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Neue Erkenntnisse beim 8.Aidskongress in Berlin

Mit der Kombinationstherapie gab es vor fünf Jahren einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung der HIV-Infektion. Seitdem gilt vielen Menschen das Problem AIDS zumindest in den Industrieländern als gelöst. Entsprechend sorglos scheint der Umgang mit der Erkrankung.

Volkart Wildermuth |
    Zwar lag die Zahl der Neuinfektionen mit dem AIDS-Virus im vergangenen Jahr unverändert bei rund 2000, doch schon in diesem Jahr könnten die Zahlen wieder steigen, gerade auch unter jungen Erwachsenen. Die wissen zwar alles, was es über HIV und AIDS zu wissen gibt, beim ersten Sex mit einem neuen Partner verwenden sie auch ein Kondom. Aber schon beim zweiten Mal besiegt zu oft die Lust die Angst. Dr.Elke Lauenroth-Mai, die eine AIDS-Schwerpunktpraxis hat:

    Es ist als so, dass nicht nur die Rate der sexuell übertragbaren Erkrankungen wieder zugenommen hat auch bei uns in der Praxis sonder die Sorglosigkeit auch beim Mitteilen, dass der HIV-Test positiv ist, ist im Vergleich vor 5 Jahren oder 6 Jahre wo eher sich die Frage stellt, wie lange habe ich noch Zeit, sich häufig junge Leute in ihrer Unbeschwertheit zurücklehnen und sagen: ja und welche Therapie nehmen wir jetzt.

    Mit einem normalen Rezept ist es bei einer HIV-Infektion aber nicht getan. Die erste Frage lautet, ab wann soll behandelt werden. Wegen der Nebenwirkungen raten die meisten Ärzte heute, anders als noch vor kurzem, nicht zu einem sofortigen Therapiebeginn. Wenn das Immunsystem aber deutlich geschädigt ist, kommen die Patienten um einen Medikamentencocktail nicht mehr herum. Um das Virus ganz aus dem Blut zu verdrängen mussten früher täglich zwanzig Pillen nach einem strengen Zeitschema eingenommen werden. Dank neuer Kombinationspräparate ist die erste Therapierunde für die Patienten aber meist einfacher. Nach wie vor haben sie aber mit Übelkeit und Darmproblemen zu kämpfen, bei vielen entwickelt sich nach einem Jahr Therapie auch die gefürchtete Fettumlagerung. Arme, Beine und vor allem das Gesicht magern extrem ab, dafür sammelt sich das Fett im Nacken oder im Bauchraum. Und das ist weit mehr als nur ein Schönheitsproblem.

    Das kann durchaus ein gesundheitliches Problem sein. Wir sehen zum Teil eben gerade bei diesen Fettansammlungen im Bauchbereich, dass die Patienten Beschwerden des Darmes bekommen. Das Fett kann so extrem sich ansammeln, dass auch die Luft knapp wird, und dieser sogenannte buffalo hump, dieser Büffelnacken kann dazu führen, dass die Patienten tatsächlich nicht mehr in der Lage sind, vernünftig im Bett zu liegen. Die vergrößerte Brust beider Frau kann zu Rückenproblemen führen, dass heißt das ist nicht nur ein kosmetisches Problem.

    Die stark erhöhten Cholesterinwerte steigern zudem das Artheriosklerose Risiko. Wenn die Patienten Anzeichen für eine Fettumlagerung beobachten, sollten sie mit ihrem Arzt über einen Therapiewechsel sprechen. Der wird früher oder später in jedem Fall nötig, denn auch die Kombinationstherapie kann die HIV-Infektion nicht heilen. Das Virus lernt mit den Medikamenten umzugehen und beginnt erneut mit seinem tödlichen Angriff auf das Immunsystem. Um es in Schach zu halten, muss eine neue Kombination der derzeit rund 20 Wirkstoffe gefunden werden und zwar mit einer Mischung aus ärztlicher Kunst und der Methode von Versuch und Irrtum. Seit kurzem hilft hier die sogenannte Resistenzanalyse. Dabei wird das Virus im Blut des jeweiligen Patienten genau untersucht. Das Muster der Veränderungen in seinem Erbgut zeigt, welche Medikamente in jedem Fall nicht mehr wirken.

    In Berlin wurden mehrere Studien vorgestellt, die belegen, dass dieses Wissen den Patienten direkt zugute kommt, ihre Viruslast ist niedriger, das Immunsystem aktiver. Deutsche und Europäische Richtlinien fordern deshalb die breite Anwendung der Resistenzanalyse. Doch die Realität sieht anders aus, wie auch Dr. Hans-Jürgen Stellenbrink vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg feststellen muss.

    Wir müssen wegen jeder Resistenzanalyse die Krankenkassen fragen und die befragen wiederum ihren medizinischen Dienst. Das sind Verfahren die zwischen acht und sechzehn Wochen dauern. Das ist eigentlich nicht vertretbar, wenn man die Biologie des Virus bedenkt, das heißt Resistenzentwicklung ist wesentlich schneller, als die Mechanismen, mit denen die Krankenkassen diese Nachfragen beurteilen. Wir haben de facto die Situation, dass wir bei Patienten die privat versichert sind, mit einer einzigen Ausnahme, keine Schwierigkeiten haben, die notwenigen Resistenzanalysen durchzuführen, während wir bei Kassenpatienten in vielen Fällen auch von Krankenkassen Absagen bekommen. Und wir empfinden das als zwei Klassen Medizin.

    Und das bei einer Therapieentscheidung, bei der es um Leben und Tod geht. Denn wenn die richtige Kombinationsbehandlung nicht rechtzeitig gefunden wird, sterben auch heute noch HIV-Infizierte an AIDS.