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Naturwissenschaftler und Geschäftsmann

Der Biochemiker Thomas Steitz ist nicht nur ein großer Wissenschaftler und seit heute Nobelpreisträger, er hat sich auch als Firmengründer um die praktische Anwendung seiner Forschungsergebnisse verdient gemacht.

Von Klaus Herbst | 07.10.2009
    Am Telefon macht der 1940 in Milwaukee, Wisconsin, geborene Biochemiker Thomas Steitz einen konzentrierten, gelassenen Eindruck. Doch ist er auch begeisterungsfähig, speziell, wenn er auf den Nobelpreis angesprochen wird.

    "Oh, ich fühle mich wunderbar. Ich hatte nicht erwartet, dies würde eintreten - obwohl einige meiner Kollegen immer wieder prophezeiten, es würde einmal so weit sein. Ich empfinde gerade ein großartiges Gefühl von Wertschätzung."

    Steitz gründete eine Firma, eines der größten Start-ups in den USA im Jahr 2001. Er hatte nämlich erkannt, dass die Entwicklung neuer, wirksamer Antibiotika die wichtigste Anwendung für die Entschlüsselung der Struktur und Funktionsweise des Ribosoms ist.

    "Die Rolle des Ribosoms, Eiweiße herzustellen, ist heute ausreichend erforscht. Dieses Wissen hat auch praktischen Wert für die gesamte Gesellschaft. Schließlich ist das Ribosom der Hauptangriffspunkt für Antibiotika. Deswegen habe ich mit einigen Freunden und Kollegen die Firma rib-ex Pharmaceuticals gegründet. Dort werden ständig neue Antibiotika gegen resistente Bakterienstämme entwickelt. Ein Wirkstoff hat sich bereits in klinischen Studien der Phase zwei als besonders erfolgreich erwiesen. Und wir erwarten noch weitere vielversprechende Erfolge."

    Thomas Steitz gilt als vorausschauender und erfolgreicher Geschäftsmann mit Liebe zur Natur und den Menschen. Seine Universität schreibt heute im Internet, dass es seiner Firma rib-ex wohl gelingen werde, ganze Klassen neuer Antibiotika zu entwickeln. Dies werde Menschenleben retten, denn ständig werden Antibiotika resistent. Steitz' langjähriger Weggefährte, der Molekularbiologe Nenad Ban von der ETH Zürich, sieht es bei aller Vorsicht als einen Segen für die Menschheit, neue Klassen von Antibiotika zu entwickeln. Über den Nobelpreisträger sagt er:

    "In der Wissenschaft sollte man generell vorsichtig sein. So macht Tom Steitz auch einen rationalen, ruhigen Eindruck. Andererseits kann er auch sehr leidenschaftlich sein. Fünf Jahre lang - bis zum Jahr 2000 - habe ich mit ihm in Yale zusammengearbeitet und festgestellt, dass er sehr kommunikativ, sehr zugänglich war und wichtige, wissenschaftliche Informationen gerne weitergab. Ein gemeinsames Hobby teilen wir nicht, aber eine Sportverletzung verbindet uns. Kurz vor der Beschreibung des Ribosoms erlitt Thomas Steitz beim Bergsteigen einen kompletten Abriss beider Achillessehnen. Später, gegen Ende der Experimente zog ich mir beim Baseball-Spiel exakt dieselbe Verletzung zu. In diesem Zustand war ich mit einem festen Verband am Bein an den PC gefesselt und wertete die Ergebnisse noch näher aus. Dieselbe Verletzung und ein gemeinsam erarbeiteter Erfolg, das schafft Verbindung."