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Neue Erkenntnisse zur Aids-Übertragung

Ist Aids bei optimaler Therapie noch ansteckend? Auslöser für diese Diskussion war eine Studie aus der Schweiz, die besagt, dass Aidskranke unter bestimmten Bedingungen Sex ohne Kondom haben können. Und zwar dann, wenn sie mit Medikamenten optimal eingestellt sind.

Von Veronika Bräse |
    Sex ohne Kondom ist möglich, auch für HIV-Infizierte. Zu diesem Schluss kommt eine Studie aus der Schweiz, die nun heftig diskutiert wird: Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen veröffentlichte im Januar ihre Zahlen. Demnach liegt das Risiko, HIV zu übertragen bei weniger als 1:100.000, wenn die Therapie optimal anspricht, wenn also kaum noch HI-Viren nachweisbar sind. So ist es bei knapp 400 Paaren im Verlauf von 14 Jahren zu keiner Ansteckung des gesunden Partners gekommen. Prof. Josef Eberle, Virologe an der Ludwig-Maximilian-Universität München, fasst die Sicherheitsregeln der Schweizer Kommission zusammen, die auch er für richtig hält:

    "Die Bedingungen für ein relativ risikoarmes Begegnen bei Paaren, bei denen einer infiziert ist und der andere nicht, sind, dass eine lang anhaltende Virusunterdrückung stattgefunden hat, mindestens ein halbes Jahr, dass die Therapie beim Infizierten durch Ärzte überwacht wird und dass keine sexuell übertragbaren Krankheiten im Spiel sind. "

    Dazu zählen beispielsweise Syphilis oder andere durch Pilze, Viren oder Bakterien verursachte Geschlechtskrankheiten. Wenn HIV-Infizierte auch noch dagegen zu kämpfen haben, steigt in der Regel auch die Zahl der HI-Viren wieder sprunghaft an:

    "Jede Entzündung im Genitalbereich, auch Herpes, kann dort zu einer Ausschüttung von Entzündungsmediatoren führen, das aktiviert T-Zellen und das ist die ideale Bedingung für die Virusvermehrung von HIV. "

    Häufig wechselnde sexuelle Kontakte erhöhnen das Ansteckungsrisiko für Geschlechtskrankheiten. Eberle plädiert deshalb dafür, die Schweizer Regeln noch um eine zu erweitern: Nur wer in einer festen Partnerschaft und monogam lebt, kann sich auf das Risiko Sex ohne Kondom einlassen. Auch die zuständige Bundesbehörde, das Robert-Koch-Institut in Berlin, mahnt zur Vorsicht. Die Wissenschaftler fürchten, dass sich Infizierte aufgrund der Schweizer Studie nun zu sicher fühlen:

    "Das heißt, die sagen, ich bin infiziert, ich habe aber jetzt Therapie, bin seit 6 Monaten unter der Nachweisgrenze und darum bin ich nicht mehr infektiös, also brauche ich meinem Partner auch gar nicht zu sagen, dass ich HIV habe und ich habe mehrere Partner in kurzer Zeitfolge hintereinander. "

    Der Umgang mit der Krankheit könnte also sorgloser werden. Viele Betroffene aber halten diese Befürchtung für übertrieben. Engelbert Zankl beispielsweise achtet genau auf seine HIV-Werte und will auch weiterhin verantwortungsvoll mit seiner Krankheit umgehen:

    "Die Moral schlägt halt da wieder zu, man versucht das dann schon wieder einzuengen, so dass es nur in festen Partnerschaften ist und nur in monogamen Beziehungen oder bei Heteros, also die Schweizer haben da keine Einschränkung gemacht; natürlich, wenn man das mit den sexuell übertragbaren Krankheiten mit einbezieht, dann engt sich das ein bisschen ein. Aber meine Infektiösität ändert sich dadurch natürlich nicht. "

    Und zwar deshalb nicht, weil sich Zankl, der bei der Münchner Aidshilfe arbeitet, der Gefahren immer bewusst ist. Er setzt sich nicht nur mit HIV auseinander:

    "Ich lasse mich auch regelmäßig auf Syphilis testen, weil Syphilis kann auch symptomlos sein, also das merkt man nicht, und ich denke als sexuell aktiver schwuler Mann sollte man sowieso regelmäßig das checken lassen."

    Der Gang zum Arzt ist für ihn Alltag. Auch die regelmäßige Einnahme der Medikamente. So bleibt die Zahl der HIV-Erreger konstant niedrig. Wer sich so verhält, kann auch nach Ansicht vieler deutscher Wissenschaftler in Zukunft freizügiger leben. Prof. Josef Eberle:

    "Ich gehe davon aus, dass das Risiko, wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, so klein ist, dass die Paare, von denen ja der nicht infizierte Partner weiß, dass der andere infiziert ist, das intern aushandeln können, ob sie dann auf Kondom verzichten, da ist mit Sicherheit dann keine strafbare Handlung darin zu sehen."