Archiv


Nesthäkchen im Rathaus

Daniel Zimmermann hat bei den Kommunalwahlen in Monheim, einem Städtchen zwischen Köln und Düsseldorf, die Bürgermeisterwahl gewonnen. Mit 27 Jahren. Nun muss er zeigen, was er wirklich draufhat.

Von Katrin Zöfel |
    "Der Daniel hat sich nie größer gemacht, als er ist, er ist immer Mensch geblieben, der hat so ein Wissen, und da zieh ich den Hut vor ab ... der hat soviel auf'm Kasten, da kommt mancher, der älter ist, nicht mit."

    Ingrid Isekait trinkt am Nachmittag in der Bäckerei direkt gegenüber vom Rathaus ihren Kaffee. Daniel Zimmermann. Wäre er nicht gewesen, sagt die Rentnerin,

    "… dann wär ich Zuhause geblieben, dann wär ich gar nicht wählen gegangen."

    Daniel Zimmermann hat bei den Kommunalwahlen in Monheim, einem Städtchen zwischen Köln und Düsseldorf, mit gut 30 Prozent der Stimmen die Bürgermeisterwahl gewonnen. Mit 27 Jahren. Und seiner eigenen Partei: der Peto. Monheim ist ein Städtchen, wie es viele gibt im Rheinland, aber dass der Jungpolitiker die Kandidaten der etablierten Parteien ausstach und dass seine Fraktion nun genauso groß ist wie die der CDU, macht Monheim mit einem Schlag bundesweit bekannt. Die Peto ist außergewöhnlich, ihre jüngste Stadträtin ist 18, der älteste gerade 27, es ist eine Jugendpartei. Die Ziele, die sich der frisch gewählte Bürgermeister gesteckt hat, klingen aber ziemlich erwachsen. Er sagt:

    "Wir wollen, dass Monheim kinder- und familienfreundlicher wird. Wir wollen hier die Sportplätze in der Stadt erhalten und sanieren. Wir sind als Jüngere diejenigen, die hier in 40, 50 Jahren noch Steuern zahlen. Wir wollen, dass Monheim möglichst keine neuen Schulden macht."

    Ein Zeitsprung, zehn Jahre zurück ins Jahr 1999. Zusammen mit vier Freunden überlegt Daniel Zimmermann, was sie Sinnvolles mit ihrer Freizeit anfangen könnten.

    "Es hätte auch eine Theater-AG oder etwas Vergleichbares sein können,"

    … erinnert er sich. Doch 1999 ist gerade das Kommunalwahlrecht geändert worden, auch 16-Jährige dürfen jetzt wählen. Die jungen Leute nehmen den Impuls auf,

    "… weil bei uns schon so was, wie eine Abenteuerlust bestand, das halt mal auszuprobieren."

    Wenn man schon mit 16 wählen, und mit 18 sogar gewählt werden kann, dann doch bitte mit einer Politik, für die sich der Einsatz auch lohnt. Sie wollen nicht mehr bloß darauf warten, dass die etablierten Parteien sich tatsächlich einmal für Jugendliche einsetzen, deshalb

    "… haben wir dann, als wir unser Wahlprogramm aufgestellt haben, Themen gesammelt hier vor Ort, die uns interessieren."

    Der Parteiname kommt aus dem Lateinischen, "peto", "ich fordere". Es geht ihnen um günstigere Bustickets für Jugendliche und einen Radweg durch die Monheimer Fußgängerzone. Und tatsächlich: Peto gewinnt auf Anhieb zwei Sitze im Gemeinderat. Doch die Anfangszeit ist hart.

    "Man hat das ja auch an den Reaktionen der anderen Parteien gesehen, die haben uns nicht ganz für voll genommen."

    Nur allmählich gewinnen die jungen Stadträte den Respekt der Kollegen. Sie arbeiten sich gründlicher in die Akten ein als die Altgedienten. Das fällt auch den Bürgern auf. Fünf Jahre später erobert Peto sechs Sitze, 2009 sind es schließlich zwölf und der Stuhl des Bürgermeisters.

    Im hellblauen Hemd und der Jeans, mit korrekt frisierten, blonden Haaren sieht Zimmermann auch heute noch, mit 27, beinahe aus wie ein Abiturient. Trotzdem scheint er etwas zu haben, das anderen Politikern fehlt. Auf dem Wochenmarkt zumindest ist viel Positives zu hören. Beim Eierkaufen und beim gemüseaussuchen, die Kommunalwahl ist Gesprächsthema.

    "Der hat einen tollen Wahlkampf gemacht, und hat, denke ich, nicht nur die jungen Leute angesprochen, sondern auch mich, die ich schon 40 bin."

    "Ein junger Mann, der Zeichen setzen kann. Von der Kundschaft hör ich, der Mann ist gut."

    "Er geht auf die Menschen zu, und er hat einen Heimvorteil. Er kennt die Tiefs und die Hochs in Monheim."

    Selbst die skeptischsten Stimmen klingen immer noch wohlwollend.

    "Was er als Bürgermeister bringt ... Man sollte jedem erst mal die 100 Tage geben und dann schauen."

    Mit sechs Sitzen im Rathaus konnten die Schülerräte auch bisher schon manches, was auf ihrer Agenda stand, durchsetzen. Eine Mehrheit erreichten sowohl CDU als auch SPD nur, wenn Peto mit ihnen stimmte. Das verschafft den Jugendpolitikern Einfluss. Den neuen Schulhof mit Fußballplatz und Karussell im Norden der kleinen Stadt nutzen inzwischen Schüler von drei Schulen gemeinsam. Ein weiteres Projekt ist fast fertig gestellt:

    "Wir sind hier in den Proberäumen in der Realschule."

    Simon Pohlmann spielt Schlagzeug . Der 19-Jährige steht im Keller der Liese-Meitner-Realschule, drei Probenräume und eine Toilette sind im ehemaligen Partyraum der Schule entstanden.

    "Ich als Bandmitglied find das natürlich gut, wir proben halt zurzeit bei mir im Keller, wir haben Probleme mit den Nachbarn, und wir haben Feuchtigkeit ziemlich stark da drin, das ist halt nicht so schön für die Instrumente."

    Peto hat sich für die neuen Probenräume starkgemacht, klar das XY ihnen seine Stimme gegeben hat. So wie viele Schüler, die sich sonst wohl nie für eine Kommunalwahl auf den Weg gemacht hätten. Annika Heidkamp etwa hat nicht nur gewählt, die 19-Jährige ist noch am Wahlabend der Jugendpartei beigetreten:

    "CDU, SPD, FDP sprechen mich nicht an. Ich hab mir gedacht, die Peto ist eine Jugendpartei, da kann ich selber mitwirken, da kann ich aktiv werden, deshalb hab ich mich entschlossen, bei der Peto Mitglied zu werden."

    Keine Peto, keine Politik. Hundert neue Mitglieder in zwei Wochen, das ist Rekord. Die Zahl der Parteimitglieder ist sprunghaft gestiegen, auf fast 300. Doch reich wird die Partei davon nicht. Gerade einmal zwölf Euro pro Jahr kostet das Parteibuch. Gerade über ihre Finanzen hat sich die Partei so ihre eigenen Gedanken gemacht:

    "Wir haben den Wahlkampf komplett selber finanziert. Wir haben von unseren Aufwandsentschädigungen die letzten fünf Jahre gespart. Jedes Ratsmitglied bekommt 250 Euro, einen Großteil davon haben wir zur Seite gelegt."

    Glaubwürdigkeit ist wohl der Trumpf, mit dem Zimmermann am meisten Punkten konnte ...

    "Ich bin keinem Großspender einen Gefallen schuldig."

    Die etablierten Parteien in Monheim müssen sich nun erst einmal neu sortieren, sich die Augen reiben angesichts soviel jugendlichen Elans. Selbst manchem Peto-Mitglied tut es leid, dass sie durch ihren Erfolg engagierte, altgediente Stadträte aus dem Rat vertrieben haben. Bei der letzten Ratssitzung vor einer Woche wurden die scheidenden Räte verabschiedet. Ein trauriger Moment sei das gewesen, sagen die Peto-Leute. Daniel Zimmermann macht sich derweil gewissenhaft an die Vorbereitung auf seine erste Amtszeit.

    "Unsere Wählerinnen und Wähler hier in Monheim haben jetzt ein Anrecht darauf, dass wir das jetzt gut hinkriegen."

    Mit dem scheidenden Bürgermeister fährt Zimmermann Mitte Oktober - noch vor seiner Vereidigung - nach München zur Expo Real, eine Messe, auf der Städte sich und ihre Gewerbegebiete präsentieren. Dann will er nicht mehr nur für sich werben, sondern gleich für eine ganze Stadt.