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Natürlich ist machbar

Vor 30 Jahren begann Susanne Schöning mit Palmfett, Öl, Zwiebeln und Gewürzen zu experimentieren. Längst hat sie daraus einen Verkaufsschlager gemacht, der heute in jedem Bioladen zu finden ist: Schöning ist die Mutter des vegetarischen Brotaufstrichs und hat mit Zwergenwiese einen alternativen Markenartikel geschaffen.

Von Frauke Schäfer |
    Sie tummeln sich überall, tragen Blumenkohlköpfe, verstecken sich hinter dem Zimmerspringbrunnen und ziehen genüsslich an einer Pfeife, Zwerge in allen Größen und Formen haben bei Zwergenwiese in Silberstedt ihren festen Platz. Angefangen hatte alles in einer Landkommune auf der schwäbischen Alb in der 70ern:

    "Wir haben den Zwerg schön gefunden -, als Hüter der Natur, als Hüter von altem weisen Wissen. Ein Zwerg ist ein Vegetarier, das kam uns auch sehr entgegen, und die Wiese war für uns natürlich der Inbegriff von Natur, da blüht alles, da haben wir Kräuter Schmetterlinge, das ist einfach auch so ein Märchen, das wir wahr machen wollten."

    Märchenhaft ist der Aufstieg von Zwergenwiese-Chefin Susanne Schöning tatsächlich, aber wer sie für eine Träumerin hält, tut ihr Unrecht. Susanne Schöning leitet ein mittelständisches Unternehmen mit mittlerweile 52 Angestellten. In diesem Jahr rechnet die Zwergenwiese-Chefin mit einem Umsatz von acht Millionen Euro. Pro Tag rattern 60.000 bis 80.000 Gläser über die Förderbänder, Tendenz steigend. Vertrieben werden die Produkte ausschließlich über Bio- und Naturkostläden. Es dampft und zischt gewaltig in der Produktionshalle, und es duftet wunderbar. Susanne Schöning lüftet den Deckel eines großen weißen Plastikeimers:

    "Das sind Aprikosenstückchen, und was sie hier so riechen, das war Marmelade, Erdbeermarmelade. und jetzt wird gerade Aprikosenmarmelade, und da wir Produktwechsel haben, wird alles einmal durchgereinigt, alle Geräte. Alle Rohre, alle Rührlöffel, alle Pötte werden einmal durchgereinigt. Und ja, dann kommt die nächste Sorte dran."

    Die Fruchtaufstriche sind die neueste Entwicklung von Zwergenwiese, 70 Prozent Frucht, gesüßt mit Agavendicksaft. Ein Verkaufsschlager und eine neue Richtung. Denn bislang machten sich die Silberstedter vor allem mit Herzhaftem einen Namen. Der Prototyp entstand in der Küche der Landkommune, im Garten der Idealisten-WG wucherte das Gemüse, wohin damit, fragte sich Susanne Schöning:

    "Angefangen hat es mit einer Idee, und zwar geboren aus der Not, was tue ich auf mein Brot, es soll keine Wurst und kein Käse sein? Und dann habe ich mich an das Zwiebelschmalz von meinem Vater erinnert, meine Mutter hatte das immer ausgelassen, Flomen mit Grieben und so Schmalz, Und das Gleiche hab ich gemacht, allerdings mit pflanzlichem Fett, also mit Palmfett mit Öl, hab ein bisschen rumexperimentiert, hab Zwiebeln reingeschnippelt, Äpfel und ein bisschen Thymian, Salz und Pfeffer, und hab das stehen lassen über Nacht. Und siehe da, am nächsten Morgen war das ein leckerer Brotaufstrich."

    Susanne Schöning experimentierte munter weiter, verkaufte ihren Brotaufstrich im örtlichen Bioladen und auf dem Markt, bis ihr irgendwann der rechte Arm weh tat, weil sie ständig Marmeladengläser zuschrauben musste. Das erledigen heute längst Maschinen, und in der Küche steht die Chefin auch nicht mehr selbst. Hier hat Ute Meier das Sagen, sie leitet die Qualitätssicherung und weiß, was sich in den unzähligen kleinen Töpfchen mit rotem Schraubverschluss verbirgt:

    "Das reicht von Getreide über Kräuter, Gewürze, Süßstoffe, also damit meine ich reine Süßungsmittel wie Rohrohrzucker, Honig, Agavendicksaft und natürlich die verschiedenen Öle und Essigsorten, also 250 verschiedene Rohstoffe setzen wir ein."
    So entstehen die über 70 Zwergenwiese-Produkte, die Palette reicht von der Nudelsauce über Senf bis hin zu "Streich". dem Brotaufstrich auf Basis fein gemahlener Sonnenblumenkerne. Neue Produkte entwickelt ein sechsköpfiges Verkostungsteam, Vorschläge aus der Belegschaft sind willkommen. Von Ute Meyer kam die Idee für eine Kindertomatensauce ohne Zucker:

    "Wo ich schon ein bisschen stolz drauf bin, weil ich selber auch Kinder habe und weiß, was sie mögen und was sie nicht mögen. Und weiß auch, dass auch viele Allergiker den Zucker meiden müssen, und auch dass nicht zu viele Zutaten in einem Produkt sind, ja und diese Idee habe ich hier mit reingenommen. Und das ist dann auch letztendlich auch entwickelt worden."

    Der Stolz auf das Produkt ist typisch für die Belegschaft, ob sie nun selbst die Idee geliefert haben, in der Verwaltung sitzen oder die Gläser mit dem Fruchtaufstrich auf Paletten stapeln wie Susanne Schlegel. Sie ist eine Frau der ersten Stunde, stand noch neben Susanne Schöning in der Bauernhofküche und erlebte 1996 den Umzug in den modernen Firmenkomplex im Gewerbegebiet von Silberstedt bei Schleswig. Seit 17 Jahren ist sie nun schon dabei.

    ""Und ich bin da auch richtig, richtig, richtig stolz drauf, weil es einfach Spaß bringt, bei der Zwergenwiese zu arbeiten, weil alle an einem Strang ziehen und weil die Produkte einfach so wahnsinnig gut schmecken, weil sie so liebevoll hergestellt sind und wir alle, ob wir im Büro sind oder in der Küche, das ist einfach ein ganz herzliches Arbeitsklima, was ich total schätze."

    Susanne Schlegel wird wohl bald wieder neue Kollegen bekommen, die Zwerge werden immer größer, noch produziert man in Silberstedt mit nur einer Produktionslinie, in zwei Jahren sollen es zwei bis drei sein. Hans Jürgen Kantel, quasi die rechte Hand der Chefin, ist davon überzeugt, dass sich die kleinen Zwerge aus Silberstedt auch in Zukunft behaupten werden, auch wenn immer mehr Supermarktketten ihre eigenen Biolinien anbieten:

    "Meine Einschätzung ist dazu, je mehr Bio konsumiert wird, umso besser für die gesamte Branche. Zwergenwiese stellt jedoch keine Billigartikel her, sondern wir achten auf die Qualität der Produkte, wir kaufen auch nicht über den Preis, sondern nur über die Qualität ein. Andere machen das anders, da spielt der Preis eine herausragende Rolle, bei uns ist die Qualität absolut wichtig."