
Das erste Bild: Der Junge, sechs Jahre alt, liegt im Gras und schaut verträumt in den blauen Himmel von Texas. Am Ende von "Boyhood" wird Mason 18 sein, er ist im College und das erste Mal verliebt. Filmemacher Richard Linklater lässt uns zuschauen, wie Mason die Kindheit hinter sich lässt und ein junger Mann wird. Für seinen Film "Boyhood" hat Richard Linklater, Regisseur der "Before Sunrise"-, "Before Sunset"- und "Before-Midnight"-Trilogie, zwölf Jahre lang mit denselben Schauspielern jedes Jahr eine neue Szene gedreht.
Zu Beginn von "Boyhood" sind Ethan Hawke, der Masons Vater spielt, und Patricia Arquette, die Mutter, also tatsächlich zwölf Jahre jünger als beim Abspann. Und Ellar Coltrane, der Darsteller von Mason, ist in dieser ersten Szene, wenn er in die Wolken schaut, wirklich sechs. Natürlich zeigt Kino immer, wie Zeit vergeht, aber es ist faszinierend, in "Boyhood" der Vergänglichkeit auch in einer solch biologischen Dimension beizuwohnen und damit quasi Begleiter des Alltags eines Scheidungskindes zu sein.
"Wir haben einen neuen Schüler in der Klasse. - Hey, Alter, willkommen in der Scheiße."
"Boyhood" erzählt von Trennungen, von einer Mutter, die falsche Ersatzväter für ihre Kinder sucht, von einem Vater, der nicht Vater sein will, nicht sein will oder sein kann. Am Ende steht die entscheidende Lebensfrage, die ein Lehrer dem nun 18-jährigen Mason stellt.
"Wer willst du sein, Mason? Was willst du machen?"
164 Minuten ist dieser Film lang. Wie schnell Kinozeit vergehen kann, wenn sie so magisch erzählt wird.
"Boyhood" von Richard Linklater - ein Meisterwerk.
Noch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über Abschiede im Film "Mud", der wie eine zeitgemäße Adaption von Mark Twains Tom-Sawyer- und Huckleberry-Finn-Erzählungen erscheint.
"Genieße den Fluss, mein Sohn, solange Du noch auf ihm wohnst. Denn die Art zu leben, wird bald vorbei sein."
Man kann es auch sagen wie Mud, gespielt von Oscar-Preisträger Matthew McConaughey:
"Es gibt Dinge im Leben, mit denen du dich arrangieren kannst. Und mit manchen nicht."
Ich habe keine Ahnung, woher das kommt, sagt Regisseur Jeff Nichols. Es passierte bisher bei jedem Film, bei jeder meiner Geschichten. Ein Gedanke. Ein Bild. Ein Mann, der auf einer Insel mitten im Mississippi lebt.
Ellis und Neckbone sind zwei Jungen am Fluss, so wie Tom und Huckleberry. Scharf aufs Abenteuer, aber eben auch verloren. Ellis Eltern lassen sich scheiden. Neckbone ist Waise. Ellis und Neckbone finden auf einer Insel dieses Boot, von der letzten Überschwemmung hängengeblieben.
"Das Boot im Baum. Geiles Teil", meint der Typ - "Nennt mich Mud." - den die beiden Jungen am Boot treffen. "Jungs, ich mag euch, ihr erinnert mich an (...) mich."
Mud kann nicht runter von der Insel, Kopfgeldjäger sind hinter ihm her. Gestrandet ist er hier wegen Juniper: "Weil ich ihren letzten Liebhaber umgebracht habe. Er hatte es verdient."
Werden Juniper und Mud zusammen wieder zusammen kommen? So, wie es sich Ellis erhofft, weil, dann gäbe es ja auch Hoffnung für seinen Vater und seine Mutter.
Sein White-Trash-Drama "Shotgun Stories" und die Apokalypse-Fabel "Take Shelter – Ein Sturm zieht auf" machten den 1978 in Arkansas geborenen Jeff Nichols zur Hoffnung auf ein Kino, das sich jenseits von Effekten und Superhelden darauf besann, von Menschen in Landschaften zu erzählen. "Mud" - als DVD, BluRay oder Video On Demand erschienen - wird dieser Hoffnung mehr als gerecht.
"Mud" von Jeff Nichols - grandios, herausragend.
Das ist ein Banküberfall.
"(Computerstimme:) Das ist ein Überfall, alle auf den Boden und Fresse halten. – (Lachen) Hohohoh, ist das Fasching?"
Aber diesem Tankwart in "Vielen Dank für nichts" wird der Spaß vergehen, wenn Valentin, Titus und Lukas, die vor ihm im Rollstuhl sitzen, die Knarre ziehen. Und Lukas Sprachgenerator den Loop abspielt.
"(Computerstimme:) Das ist ein Überfall, alle auf den Boden und Fresse halten."
Valentin, nach einem Skiunfall querschnittsgelähmt, ist voller Wut auf sein Schicksal, als er im Heim Titus und den gelähmten Spastiker Lukas - der mit dem Sprachgenerator - kennenlernt. Was sich ändert, als Valentin sich in die hübsche Pflegerin verknallt, deren sportlicher Freund auf der Tankstelle jobbt. Und dann gibt es eben den Rollstuhlfahrer-Überfall, und zu diesem Zwecke braucht es dann eben einen ziemlich schmierigen Typen, der eine Wumme vertickt.
"Wer übernimmt denn die Waffe. Kannst sie gar nicht halten, häh?"
Wie es in "Vielen Dank für nichts" auch das Fußgänger-Crashen mit Rollstuhl gibt. Bosheit und viel schwarzen Humor fahren Filmemacher Stefan Hillebrand und Oliver Paulus auf, um in ihrer Behinderten-Tragikomödie jeden falschen Ton von Betroffenheit von vorneherein über Bord zu schmeißen. Und können sich damit mit den Machern von "Vincent will Meer" oder "Ziemlich beste Freunde" die Hand reichen. Auch wenn es in "Vielen Dank für nichts" dramaturgisch an einigen Stellen hakt, macht das Schräge diesen Film durchaus sympathisch.
"Vielen Dank für nichts" - empfehlenswert.