. "Ich habe in dieser Nacht meine beiden ältesten Söhne und einen Neffen verloren. Ich kann das einfach nicht vergessen. Wir erinnern und immer noch täglich daran, wie die Kinder gespielt haben, wie sie zur Schule gegangen sind. Sie haben uns bombardiert und unsere Kinder für ein paar Fässer Diesel getötet. Warum? Warum haben sie die Gegend nicht einfach mit Bodentruppen abgeriegelt? Wo war die afghanische Regierung?"
    Bundeswehr bombardierte 2009 zwei Tanklastzüge
    Abdul Hanan ist ein Landwirt aus Kundus. Groß gewachsen, geprägt vom harten Landleben in Nordafghanistan. Seine Seele sei krank, seit jener Nacht Anfang September 2009, als der deutsche Kommandeur Georg Klein einen Luftangriff auf zwei entführte Tanklastwagen anordnete, die in einem Flussbett stecken blieben. Zu dem Zeitpunkt waren längst Zivilisten vor Ort, um sich Diesel abzuzapfen oder einfach nur zu schauen, was los ist. Nach dem Bombenangriff waren nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als hundert Menschen tot. "Ich wünsche mir, dass die deutsche Regierung ihrer Pflicht nachkommt", sagt Abdul. "Sie muss den verantwortlichen Kommandeur aushändigen. Wenn sie das nicht will, dann muss sie uns so entschädigen, dass wir langfristig abgesichert sind. Warum lassen die Deutschen den Kommandeur laufen? Warum steht er nicht vor Gericht? Er hat Bomben auf uns werfen lassen."
    Strafverfahren gegen Klein eingestellt
    Abdul Hanan hat bisher, wie die anderen Opferfamilien, rund 5.000 US-Dollar erhalten. Eine freiwillige Leistung der Bundesregierung, kein Schuldeingeständnis. Vor dem Landgericht Bonn wollten Abdul Hanans Anwälte rund 40.000 Euro erstreiten. Aber die Richter wiesen die Klage ab, mit der Begründung, die Bundesregierung habe ihre Amtspflicht nicht verletzt. Auch ein Strafverfahren gegen Georg Klein, den Kommandeur, wurde eingestellt. Nun soll, zumindest im Verfahren um mehr Schadensersatz, das Oberlandesgericht Köln entscheiden.
    Karsai zeigt sich versöhnlich
    Aus Kabul kommt unerwartete Unterstützung für die Bundesregierung. Hamid Karsai, der Ex-Präsident Afghanistans, ist sonst für seine scharfe Kritik an den Luftschlägen der NATO in seinem Land bekannt, mehrfach redete er sich derart in Rage, dass sogar Tränen flossen. Gegenüber Deutschland zeigt er sich aber versöhnlich, auch, als es im ARD-Interview vor wenigen Wochen um den Angriff von Kundus ging. "Deutschland hat sehr gut reagiert. Der Verteidigungsminister kam sofort und er hat eingesehen, dass es ein Fehler war. Und es wurde versucht, den Familien auch finanziell zu helfen. Deutschland war immer ehrlich zu uns. Deutschland hat sofort reagiert auf unsere Sorgen in Sachen ziviler Opfer."
    Abdul, der zwei Söhne verloren hat, sieht das anders. Er findet 5.000 Dollar Entschädigung einen viel zu geringen Preis, den Deutschland zu zahlen hatte. Sein Verfahren in Bonn und jetzt in Köln dürfte wegweisend sein. Sollte er am Ende doch recht bekommen, könnten weitere Klagen aus Kundus folgen.