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Naturkautschuk
Gummi aus Löwenzahn

Löwenzahn ist nicht nur schmackhaft und produziert Pusteblumen: Aus der Wurzel der Pflanze lässt sich Kautschuk gewinnen. Zusammen mit Forschern vom Fraunhofer-Institut in Münster arbeitet ein Reifenhersteller an einer speziellen Löwenzahn-Sorte, als Rohstoffpflanze für Gummi.

02.01.2014
    An dem Projekt der EU und des Bundes zur Förderung nachwachsender Rohstoffe ist auch das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME mit Sitz an der Universität Münster beteiligt. Der Löwenzahn gehört zu den weltweit 12.500 Pflanzen, die einen gummihaltigen Saft produzieren. Aber sein Saft ist mit dem Saft des Kautschukbaums vergleichbar und kann deshalb für Reifen und andere Produkte genutzt werden. Die Löwenzahnpflanze, die sich als nachwachsender Rohstoff für die Kautschukproduktion eignet, stammt ursprünglich aus Russland, sagt Forschungsleiter Professor Dirk Prüfer.
    "Der russische Löwenzahn hat bis zu zehn Prozent der Trockenmasse Kautschuk, und da lohnt es sich auch zu extrahieren. Und das ist wirklich nur im russischen Löwenzahn."
    Innerhalb von nur fünf Jahren ist es Professor Dirk Prüfer, dessen Gewächshäuser an der Universität Münster stehen, gelungen, aus einer kleinen Wildpflanze einen großen Löwenzahn zu züchten.
    "Wir haben verschiedene Kreuzungen gemacht. Und was man hier schon sehen kann, ist, dass eine deutliche Steigerung der Biomasse da ist und der Kautschukgehalt konstant gleich bleibt."
    In den Gewächshäusern stehen bereits Pflanzen, die wie mittlere Büsche aussehen. Die Eigenschaften dieses Löwenzahn-Kautschuks sind vergleichbar mit dem Kautschuk aus Südostasien. Erste Tests fielen für Dr. Boris Mergell, Leiter der Material- und Prozesstechnik für Reifen beim Reifenhersteller Continental in Hannover ermutigend aus.
    "Aus den Ergebnissen, die uns aus dem Labor vorliegen, sehen wir, dass die Eigenschaften vergleichbar sein werden, weswegen wir erwarten, dass wir eben am Ende einen Eins-zu-eins-Austausch vornehmen können."
    Weitere Tests sollen mit einer Pilotanlage gemacht werden, die Continental – so Boris Mergell – gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut an der Universität Münster errichten wird.
    "Der Naturkautschuk, der liegt im Wesentlichen in der Wurzel dann vom Löwenzahn vor, sodass die hauptsächliche Aufgabe von der Pilotanlage darin besteht, die Prozesse so zu optimieren, dass der Kautschuk effizient aus der Wurzel herausgepresst wird, und dabei die Eigenschaften beibehält, die für uns eben wichtig sind."
    Naturkautschuk ist zwar nur zwischen zehn und 30 Prozent im Pkw-Reifen und zu etwa 40 Prozent in einem Lkw-Reifen enthalten. Doch Lebensdauer und Laufeigenschaften eines Reifens hängen vor allem vom Naturkautschuk ab. Die Nachfrage ist gewachsen. China liegt beim weltweiten Verbrauch von 11,4 Millionen Tonnen Naturkautschuk ganz vorne. Der Bedarf in China wächst weiter und bestimmt immer mehr den Preis pro Kilogramm, der auch schon einmal um mehr als das Doppelte steigen kann, sagt Boris Mergell.
    "Wenn Sie an Rohmaterialmärkten schauen, dann werden Sie feststellen, dass gerade auch bei Naturkautschuk die Verfügbarkeit nicht so einfach ist. Die ist dem Wachstum anzupassen. Sie haben eine gewisse Vorlaufzeit, wenn sie heute eine Plantage eröffnen, dann dauert das etwa sechs Jahre, bis Sie den ersten Naturkautschuk ernten können, und das ist der Grund, warum wir an der Stelle sehr interessiert daran sind, alternative Quellen zu finden."
    Auch andere Industriezweige sind an dem neuen Naturkautschuk interessiert. Denn über 40.000 Produkte werden aus Gummi produziert. Dirk Prüfer.
    "Da gibt es eine breite Palette von Anwendungen, die im Augenblick nicht adressierbar ist. Weil dieser Naturkautschuk aus dem Kautschukbaum ist halt allergen."
    Erste Tests haben bewiesen, dass der Löwenzahn-Kautschuk keine Allergien auslöst. Getestet werden derzeit die Böden, auf denen der Löwenzahn am besten wächst. Wobei vor allem solche Böden genutzt werden sollen, auf denen keine Nahrungsmittel wie Weizen oder Kartoffeln angebaut werden können. Der Münsteraner Wissenschaftler ist sich sicher, dass man dort erhebliche Mengen an Kautschuk gewinnen kann.
    "Unser Ziel ist eine Tonne pro Hektar. Weil da kommen wir dann auch in die Tranche rein, dass wirtschaftlich lukrativ ist. Wenn wir weniger produzieren, müssen wir mehr Biomasse für die gleiche Tonnage Kautschuk aufarbeiten. Da entstehen natürlich Folgekosten. Also das Ziel ist eine Tonne."
    Der Kautschuk-Löwenzahn hat aber nicht nur viele Blätter. Auch mehr als 15 Blüten kann eine einzige Pflanze haben. Daraus ergibt sich für Dirk Prüfer vom Fraunhofer Institut ein Vorteil für die Umwelt.
    "Löwenzahn ist auch eine höchst attraktive Pflanze für Bienen. Und Bienen ist derzeit auch ein riesiges Thema, dadurch, dass viele Pflanzen weg sind, die Bienen früher genutzt haben. Und Löwenzahn ist da sicher eine gute Alternative. Das sehen wir auch auf unseren Feldern halt, dass sehr viele Bienen auf dem Löwenzahn auch Nektar sammeln."