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Negativer Einlagezins
Experiment mit ungewissem Ausgang

Die Europäische Zentralbank hat den Einlagenzins für Banken auf minus 0,1 Prozent gesenkt, um so die Kreditvergaben attraktiver zu machen. Das ist ein Novum. Erfahrungen mit negativen Einlagezinsen gibt es allenfalls aus kleineren Ländern – und die sind nicht gerade ermutigend.

Von Michael Braun | 05.06.2014
    Euro-Skulptur vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
    Negative Einlagezinsen sind Neuland für die Europäische Zentralbank. (picture alliance / dpa - Arne Dedert)
    Für die Europäische Zentralbank wäre es Neuland. Bisher haben nur kleinere Notenbanken negative Einlagenzinsen schon mal ausprobiert. Was sie bewirken sollen, erklärt der geldpolitische Analyst der Commerzbank, Michael Schubert, so:
    "Wie bei jeder expansiven Geldpolitik will man das Halten von Geld unattraktiv machen. Und wenn man einen Strafzins fordert, dann ist es besonders unattraktiv. Man möchte, dass die Banken das Geld nicht bei der EZB halten, sondern dass sie Kredite vergeben, an andere Institute, an Privatpersonen. Und wenn man halt sagt, dieses Geld wird immer weniger, wenn man es bei der Zentralbank anlegt, dann steigert man die Attraktivität, doch einen Kredit zu vergeben."
    Negativer Einlagezins soll Kreditvergabe erleichtern
    So hat die schwedische Riksbank zwischen Juli 2009 und September 2010 einen negativen Einlagenzins von 0,25 Prozent erhoben. Die dänische Zentralbank hatte im Juli 2012 0,2 Prozent Strafzins festgesetzt, ihn später auf minus 0,1 Prozent halbiert und im April 2014 auslaufen lassen.
    Auch aus der Schweiz sind Negativzinsen bekannt. Dort war es – mit Unterbrechungen - von 1964 bis 1979 verboten, Geldanlagen ausländischer Geldgeber in Schweizer Franken zu verzinsen. Die entsprechende Verordnung erlaubte sogar einen Negativzins von bis zu zehn Prozent pro Quartal. Das sei aber nur eine Waffe gegen ausländische Fluchtgelder gewesen, hat der ehemalige Chefvolkswirt der UBS, Klaus Wellershoff, kürzlich im Schweizer Radio SRF erklärt. Negativzinsen habe es in der Schweiz in Wahrheit nie gegeben:
    "Das ist ein ganz großes Märchen. Damals, als wir den Zeittraum gehabt haben, als das institutionalisiert wurde, was man so gemeinhin Negativzinsen nennt, waren das keine Zinsen, sondern es war eine Administrativgebühr. Es war eine Administrativgebühr nur auf Neugeld und nur aus dem Ausland. Also eine ganz andere Situation."
    Schuss kann nach hinten losgehen
    Absicht war auch, durch den Zustrom in den Schweizer Franken dessen Kurs nicht ins Unermessliche steigen zu lassen. Das würde der Schweizer Exportwirtschaft das Leben erschweren. Das ist der Schweiz auch gelungen, genauso wie Schweden und Dänemark mit echten Negativzinsen es geschafft haben, die Aufwertung ihrer Währungen zu unterbinden. Nicht gelungen ist Dänemark, über den negativen Einlagenzins die Kreditvergabe zu erleichtern. Commerzbanker Michael Schubert:
    "Es ist etwas sehr Seltsames passiert: Eigentlich sollte es so sein, wenn der Leitzins sinkt, dass auch die Marktzinsen sinken. Und in dem Fall von Dänemark sind die Kreditzinsen sogar gestiegen. Das hat man damit erklärt, dass man gesagt hat: Für Banken stellt natürlich ein negativer Einlagenzins Kosten dar. Und diese Kosten wollten diese Banken wieder reinholen und haben gesagt: 'Dann erhöhen wir halt unsere Kreditzinsen, dann haben wir etwas mehr Ertrag.'"
    Die Gefahr ist also, dass der Schuss nach hinten losgeht. Außerdem wird gewarnt, viele Computersysteme der Banken sähen negative Zinsen nicht vor. Das sei aber, heißt es, ähnlich wie bei der ausgebliebenen Pannenangst zur Jahrtausendwende, lösbar.