Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Neue Musik von Maximilian Hecker
Wie das Flehen eines Kindes

"Wretched Love Songs", das neue Album von Maximilian Hecker, ist konsequenter Seelenstriptease, eine Reise in die fragilen Gefühlswelten des Musikers. Der Berliner ist in Deutschland immer noch so etwas wie ein Geheimtipp, in China und Korea aber ist er ein erfolgreicher Popstar.

Von Thomas Elbern | 12.05.2018
    Porträtfoto des Musikers Maximilian Hecker im Studio bei Deutschlandradio Kultur
    Der Musiker Maximilian Hecker im Studio bei Deutschlandradio Kultur am 08.01.2015 (Deutschlandradio Kultur / Annette Bräunlein)
    "Es ist das Flehen eines Kindes. Deswegen ist auch der Kitsch-Vergleich unpassend, weil ich glaube, dass meine Musik keine Pose ist, sondern eher ein Kanal in die Vergangenheit zu diesem zweijährigen Kind, das in gewisser Weise fleht. Mein Falsett-Gesang ist auch keine bewusste Auswahl einer Gesangsart, sondern vielleicht etwas Weibliches, Kindliches und flehendes. Ich merke auch, dass, wenn ich am Klavier sitze und singe, ich hier ganz schnell die Persönlichkeit wechsele. Während ich singe, gibt es überhaupt keine Ironie oder Sarkasmus. Das ist eine ganz ernste, aber auch beseelte Haltung."
    Ok, das ist harter Stoff und nicht unbedingt das, woraus Popmusik gemacht ist, oder doch?
    Maximilian Hecker zieht auf seiner neuen CD "Wretched Love Songs" wieder alle Register seines ganz eigenen Verständnisses von Pathos: Das kennt man schon von seinen anderen Alben, doch dieses Mal lässt Hecker seinen Hörer 49 Minuten lang nicht mehr von der Leine. Er entführt ihn in tief melancholisches Niemandsland zwischen den kitschigen Klängen eines Richard Claydermann und Gesangsmomenten, die man von Radiohead-Alben kennt. Man fragt sich, was treibt diesen Menschen an, der in Asien als Star gefeiert wird und in Deutschland doch seine Ruhe vor lästigen Fans hat?
    Der melancholische Prinz
    "Mein Selbstbild ist natürlich eher das eher eines Kafka-Insekts oder so und wenn das bewundert wird, dann stimmt etwas nicht. Man mag denken, ich sei Freddie Mercury, aber eigentlich bin ich gleichzeitig auch Vic Chestnut, also der mittlerweile verstorbene, im Rollstuhl sitzende Singer Songwriter. Man sieht mir durchaus ein gewisses Unbehagen auf der Bühne an. Eine Rampensau bin ich nicht und wohlfühle ich mich eigentlich nur, wenn ich singe, weil ich dann meine Rolle gefunden habe. Ich heiße "melancholischer Prinz, also "Wangzi", als Spitzname in China und da gibt es natürlich eine Erwartungshaltung, die ich auch nicht enttäuschen will, in dem ich dann beispielsweise sarkastisch werde."
    Gescheiterte Liebesbeziehungen, ein Dauerthema für Hecker, auch auf "Wretched Love Songs".
    Es gibt noch nicht mal den Versuch eines Ausbruchs, einer Art musikalischer Rebellion auf diesem Album. Ist das vielleicht seine ganz eigene Version von Korea oder Mando Pop? Man wünscht sich, das Hecker nun endlich die Frau seiner Träume trifft, damit dieses Flehen endlich aufhört. Doch das scheint nicht zu passieren:
    "Meine Versuche sind so desaströs, dass der positive Ausgang, gar nicht möglich ist. Ganz konkret ein an sich binden und schwärmen für Personen, die unerreichbar sind. Das hat sich in meinem Werk immer lustig niedergeschlagen. Da gibt es Lieder, die heißen Kate Moss oder to Liu Wen, dem chinesischen Model. Ohne, dass ich das beabsichtigt hätte, ist es das Motiv des Minnesängers, der unter dem Fenster mit der Ukulele sitzt. Er weiß, das er die Frau nie erreichen kann und das ist auch Teil des Minnesangs. Die Frau, die er da besingt, ist nämlich verheiratet mit dem König. Er weiß, das er sie nie erreichen kann, aber empfindet seine Liebe um so stärker und schwelgt in dieser Diskrepanz."
    Abgeschiedenheit in Berliner Industrievororten
    Jemand wie Maximilian Hecker hat deswegen so eine Art Alleinstellungsmerkmal, weil er die Musik verwirklicht, die er für seine persönlichste hält. Akustisch in Szene gesetzt wurde "Wretched Love Songs" übrigens auch von Tommi Eckart, der als ein Part von Zweiraumwohnung bekannt ist. Ob man das Flehen des mittlerweile großen Kindes, das Hecker hier zu sein scheint, über eine ganze Albumlänge ertragen möchte, sollte jeder selbst für sich entscheiden. "Wretched Love Songs" verlangt den Hörern in seinen, fast stoischen Pianoballaden einiges ab. Ja, und wenn Hecker mal nicht in Asien tourt oder Zuhause gedankenverloren am Klavier komponiert, erlebt er dann doch so etwas wie seine Erfüllung in Berliner Industrievororten. Dort geht er dann nachts spazieren und genießt die Abgeschiedenheit:
    "Das ist Glück für mich - ein Aufsuchen vor Orten, bei denen ich ganz sicher sein kann, das ich für mich bin, weil diese Orte Anti-Orte sind. Sie werden von den meisten Leuten einfach nicht aufgesucht. Bei Sich zu sein und sich ganz zu fühlen. Fast immer, wenn ich Kontakt mit Menschen habe ist ein recht großer Anteil von meinem wahren Selbst nicht mehr spürbar. Ich changiere dann zwischen Scham und dem Wunsch Erwartungen zu erfüllen."