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Neue Teile im Gen-Puzzle Krebs

Medizin. - Noch steht vor allem die radikale Operation im Vordergrund, wenn Krebs bei einem Patienten entdeckt wurde. Mit Giften und Strahlung sollen anschließend Tochtergeschwulste und Reste des Tumors vernichtet werden. Allerdings ist es meist ein Spiel auf Zeit, denn eine vollständige Heilung ist oft nicht möglich. Doch das soll sich in Zukunft ändern: Neue Erkenntnisse über die genetische Grundlagen von Krebs und seiner Entstehung liefern Medizinern neue Ansatzpunkte gegen den Erzfeind.

    Mit kleinen, aber wesentlichen Schritten rücken Mediziner einem alten Feind immer mehr zu Leibe, so das Fazit des Internationalen Kongresses zur Experimentellen Krebsforschung, der auf Einladung der Deutschen Krebsgesellschaft bis zum 6. April in Heidelberg stattfindet. Dabei wächst vor allem das Verständnis der Prozesse, die bei der Entartung von Zellen stattfinden, stetig. So charakterisieren eine stark beschleunigte Zellteilung durch Ausschaltung von Bremsmechanismen, das Versagen von natürlichen Reparaturfunktionen und die Deaktivierung der automatischen Selbstzerstörung die Krankheit. Waren bislang meist nur auslösende Faktoren hierfür bekannt, wie etwa verschiedene Chemikalien, so verstehen die Forscher heute auch die genetischen Grundlagen bei vielen Krebsarten, an denen solche Substanzen angreifen und die Zellen in unkontrollierte Irrläufer verwandeln.

    Durch diese Ergebnisse der experimentellen Grundlagenforschung kommen die Wissenschaftler aber auch neuen Behandlungsformen immer näher, denn sind die einzelnen Schritte der Krebsentstehung genau bekannt, kann möglicherweise dabei auch eingegriffen werden. So sind beispielsweise heute Medikamente vorstellbar, die bestimmte genetische Informationen blockieren, wenn diese abnormal verändert wurden. Doch auch wenn die Entartung nicht unterbunden werden kann, bieten die detaillierten Kenntnisse zumindest die Möglichkeit, bisherige Therapien, wie etwa den Einsatz von Chemotherapeutika, sehr viel genauer in das Ziel zu setzen. So sind maßgeschneiderte Substanzcocktails vorstellbar, die für verschiedene Krebsformen optimiert zusammengestellt werden und einerseits die Effektivität steigern, andererseits aber auch die Nebenwirkungen reduzieren.

    Eine weitere Alternative besteht in der bislang geradezu beschworenen, allerdings nur wenig erfolgreich angewandten, so genannten Gentherapie: Dabei soll das defekte Erbgut durch Eingriff von außen ausgeschnitten und gegen gesunde Ersatzgene ausgetauscht werden. Das Problem dabei besteht nach wie vor im Einbringen der korrekten Erbinformationen in alle entarteten Zellen. Weil dies kaum gelingt, konzentrieren sich verschiedene Forschergruppen derzeit darauf, die Reparaturmechanismen, wie etwa das p53-Gen, zu verstärken oder zu reaktivieren, wenn sie bei Krebszellen abgeschaltet wurden. Allerdings werden die Ergebnisse dieser Studien erst in circa drei Jahren erwartet.

    [Quelle: Martin Winkelheide]