Jule Reimer: Palmen am Rhein – wer den kalten Winter nicht mag, für den ist das eine angenehme Vorstellung. Auch an anderen Orten könnte sich die Klimaerwärmung segensreich auswirken, berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus". So beginne die Sahara-Wüste vom Südrand her in Richtung Norden zu ergrünen, zudem hat CO2 einen düngenden Effekt auf Pflanzen, weshalb die Nahrungserträge weltweit auch bei einem Temperaturanstieg gleich bleiben, wenn nicht sogar zunehmen könnten. Hat der Klimawandel also auch Vorteile, fragte ich kurz vor dieser Sendung Harry Lehmann, den Klimaexperten beim Umweltbundesamt.
Harry Lehmann: Einzelne Gebiete könnten regional möglicherweise steigende Erträge bewirken. In der Summe aber, wenn man nicht nur das Klimaproblem nimmt, sondern auch das Problem der Erosion, auch das Problem der Wasserverfügbarkeit in verschiedenen Regionen, dann wird der Druck auf die Landwirtschaft angesichts auch einer steigenden Bevölkerung steigen. Hier davon zu reden, dass die Klimaerwärmung positive Effekte hat, ist meiner Meinung nach verantwortungslos.
Reimer: Bei einem Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad, so warnen Experten des Weltklimarates, aber auch das Bundesamt für Naturschutz, werden viele Tier- und Pflanzenarten aussterben. Jetzt arbeiten Klimaforscher mit Modellen; die Natur selber hat sich aber ja in der Vergangenheit erstens als überaus komplex und auch viele Tiere als sehr anpassungsfähig erwiesen. Sind solche dramatischen Voraussagen seriös möglich?
Lehmann: Natürlich arbeiten Klimaforscher mit Modellen, die den aktuellen Kenntnisstand abbilden. Und natürlich sind es Voraussagen, aber mit demselben Argument, wie die Zweifler sagen, wir glauben nicht daran, dass Arten aussterben werden, könnte man auch sagen, es sterben viel mehr Arten aus, es wird viel schlimmer als in den Modellen gedacht. Das heißt also, die Modelle haben natürlich eine Unschärfe, aber in beiden Richtungen.
Zweitens ist es so, dass die Projektionen zu den Aussterberaten von Pflanzen und Tieren sich auf Beobachtungen aktueller Entwicklungen stützen. Die Schnelligkeit, mit der sich die Natur angesichts des Klimawandels anpassen muss, überfordert sie, sodass wir bestimmte Gebiete haben, die dann nicht mitkommen können. Banal gesagt, ein Baum kann nicht schlicht und ergreifend seine Wurzeln einziehen und sagen, so, mir passt es jetzt hier nicht, ich gehe woanders hin. Dies zu den Palmen am Rhein. Und wir kennen heute schon zwei Gebiete, wo man nicht so einfach umziehen kann. Nehmen Sie einfach die Korallen, die würden auch gerne umziehen in eine Gegend, in der es besser wäre. Und die Bergökosysteme auch. Nur leider geht das nicht, sodass wir dort schon klar beobachten können, wie der Klimawandel diese Regionen beeinflusst.
Reimer: Gestern sagte im Deutschlandfunk in der Sendung "Umwelt und Verbraucher" Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, in Deutschland würden sie in der Tat deutlich heißere Sommer beobachten, aber Starkniederschläge und Stürme hätten nicht zugenommen. Also alles halb so schlimm?
Lehmann: Das möchte ich in zwei Teile teilen. Natürlich haben wir unterschiedliche Informationen. In Stürmen und Sturmfluten in der deutschen Bucht gibt es bisher tatsächlich kein eindeutiges Änderungssignal. Es kommt aber nicht nur auf die sehr starken Ereignisse an, sondern auch auf die Häufigkeit und die Andauer von leichten und mittleren Ereignissen. Hierzu gibt es eine Tendenz, die wir beobachten können. Bei Starkniederschlägen sind auch Aussagen für ganz Deutschland über das ganze Jahr wenig aussagekräftig. Wir müssen da die Regionalisierung etwas genauer untersuchen. Ich finde die Diskussion über "alles halb so schlimm" sehr unverantwortlich, denn mit derselben Argumentation, mit der man sagen kann, es wird nicht so schlimm, weil die Modelle es so darstellen, können wir sagen, es wird viel schlimmer, weil bestimmte Tipping Points überschritten werden. Tipping Points sind Punkte, wo die Natur kippt, wo die Natur plötzlich in einen anderen Zustand hineingeht. Unverantwortlich, weil es den Eindruck vermittelt, dass wir mit dem Klimawandel leben können.
Reimer: Das Gespräch mit Harry Lehmann, Klimaexperte beim Umweltbundesamt, haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Harry Lehmann: Einzelne Gebiete könnten regional möglicherweise steigende Erträge bewirken. In der Summe aber, wenn man nicht nur das Klimaproblem nimmt, sondern auch das Problem der Erosion, auch das Problem der Wasserverfügbarkeit in verschiedenen Regionen, dann wird der Druck auf die Landwirtschaft angesichts auch einer steigenden Bevölkerung steigen. Hier davon zu reden, dass die Klimaerwärmung positive Effekte hat, ist meiner Meinung nach verantwortungslos.
Reimer: Bei einem Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad, so warnen Experten des Weltklimarates, aber auch das Bundesamt für Naturschutz, werden viele Tier- und Pflanzenarten aussterben. Jetzt arbeiten Klimaforscher mit Modellen; die Natur selber hat sich aber ja in der Vergangenheit erstens als überaus komplex und auch viele Tiere als sehr anpassungsfähig erwiesen. Sind solche dramatischen Voraussagen seriös möglich?
Lehmann: Natürlich arbeiten Klimaforscher mit Modellen, die den aktuellen Kenntnisstand abbilden. Und natürlich sind es Voraussagen, aber mit demselben Argument, wie die Zweifler sagen, wir glauben nicht daran, dass Arten aussterben werden, könnte man auch sagen, es sterben viel mehr Arten aus, es wird viel schlimmer als in den Modellen gedacht. Das heißt also, die Modelle haben natürlich eine Unschärfe, aber in beiden Richtungen.
Zweitens ist es so, dass die Projektionen zu den Aussterberaten von Pflanzen und Tieren sich auf Beobachtungen aktueller Entwicklungen stützen. Die Schnelligkeit, mit der sich die Natur angesichts des Klimawandels anpassen muss, überfordert sie, sodass wir bestimmte Gebiete haben, die dann nicht mitkommen können. Banal gesagt, ein Baum kann nicht schlicht und ergreifend seine Wurzeln einziehen und sagen, so, mir passt es jetzt hier nicht, ich gehe woanders hin. Dies zu den Palmen am Rhein. Und wir kennen heute schon zwei Gebiete, wo man nicht so einfach umziehen kann. Nehmen Sie einfach die Korallen, die würden auch gerne umziehen in eine Gegend, in der es besser wäre. Und die Bergökosysteme auch. Nur leider geht das nicht, sodass wir dort schon klar beobachten können, wie der Klimawandel diese Regionen beeinflusst.
Reimer: Gestern sagte im Deutschlandfunk in der Sendung "Umwelt und Verbraucher" Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, in Deutschland würden sie in der Tat deutlich heißere Sommer beobachten, aber Starkniederschläge und Stürme hätten nicht zugenommen. Also alles halb so schlimm?
Lehmann: Das möchte ich in zwei Teile teilen. Natürlich haben wir unterschiedliche Informationen. In Stürmen und Sturmfluten in der deutschen Bucht gibt es bisher tatsächlich kein eindeutiges Änderungssignal. Es kommt aber nicht nur auf die sehr starken Ereignisse an, sondern auch auf die Häufigkeit und die Andauer von leichten und mittleren Ereignissen. Hierzu gibt es eine Tendenz, die wir beobachten können. Bei Starkniederschlägen sind auch Aussagen für ganz Deutschland über das ganze Jahr wenig aussagekräftig. Wir müssen da die Regionalisierung etwas genauer untersuchen. Ich finde die Diskussion über "alles halb so schlimm" sehr unverantwortlich, denn mit derselben Argumentation, mit der man sagen kann, es wird nicht so schlimm, weil die Modelle es so darstellen, können wir sagen, es wird viel schlimmer, weil bestimmte Tipping Points überschritten werden. Tipping Points sind Punkte, wo die Natur kippt, wo die Natur plötzlich in einen anderen Zustand hineingeht. Unverantwortlich, weil es den Eindruck vermittelt, dass wir mit dem Klimawandel leben können.
Reimer: Das Gespräch mit Harry Lehmann, Klimaexperte beim Umweltbundesamt, haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.