"Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg." Was für ein sperriger Titel. Klara Geywitz sitzt unter der Flagge mit dem roten Adler im Landtag von Brandenburg. Hier im Raum 306 tagt sonst die SPD-Fraktion: die Tische aufgebaut im Quadrat mit runden Ecken, grauer Teppichboden, Fenster auf beiden Seiten. Ihr gegenüber hängen gerahmte Wahlplakate aus der jüngeren Geschichte der Partei, Parolen wie "Gemeinsam für Brandenburg" oder auch "garantiert sozial gerecht" – daneben Bilder der beiden Ikonen der brandenburgischen SPD:
"Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt haben dieses Land mit geprägt. Und sicherlich bin ich nicht ohne Einfluss von diesen Persönlichkeiten auch sozialisiert worden, politisch geprägt. Und ich hab mich auch mit Manfred Stolpe im Vorfeld der Kommission sehr lange unterhalten über seine Wahrnehmung und hab auch immer im Hinterkopf, dass er gesagt hat, dass es ihm damals 89/90 um Recht ging, nicht um Rache. Das ist für mich auch eine ganz hilfreiche Richtschnur."
Klara Geywitz: dunkle Haare bis in den Nacken und eine dezente Brille, dezent geschminkt, dezenter Schmuck. Das passt: Sie drängt sich nicht in den Vordergrund, zeigt aber Präsenz. Über der Eingangstür von Raum 306 hängt eine Uhr. Denn die Zeit muss sie in doppelter Sicht im Blick halten: Die Sitzungen sollen nicht ausufern, der Arbeitsauftrag der Enquetekommission ist üppig. Zweieinhalb Jahre mindestens werden sich die sieben Wissenschaftler und sieben Politiker damit auseinandersetzen, wie Brandenburg von der Diktatur der DDR in der Demokratie der Bundesrepublik landete. Politisch ist das Gremium hochkarätig besetzt: LINKE, FDP und Grüne schicken ihre Fraktionsvorsitzenden, die CDU den Generalsekretär, für die SPD sitzt der Parlamentspräsident am Tisch. Geywitz ist zwar kein Neuling im politischen Geschäft, aber viele sind länger dabei als sie. Respekt einflößend für die jetzt 33-Jährige?
"Aber natürlich ist es so, und meine Partei hat auch ganz bewusst jemanden ausgesucht als Kommissionsvorsitzende, der halt nicht aktiv als Minister oder Staatssekretär damals Verantwortung getragen hat, um auch zu ermöglichen zu sehen: OK, wir haben 20 Jahre dieses Land regiert, da werden sicherlich auch Fehler passiert sein. Und das gehört zu einer wissenschaftlichen ehrlichen Aufarbeitung von Geschichte und von Regierungshandeln, dass man genau das auch analysieren kann."
Geboren 1976 in Potsdam-Babelsberg, wächst Geywitz noch in der DDR auf, bis diese von der friedlichen Revolution hinweggefegt wird. Da ist sie 13 Jahre alt. Noch als Schülerin 1994 tritt sie der SPD bei, sehr zur Verwunderung ihrer Eltern; ihr Vater war in der SED.
"Die Schule wurde anders, die Lehrer waren von einem Tag auf den andern weg. Die einen waren in den Westen abgehauen, die andern waren bei der Stasi und wurden rausgeschmissen. Ich bin dann nach Potsdam gekommen von meinem kleinen beschaulichen Dorf, und das war ganz großartig: Die halbe Innenstadt war besetzt. Hausbesetzer hatten sich der denkmalgeschützten Substanz gewidmet, damit die nicht gänzlich verfiel, und das war natürlich die große Anarchie und Freiheit, das hat viele in meiner Generation geprägt, dass man erstmal machen konnte, was man wollte, und das war großartig, gerade als Teenager."
Nach dem Abitur studiert Geywitz Politologie. Vor sechs Jahren wird sie erstmals in den Landtag gewählt, befasst sie sich mit Bildungspolitik, macht aber auch in der Partei eine schnelle Karriere: SPD-Fraktionsvize, dann Stellvertreterin an der Spitze der Landes-SPD. Seit 2009 ist sie parlamentarische Geschäftsführerin. Ihr Kollege Ingo Senftleben von der CDU scherzt über das Amt:
"Ist ja mein Job, dafür sorgen, dass andere gut dastehen."- Geywitz: "Also, ich versuche, das bei Besuchergruppen immer so zu umschreiben: Das ist so 'ne Kreuzung aus Hausmeister und Justiziar. Man muss sich da um die Seelenlage der Kollegen kümmern und um die Drucksachen, ihre Abfolge, und dass alle Rechnungen bezahlt werden und alle einigermaßen dann in den Sitzungen erscheinen, wenn sie da sein sollten, ja! Eigentlich ist das eine sehr schöne Aufgabe, um mal in allen Politikbereichen zu schauen, was die Kollegen so treiben und nicht nur in einem Feld."
Nebenbei, als Hobby, versucht Geywitz polnisch zu lernen; zwei Stunden in der Woche. Ein Kind hat sie - und merkt jeden Tag die Schwierigkeiten, Familie und den zeitraubenden Beruf Vollzeitpolitiker unter einen Hut zu bringen:
"Also, das ist ein großer Kampf um jeden Abend, den man entweder auf einer Parteiversammlung verbringt oder bei Bürgerdemonstrationen oder in politischen Gremien. Oder aber natürlich bei der Familie, die einen häufig vermisst. Ich denke, das wird auch eine große Herausforderung sein, dass wir uns als Politik wirklich bemühen müssen, unsere Arbeitsabläufe in Zukunft anders und besser zu gestalten."
Auf dem Parteitag der SPD zeigt sich ihr politischer Wert: Zwar wird Klara Geywitz wieder zur Stellvertreterin des Parteivorsitzenden Matthias Platzeck gewählt, allerdings sinkt die Zustimmung von 76 auf 74 Prozent. Damit ist sie zwar nicht so beliebt wie der Ministerpräsident, ihr Ergebnis liegt aber doch deutlich über dem des SPD-Generalsekretärs. Souveränität beim Leiten der Enquetekommission billigt ihr sogar die Opposition zu, Talent, Ehrgeiz auch, aber höhere Ämter in der Zukunft, gar Ministerpräsidentin? Axel Vogel, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag:
"Na, da wär' ich mal vorsichtig mit solchen großen Lobhudeleien. Also, sie haben ja vielleicht auch wahrgenommen, dass sie auf dem SPD-Parteitag ja nicht gerade mit 99 Prozent abgeschnitten hat. Also in ihrer eigenen Partei wird es wohl doch etwas kritischer gesehen. Und mir als Außenstehendem steht es wenig an, das Abstimmungsverhalten in der SPD zu bewerten."
"Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt haben dieses Land mit geprägt. Und sicherlich bin ich nicht ohne Einfluss von diesen Persönlichkeiten auch sozialisiert worden, politisch geprägt. Und ich hab mich auch mit Manfred Stolpe im Vorfeld der Kommission sehr lange unterhalten über seine Wahrnehmung und hab auch immer im Hinterkopf, dass er gesagt hat, dass es ihm damals 89/90 um Recht ging, nicht um Rache. Das ist für mich auch eine ganz hilfreiche Richtschnur."
Klara Geywitz: dunkle Haare bis in den Nacken und eine dezente Brille, dezent geschminkt, dezenter Schmuck. Das passt: Sie drängt sich nicht in den Vordergrund, zeigt aber Präsenz. Über der Eingangstür von Raum 306 hängt eine Uhr. Denn die Zeit muss sie in doppelter Sicht im Blick halten: Die Sitzungen sollen nicht ausufern, der Arbeitsauftrag der Enquetekommission ist üppig. Zweieinhalb Jahre mindestens werden sich die sieben Wissenschaftler und sieben Politiker damit auseinandersetzen, wie Brandenburg von der Diktatur der DDR in der Demokratie der Bundesrepublik landete. Politisch ist das Gremium hochkarätig besetzt: LINKE, FDP und Grüne schicken ihre Fraktionsvorsitzenden, die CDU den Generalsekretär, für die SPD sitzt der Parlamentspräsident am Tisch. Geywitz ist zwar kein Neuling im politischen Geschäft, aber viele sind länger dabei als sie. Respekt einflößend für die jetzt 33-Jährige?
"Aber natürlich ist es so, und meine Partei hat auch ganz bewusst jemanden ausgesucht als Kommissionsvorsitzende, der halt nicht aktiv als Minister oder Staatssekretär damals Verantwortung getragen hat, um auch zu ermöglichen zu sehen: OK, wir haben 20 Jahre dieses Land regiert, da werden sicherlich auch Fehler passiert sein. Und das gehört zu einer wissenschaftlichen ehrlichen Aufarbeitung von Geschichte und von Regierungshandeln, dass man genau das auch analysieren kann."
Geboren 1976 in Potsdam-Babelsberg, wächst Geywitz noch in der DDR auf, bis diese von der friedlichen Revolution hinweggefegt wird. Da ist sie 13 Jahre alt. Noch als Schülerin 1994 tritt sie der SPD bei, sehr zur Verwunderung ihrer Eltern; ihr Vater war in der SED.
"Die Schule wurde anders, die Lehrer waren von einem Tag auf den andern weg. Die einen waren in den Westen abgehauen, die andern waren bei der Stasi und wurden rausgeschmissen. Ich bin dann nach Potsdam gekommen von meinem kleinen beschaulichen Dorf, und das war ganz großartig: Die halbe Innenstadt war besetzt. Hausbesetzer hatten sich der denkmalgeschützten Substanz gewidmet, damit die nicht gänzlich verfiel, und das war natürlich die große Anarchie und Freiheit, das hat viele in meiner Generation geprägt, dass man erstmal machen konnte, was man wollte, und das war großartig, gerade als Teenager."
Nach dem Abitur studiert Geywitz Politologie. Vor sechs Jahren wird sie erstmals in den Landtag gewählt, befasst sie sich mit Bildungspolitik, macht aber auch in der Partei eine schnelle Karriere: SPD-Fraktionsvize, dann Stellvertreterin an der Spitze der Landes-SPD. Seit 2009 ist sie parlamentarische Geschäftsführerin. Ihr Kollege Ingo Senftleben von der CDU scherzt über das Amt:
"Ist ja mein Job, dafür sorgen, dass andere gut dastehen."- Geywitz: "Also, ich versuche, das bei Besuchergruppen immer so zu umschreiben: Das ist so 'ne Kreuzung aus Hausmeister und Justiziar. Man muss sich da um die Seelenlage der Kollegen kümmern und um die Drucksachen, ihre Abfolge, und dass alle Rechnungen bezahlt werden und alle einigermaßen dann in den Sitzungen erscheinen, wenn sie da sein sollten, ja! Eigentlich ist das eine sehr schöne Aufgabe, um mal in allen Politikbereichen zu schauen, was die Kollegen so treiben und nicht nur in einem Feld."
Nebenbei, als Hobby, versucht Geywitz polnisch zu lernen; zwei Stunden in der Woche. Ein Kind hat sie - und merkt jeden Tag die Schwierigkeiten, Familie und den zeitraubenden Beruf Vollzeitpolitiker unter einen Hut zu bringen:
"Also, das ist ein großer Kampf um jeden Abend, den man entweder auf einer Parteiversammlung verbringt oder bei Bürgerdemonstrationen oder in politischen Gremien. Oder aber natürlich bei der Familie, die einen häufig vermisst. Ich denke, das wird auch eine große Herausforderung sein, dass wir uns als Politik wirklich bemühen müssen, unsere Arbeitsabläufe in Zukunft anders und besser zu gestalten."
Auf dem Parteitag der SPD zeigt sich ihr politischer Wert: Zwar wird Klara Geywitz wieder zur Stellvertreterin des Parteivorsitzenden Matthias Platzeck gewählt, allerdings sinkt die Zustimmung von 76 auf 74 Prozent. Damit ist sie zwar nicht so beliebt wie der Ministerpräsident, ihr Ergebnis liegt aber doch deutlich über dem des SPD-Generalsekretärs. Souveränität beim Leiten der Enquetekommission billigt ihr sogar die Opposition zu, Talent, Ehrgeiz auch, aber höhere Ämter in der Zukunft, gar Ministerpräsidentin? Axel Vogel, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag:
"Na, da wär' ich mal vorsichtig mit solchen großen Lobhudeleien. Also, sie haben ja vielleicht auch wahrgenommen, dass sie auf dem SPD-Parteitag ja nicht gerade mit 99 Prozent abgeschnitten hat. Also in ihrer eigenen Partei wird es wohl doch etwas kritischer gesehen. Und mir als Außenstehendem steht es wenig an, das Abstimmungsverhalten in der SPD zu bewerten."