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Medienrecherchen
Neue Theorie zum "Havanna-Syndrom" weist Richtung Russland - Kreml dementiert

Unter dem Schlagwort "Havanna-Syndrom" werden gesundheitliche Beschwerden zusammengefasst, an denen seit Jahren vor allem US-Diplomaten in aller Welt erkranken. Nun legt ein Rechercheteam eine neue Spur nach Russland offen. Der Kreml reagiert und spricht von unbegründeten Anschuldigungen.

    Die bisherige US-Interessenvertretung in Havanna, die ab 20.07.2015 US-Botschaft ist, am 17.07.2015. Foto: Isaac Risco/dpa (zur Berichterstattung über die offiziellen Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba vom 19.07.2015) ++
    In der US-Botschaft in Havanna traten 2016 die ersten Fälle der später "Havanna-Syndrom" getauften Gesundheitsbeschwerden auf. Neue Recherchen führen frühere Fälle an. (picture alliance / dpa / Isaac Risco)
    Niemand habe jemals irgendwo einen überzeugenden Beweis veröffentlicht oder geäußert, sagte Kreml-Sprecher Peskow. Das "Havanna-Syndrom" werde von der Presse aufgebauscht und sei von Anfang an mit Anschuldigungen gegen Russland verbunden.
    Betroffene des Syndroms klagen über unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Hörverlust, Schwindel und Gedächtnisausfälle. Vereinzelt soll es zu Bewusstlosigkeit gekommen sein. Die Ursache ist unbekannt. Vermutet wurden bisher Pestizide oder mysteriöse Mikrowellen- und Schallwaffen.

    "Nicht tödliche akustische Waffe"?

    Den Berichten zufolge soll eine Einheit des russischen Militärnachrichtendienstes GRU hinter dem Phänomen stehen. Sie soll eng mit einer Gegenspionage-Einheit des Geheimdienstes FSB zusammengearbeitet haben, schreibt der Spiegel. Mitglieder der Geheimdiensteinheit hätten Prämien für die Entwicklung "nicht tödlicher akustischer Waffen" erhalten.
    Die US-Geheimdienste allerdings erklärten es im März 2023 für "sehr unwahrscheinlich", dass eine ausländische Macht oder eine Waffe die Ursache für die Vorfälle sei. Ein Sprecher des US-Außenministeriums wollte sich zu den neuen Vorwürfen nicht äußern, verwies aber auf die damalige Stellungnahme.
    Das Pentagon bestätigte als Reaktion auf die Recherchen zudem einen weiteren Fall des "Havanna Syndroms": Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums habe im vergangenen Jahr entsprechende Beschwerden gehabt - und zwar auf dem NATO-Gipfeltreffen im litauischen Vilnius.

    Medien sprechen mit Betroffenen und werten Daten aus

    Ein Rechercheverbund hat nach eigenen Angaben jahrelang dazu recherchiert. Beteiligt waren "Der Spiegel", ebenso die auf Russland spezialisierte Investigativplattform "Insider" mit Sitz im lettischen Riga und ein Investigativformat des US-Senders CBS. Die Medien sprachen mit Betroffenen, identifizierten angebliche Täter und zeichneten unter anderem deren Reise-Routen nach, die Übereinstimmungen mit den Orten zeigen sollen, wo Fälle auftraten.
    Das Syndrom soll erstmals 2016 im Umfeld der US-Botschaft auf Kuba aufgetaucht sein, deshalb der Verweis im Namen auf die kubanische Hauptstadt Havanna. Die neuen Recherchen führen Fälle schon 2014 an - und zwar in Frankfurt am Main. Damals soll ein Mitarbeiter des US-Konsulats aufgrund eines "starken Energiestrahls" das Bewusstsein verloren haben.