Dienstag, 07. Mai 2024

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"Unter dem Sand", "Freeheld" und "Ein letzter Tango"

Zu den vergessenen Kapiteln der Nachkriegsgeschichte zählt das Schicksal der rund 2000 deutschen Kriegsgefangenen, die 1945 die Strände der Westküste Dänemarks von Landminen säubern mussten. Die Hälfte von ihnen bezahlte den Einsatz mit dem Leben. Daran erinnert der dänische Filmemacher Martin Zandvliet in seinem Spielfilm "Unter dem Sand". Außerdem starten diese Woche das Drama "Freeheld – Jede Liebe ist gleich" und der argentinische Dokumentarfilm "Ein letzter Tango".

Von Jörg Albrecht | 06.04.2016
    Der dänische Regisseur Martin Pieter Zandvliet (3.v.l.), sowie die Schauspieler Roland Møller, Louis Hofmann und Joel Basman
    Der dänische Regisseur Martin Pieter Zandvliet (3.v.l.), sowie die Schauspieler Roland Møller, Louis Hofmann und Joel Basman (picture alliance / dpa / Georg Wendt)
    "Unter dem Sand - Das Versprechen der Freiheit"
    Es ist ein Trugbild. So idyllisch sie auch wirken: Die Strände der dänischen Westküste sind ein Stück berührte Natur. Eine Todeszone. Mehr als zwei Millionen Tretminen sind hier von den deutschen Truppen, die Dänemark während des Zweiten Weltkrieges besetzt hatten, vergraben worden. Der Krieg ist im Mai 1945 zwar vorbei, die Minen aber befinden sich weiterhin im Sand.
    "Könnt ihr alle das schwarze Fähnchen da unten sehen?"
    "Jawohl, Herr Feldwebel!"
    "Zwischen dem schwarzen Fähnchen und dem Feldweg liegen 45.000 Minen. Ihr werdet sie alle entschärfen."
    Das wird in den nächsten Monaten die Aufgabe für die elf deutschen Jungen sein. Sie gehören zu den Hunderten Kriegsgefangenen, die der dänischen Armee von den britischen Truppen zum Zweck der Minenräumung überlassen worden sind. Ohne jede Erfahrung, ohne jeden Schutz gleicht der von dem dänischen Unteroffizier Rasmussen überwachte Einsatz einem Himmelfahrtskommando. Rasmussen, hervorragend gespielt vom dänischen Schauspieler Roland Møller, ist ein harter Hund, der die Deutschen als Kanonenfutter betrachtet.
    Neben den vordergründigen Spannungsmomenten, die Regisseur Zandfliet im Stil eines Thrillers ausreizt, schält sich aus dem Stoff immer mehr eine Geschichte über Schuld und Vergebung heraus.

    "Wilhelm! Wilhelm!"

    Nachdem das erste Opfer zu beklagen ist und je länger Rasmussen mit der Truppe Zeit verbringt, desto mehr schwindet seine Mitleidlosigkeit und er lässt eine fast schon fürsorgliche Seite erkennen.
    "Ich habe gelogen. Wilhelm hat nicht überlebt."
    "Ich weiß, Herr Feldwebel. Das war besser so, Herr Feldwebel. Auf diese Weise können wir mit dem Minenräumen weitermachen."
    Martin Zandvliet hat mit "Unter dem Sand" einen eindringlichen, manchmal nur schwer zu ertragenden Film gedreht über die Grausamkeit von Kriegen und das maßlose Leid, das sie hinterlassen. Ein packender Anti-Nachkriegsfilm, der auch deswegen so gelungen ist, weil er auf Sentimentalitäten oder manipulative Bilder verzichtet.
    "Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit": herausragend

    "Freeheld - Jede Liebe ist gleich"
    "Sie würde jeden von euch unterstützen. Ohne lange zu fackeln. Und sie stirbt. Aber was soll´s! Sie ist ja bloß eine Lesbe. Wen juckt´s schon?! Feiglinge!"

    Immer die Dinge beim Namen nennen, die Figuren eindimensional zeichnen und bei den filmischen Mitteln auf Zwischentöne verzichten: Peter Solletts Drama "Freeheld - Jede Liebe ist gleich" ist das komplette Gegenteil von "Unter dem Sand". Ein gut gemeinter, nicht aber gut gemachter Film über den im Jahr 2005 geführten Kampf eines lesbischen Paares für seine Rechte. Eine Polizistin aus New Jersey, die unheilbar an Krebs erkrankt ist, will ihre Pensionsansprüche auf ihre Lebenspartnerin übertragen lassen. Da die Behörden ihr Gesuch ablehnen, machen die beiden Frauen ihren Fall öffentlich und werden von Aktivisten aus dem ganzen Land unterstützt.
    "In meinem Fall geht es um die Gleichbehandlung, nicht um die Ehe."
    "Nicht um die Ehe? Machen Sie Witze? Wären Sie verheiratet und hätten nicht diesen Verpartnerungsscheiß mitmachen müssen, hätten Sie das Problem nicht. Stacie hat ein Recht auf Ihre Pension."
    Die Formelhaftigkeit und der vereinfachende Charakter des Films ärgert umso mehr, da auf der Besetzungsliste immerhin Namen wie Julianne Moore, Ellen Page und Steve Carell stehen.
    "Freeheld – Jede Liebe ist gleich": enttäuschend

    "Ein letzter Tango"
    "Wenn ich sterbe und würde noch einmal wiedergeboren werden, würde ich alles genauso machen. Aber allem anderen voran würde ich Tangotänzerin werden."
    Die 81-jährige Argentinierin Maria Nieves blickt auf ihr Leben zurück. Die Bilanz fällt positiv aus. Mit einer Einschränkung:
    "Ich würde alles genauso machen. Nur eines nicht. Mit Juan zusammen sein. Alles."
    Juan ist Juan Carlos Copes, drei Jahre älter als Maria und der Mann, mit dem sie fast ihr ganzes Leben lang Tango getanzt hat und einige Jahre auch verheiratet war. Maria und Juan, die sich 1948 begegnet sind, kennt in ihrer Heimat jeder. Sie sind DAS Paar des Tango Argentino. Ihre Lebensgeschichte erzählt der argentinische Filmemacher German Kral in seinem Dokumentarfilm "Ein letzter Tango".
    "Sie dachte, ich gehöre ihr. Aber es war genau umgekehrt: Sie gehörte mir."
    Getrennt voneinander berichten Juan und Maria von der ersten Begegnung, ihrer Leidenschaft für den Tango und auch ihrer Hassliebe, die sie zeitlebens miteinander verbunden hat.
    "Ich war nicht eifersüchtig. Kein bisschen. Und wenn doch, habe ich es in mich hineingefressen."

    German Krals Film lebt natürlich von den stolzen und wehmütigen Schilderungen der beiden Protagonisten, aber auch von der Eleganz seiner Inszenierung, nur gelegentlich, wenn der Regisseur nachgestellte Spielszenen einbaut, ist das etwas überambitioniert.
    "Ein letzter Tango": empfehlenswert