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Neuaufbau in der Antarktis

Umwelt. - Seit 15 Jahren dient die Neumayer-Station der Erforschung der Antarktis. Doch weil sie immer weiter in das Eis sinkt und aufgegeben werden muss, suchen die Forscher nach einer neuen Bleibe. Dazu wird die Neumayer-Station III dienen, die jetzt in Bremerhaven präsentiert wurde.

Von Frank Grotelüschen |
    Hartwig Gernandt legt den Kopf in den Nacken und schaut nach oben. Vor ihm ragt ein wuchtiges Metallgerüst in die Höhe. An der Spitze, in 24 Metern Höhe, sind ein paar schlichte Industriecontainer festgeschraubt.

    "Hier stehen wir vor einem Probeaufbau für die neue Antarktis-Forschungsstation. Das ist die dritte, die errichtet wird – die Neumayerstation III."

    Hartwig Gernandt arbeitet am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und ist verantwortlich für den Bau von Neumayer III. In zwei Jahren soll sie die jetzige Station ablösen, Neumayer II. Diese ist zwar erst 13 Jahre alt, nähert sich aber dennoch dem Ende ihrer Tage. Der Grund: Es schneit viel in der Antarktis.

    "Die Station, die jetzt betrieben wird, ist nach dem Röhrenkonzept gebaut. In zwei Stahlröhren sind alle Einrichtungen untergebracht. Die werden jedes Jahr um einen Meter weiter im Schnee verschüttet. Die Station ist jetzt zwölf Meter tief unter der Erdoberfläche. Und die Schneelast, die auf diesen Röhren liegt, zerdrückt diese Röhren allmählich."

    Also muss eine neue Station her. Doch diesmal soll alles anders werden: Statt sich jedes Jahr eine Stück tiefer einschneien zu lassen, wollen die Polarexperten diesmal mit dem Neuschnee mithalten.

    "Wir versuchen jetzt, die Station in einem Tragwerk unterzubringen, das im Eis steht – aber nicht auf Stützen, die fest sind, sondern in jede dieser Stützen ist eine hydraulische Hebeeinrichtung eingebaut. Und mit dieser Hydraulik sind wir in der Lage, das gesamte Bauwerk jedes Jahr um rund einen Meter anzuheben. Auf diese Weise werden wir die ganze Station immer an der Schneeoberfläche halten. Und wir werden diese Station 25 bis 30 Jahre lang betreiben können."

    30 Jahre Betriebszeit – das wäre doppelt so lange wie bei den alten Stationen. 16 Stützen sollen die 2300 Tonnen schwere Station, die aussieht wie die Miniausgabe eines Flughafenterminals, tragen und einmal im Jahr um einen Meter hochstemmen. In Zukunft werden die Forscher also auf Stelzen wohnen statt wie bislang im Untergrund. Eine durchaus verlockende Aussicht.

    "Denn in einer Röhre 15 Meter tief unter dem Schnee ist man ja völlig isoliert und nimmt nur über Monitore wahr, was außen vorgeht – ob Schneesturm ist und welche Temperaturen herrschen. Hier erlebt man die antarktische Natur etwas unmittelbarer."

    Jetzt steigt Hartwig Gernandt in einen großen Container direkt neben dem Gerüst. Die Wände verkleidet mit Schallschutzelementen, in der Mitte drei wuchtige Dieselgeneratoren – das Kraftwerk der Neumayer-Station. Denn in der Antarktis gibt es keine Steckdose. Die Station muss sich ganz und gar selbst mit Energie versorgen.

    "Sie muss so konzipiert werden, dass sie im Notfall auch für zwei Jahre unabhängig ohne Nachlieferung, ohne große Wartung funktioniert. Und da ist natürlich das Entscheidende die Energieversorgung. Und unser Konzept ist, so genannte Blockheizkraftwerke zu verwenden, und zwar drei Stück."

    Die Blockheizkraftwerke liefern Strom, ihre Abwärme dient zum Heizen. Im antarktischen Winter bei monatelanger Dunkelheit ist die Station von neun Leuten besetzt: Forscher, Techniker, aber auch ein Arzt und ein Koch. Im Sommer dann wohnen bis zu 40 Menschen auf der Station – vor allem Gastwissenschaftler. Sie wollen unter anderem feststellen, wie sich das Ozonloch über dem Südpol im Laufe der nächsten Jahrzehnte entwickelt. Und: Wie wird sich das Klima in der Antarktis in Zukunft verändern? Eine spannende Frage für die Klimaforscher, denn:

    "In den Polarregionen werden die zu erwartenden Klimaänderungen am signifikantesten zu beobachten sein. Und dazu dient diese neue Station."

    Im November wird Neumayer III verschifft und in Antarktis transportiert. Im Februar 2009 soll sie dann den Betrieb aufnehmen – vorausgesetzt, die Finanzierungslöcher sind bis dahin gestopft. Denn eines steht fest: Mit den vom Bundesforschungsministerium bewilligten 26 Millionen Euro kommen die Polarforscher bei weitem nicht aus.