" Ich habe mich verlaufen! - Sie müssen Dolly einsetzen! - Dolly? Wie "Miss" oder "Hello"? - Dolly wie "Dynamisches Orientierungs- und Leitsystem". "
Der Schriftsteller Ilija Trojanow bereicherte die Tagung mit einem Essay über zukunftsferne Visionen: was wäre wenn alle Menschen Biochips mit Navigationssystemen eingepflanzt hätten - und phantasievolle Hacker würden diese Systeme manipulieren. Neue Wege waren bei der Tagung so allerdings nicht gemeint. Der Historiker Karl Schlögel von der Europa Universität Viadrina war einer der Verantwortlichen.
" Man fragt sich plötzlich, wie es eigentlich möglich ist, dass die Europäer zwei, drei Generationen Rücken an Rücken gelebt haben ohne überhaupt miteinander Verbindung zu haben. Man fragt sich wie diese Teilung auf diese Verkehrssysteme gewirkt hat, man hat überhaupt die Erfahrung gemacht, dass Europa ja nicht nur ein System von Werten und Grundsätzen und Verfassung ist, sondern dass es vor allem ein Bewegungs- Und ein Verkehrsraum ist. "
Das Merkwürdige ist, resümiert Karl Schlögel, dass Historiker die elementare Alltagserfahrung Verkehr bislang nicht thematisieren. Über Verkehr spricht man nur dann, wenn er durch Naturkatastrophen zum Erliegen kommt. Und dabei hat gerade die Mobilität in der Geschichte eine maßgebliche Rolle gespielt.
" Dieses harmlose und neutrale Medium der Eisenbahn, das dann benutzt wird für die Deportation der Juden, für die Deportation von Millionen von Leuten in die Zwangsarbeitslager in die Sowjetunion oder auch die Rolle, die Züge und Verkehrsmittel dann gespielt haben im Zusammenbruch des 3. Reiches, als Vehikel von Umsiedlung, Flucht und Vertreibung. "
Der Historiker Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung geht sogar noch einen Schritt weiter.
" Ohne Verkehr, ohne Transportmittel, ohne Motorisierung, ist im 20. Jahrhundert kein Krieg möglich gewesen. Diese Erkenntnis kommt aus dem 1. Weltkrieg, das war der erste technische Krieg und das wurde dann ins Ungeheure gesteigert im 2. Weltkrieg. "
Bislang sei von Wissenschaftlern immer nur darüber geredet worden, welche Innovationsschübe der Verkehr durch Kriege bekommen hat, bemängelt Wolfgang Benz. Die Leiden der Menschen blieben dabei außen vor.
" Verkehr ist ja ein Instrument zur Durchsetzung von Politik, zur Durchsetzung von Ideologien, Verkehr ist nicht Selbstzweck. Und dass im 2. Weltkrieg eine ganz erheblich Kapazität darauf verwendet wurde, den Völkermord gegen die Juden durchzuführen, da wird es konkret, dass Verkehr nicht Selbstzweck ist, sondern dass Verkehr immer und in erster Linie irgendetwas dient, dass die Politik und die Militärs deshalb Interesse haben am Verkehr. Dass das nicht so wie bei der Modelleisenbahn ist, wo man einfach nur zuschaut, wie die Züge so schön im Kreise fahren. "
Verkehr: einerseits Vernichtungspotential - andrerseits ein riesiges Stück Freiheit. Auto, Bahn und Flugzeug geben uns heute ungeahnte Möglichkeiten die Welt zu entdecken.
" Der moderne Flugbetrieb wäre so nicht gekommen ohne die Erfahrungen und Entwicklungen mit Fluggerät im 2. Weltkrieg. Was todbringend im 2. Weltkrieg war, ist für den Urlauber ein Stück Freiheit. "
Und für Europa ist Verkehr enorm wichtig für den Austauschprozess. Auch im Jahre 17 nach dem Mauerfall ist der Austausch zwischen Ost und West noch sehr begrenzt, sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba. Er ist Direktor des Instituts für Europäische Ethnologie an der Berliner Humboldt-Universität.
" Wenn wir heute von Europa reden, reden wir meistens von Plätzen, Orten, Geschichten, Werten, die in Paris spielen, in London spielen , in Rom spielen aber kaum in Moskau oder Belgrad oder Budapest. "
Dabei war Europa schon einmal ganz nah zusammengerückt. Vor dem ersten Weltkrieg gab es Züge, die durchgehend zwischen Paris und Petersburg verkehrten. Ab etwa 1850 existierte ein groß angelegtes europäisches Eisenbahnnetz für Handel und Tourismus. Dadurch war schon 1913 die Internationalisierung der deutschen Volkswirtschaft genauso stark ausgeprägt wie im Jahr 1970, weiß der Historiker und Ingenieur Hans Ludger Dienel. Er leitet das Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU Berlin.
" Es waren soviel Arbeitsmigranten 1913 in Deutschland wie dann wieder 1970. Polnische Mitbürger etc. pp., das ging in die Millionen, nicht nur in Deutschland. D.h. wir haben vor dem 1. Weltkrieg ein durch die Eisenbahn hervorgebrachtes Europagefühl, einen Erfahrungsraum Europa aber wir haben keine politischen Institutionen, die das dann zusammenfassen. "
Dass es trotz Tourismus und Handelsbeziehungen keine gemeinsamen politischen Institutionen gab, führt Hans-Ludger Dienel vor allem darauf zurück, dass Europa zu der Zeit keine außereuropäischen Gegner hatte. Erst der kalte Krieg und die Weltmachtbestrebungen Amerikas, so seine These, brachten Europa auch politisch zusammen. Verkehrsverbindungen alleine sind also kein Garant für gemeinsames Handeln - aber ohne sie ist keine Verständigung möglich, sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba.
" Wir wissen, dass Eisenbahnzüge von Westeuropa nach Osteuropa fahren, aber auch wenn sie technisch funktionieren, dass im Inneren des Zuges sich noch mal unterschiedliche Dinge abspielen. Eine Platzkarte kann in Paris etwas anderes bedeuten als eine Platzkarte in Budapest. Da muss man evtl. anders verhandeln. "
Ein riesiges gesamteuropäisches Problem im Zeitalter der Hochgeschwindigkeit ist, dass die Menschen sich zunehmend an Metropolen orientieren. In kürzester Zeit kann man von Paris nach Moskau, von Madrid nach Budapest reisen. Und was dazwischen liegt, wird einfach vergessen, resümiert Wolfgang Kaschuba.
" Es ist ein eindeutiger Prozess der Konzentration in Europa festzustellen, in dem städtische Zentren weiter wachsen und in denen ländliche Regionen weiter ausbluten. Es hat auch dadurch ein dramatisches Ausmaß angenommen, dass die sozialistischen Gesellschaften so schlecht und recht sie funktioniert haben aber eben doch auf der Ebene von Nahverkehr und vielen anderen Dingen versucht haben, die ländlichen Regionen anschlussfähig zu halten. Das passiert jetzt unter Marktbedingungen eben gerade in Osteuropa nicht mehr. Und so haben wir gerade dort weite Regionen, die zu Menschen- und Kultursteppen werden, dünn besiedelt, wenig los und man kommt kaum weg. "
Ohne Verkehr läuft nichts: kein lukrativer Tourismus, kein gewinnbringender Handel und schon gar kein gemeinsames Europa. Verkehr wird allgemein für gut erachtet, weiß Dirk van Laak, Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, und dabei ist er heutzutage eigentlich hochproblematisch.
" Weil er in seiner Geschwindigkeit kaum gesteigert werden kann, weil zu viel Leute unterwegs sind, weil er immer teurer wird von den Energiekosten her, weil er die Umwelt ungemein belastet und wir sehr genau wissen, das Niveau des Verkehrs, was wir selbst für selbstverständlich erachten, wird niemals weltweit entstehen können. Das ist ökologisch und ökonomisch undenkbar. "
Der Schriftsteller Ilija Trojanow bereicherte die Tagung mit einem Essay über zukunftsferne Visionen: was wäre wenn alle Menschen Biochips mit Navigationssystemen eingepflanzt hätten - und phantasievolle Hacker würden diese Systeme manipulieren. Neue Wege waren bei der Tagung so allerdings nicht gemeint. Der Historiker Karl Schlögel von der Europa Universität Viadrina war einer der Verantwortlichen.
" Man fragt sich plötzlich, wie es eigentlich möglich ist, dass die Europäer zwei, drei Generationen Rücken an Rücken gelebt haben ohne überhaupt miteinander Verbindung zu haben. Man fragt sich wie diese Teilung auf diese Verkehrssysteme gewirkt hat, man hat überhaupt die Erfahrung gemacht, dass Europa ja nicht nur ein System von Werten und Grundsätzen und Verfassung ist, sondern dass es vor allem ein Bewegungs- Und ein Verkehrsraum ist. "
Das Merkwürdige ist, resümiert Karl Schlögel, dass Historiker die elementare Alltagserfahrung Verkehr bislang nicht thematisieren. Über Verkehr spricht man nur dann, wenn er durch Naturkatastrophen zum Erliegen kommt. Und dabei hat gerade die Mobilität in der Geschichte eine maßgebliche Rolle gespielt.
" Dieses harmlose und neutrale Medium der Eisenbahn, das dann benutzt wird für die Deportation der Juden, für die Deportation von Millionen von Leuten in die Zwangsarbeitslager in die Sowjetunion oder auch die Rolle, die Züge und Verkehrsmittel dann gespielt haben im Zusammenbruch des 3. Reiches, als Vehikel von Umsiedlung, Flucht und Vertreibung. "
Der Historiker Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung geht sogar noch einen Schritt weiter.
" Ohne Verkehr, ohne Transportmittel, ohne Motorisierung, ist im 20. Jahrhundert kein Krieg möglich gewesen. Diese Erkenntnis kommt aus dem 1. Weltkrieg, das war der erste technische Krieg und das wurde dann ins Ungeheure gesteigert im 2. Weltkrieg. "
Bislang sei von Wissenschaftlern immer nur darüber geredet worden, welche Innovationsschübe der Verkehr durch Kriege bekommen hat, bemängelt Wolfgang Benz. Die Leiden der Menschen blieben dabei außen vor.
" Verkehr ist ja ein Instrument zur Durchsetzung von Politik, zur Durchsetzung von Ideologien, Verkehr ist nicht Selbstzweck. Und dass im 2. Weltkrieg eine ganz erheblich Kapazität darauf verwendet wurde, den Völkermord gegen die Juden durchzuführen, da wird es konkret, dass Verkehr nicht Selbstzweck ist, sondern dass Verkehr immer und in erster Linie irgendetwas dient, dass die Politik und die Militärs deshalb Interesse haben am Verkehr. Dass das nicht so wie bei der Modelleisenbahn ist, wo man einfach nur zuschaut, wie die Züge so schön im Kreise fahren. "
Verkehr: einerseits Vernichtungspotential - andrerseits ein riesiges Stück Freiheit. Auto, Bahn und Flugzeug geben uns heute ungeahnte Möglichkeiten die Welt zu entdecken.
" Der moderne Flugbetrieb wäre so nicht gekommen ohne die Erfahrungen und Entwicklungen mit Fluggerät im 2. Weltkrieg. Was todbringend im 2. Weltkrieg war, ist für den Urlauber ein Stück Freiheit. "
Und für Europa ist Verkehr enorm wichtig für den Austauschprozess. Auch im Jahre 17 nach dem Mauerfall ist der Austausch zwischen Ost und West noch sehr begrenzt, sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba. Er ist Direktor des Instituts für Europäische Ethnologie an der Berliner Humboldt-Universität.
" Wenn wir heute von Europa reden, reden wir meistens von Plätzen, Orten, Geschichten, Werten, die in Paris spielen, in London spielen , in Rom spielen aber kaum in Moskau oder Belgrad oder Budapest. "
Dabei war Europa schon einmal ganz nah zusammengerückt. Vor dem ersten Weltkrieg gab es Züge, die durchgehend zwischen Paris und Petersburg verkehrten. Ab etwa 1850 existierte ein groß angelegtes europäisches Eisenbahnnetz für Handel und Tourismus. Dadurch war schon 1913 die Internationalisierung der deutschen Volkswirtschaft genauso stark ausgeprägt wie im Jahr 1970, weiß der Historiker und Ingenieur Hans Ludger Dienel. Er leitet das Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU Berlin.
" Es waren soviel Arbeitsmigranten 1913 in Deutschland wie dann wieder 1970. Polnische Mitbürger etc. pp., das ging in die Millionen, nicht nur in Deutschland. D.h. wir haben vor dem 1. Weltkrieg ein durch die Eisenbahn hervorgebrachtes Europagefühl, einen Erfahrungsraum Europa aber wir haben keine politischen Institutionen, die das dann zusammenfassen. "
Dass es trotz Tourismus und Handelsbeziehungen keine gemeinsamen politischen Institutionen gab, führt Hans-Ludger Dienel vor allem darauf zurück, dass Europa zu der Zeit keine außereuropäischen Gegner hatte. Erst der kalte Krieg und die Weltmachtbestrebungen Amerikas, so seine These, brachten Europa auch politisch zusammen. Verkehrsverbindungen alleine sind also kein Garant für gemeinsames Handeln - aber ohne sie ist keine Verständigung möglich, sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba.
" Wir wissen, dass Eisenbahnzüge von Westeuropa nach Osteuropa fahren, aber auch wenn sie technisch funktionieren, dass im Inneren des Zuges sich noch mal unterschiedliche Dinge abspielen. Eine Platzkarte kann in Paris etwas anderes bedeuten als eine Platzkarte in Budapest. Da muss man evtl. anders verhandeln. "
Ein riesiges gesamteuropäisches Problem im Zeitalter der Hochgeschwindigkeit ist, dass die Menschen sich zunehmend an Metropolen orientieren. In kürzester Zeit kann man von Paris nach Moskau, von Madrid nach Budapest reisen. Und was dazwischen liegt, wird einfach vergessen, resümiert Wolfgang Kaschuba.
" Es ist ein eindeutiger Prozess der Konzentration in Europa festzustellen, in dem städtische Zentren weiter wachsen und in denen ländliche Regionen weiter ausbluten. Es hat auch dadurch ein dramatisches Ausmaß angenommen, dass die sozialistischen Gesellschaften so schlecht und recht sie funktioniert haben aber eben doch auf der Ebene von Nahverkehr und vielen anderen Dingen versucht haben, die ländlichen Regionen anschlussfähig zu halten. Das passiert jetzt unter Marktbedingungen eben gerade in Osteuropa nicht mehr. Und so haben wir gerade dort weite Regionen, die zu Menschen- und Kultursteppen werden, dünn besiedelt, wenig los und man kommt kaum weg. "
Ohne Verkehr läuft nichts: kein lukrativer Tourismus, kein gewinnbringender Handel und schon gar kein gemeinsames Europa. Verkehr wird allgemein für gut erachtet, weiß Dirk van Laak, Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, und dabei ist er heutzutage eigentlich hochproblematisch.
" Weil er in seiner Geschwindigkeit kaum gesteigert werden kann, weil zu viel Leute unterwegs sind, weil er immer teurer wird von den Energiekosten her, weil er die Umwelt ungemein belastet und wir sehr genau wissen, das Niveau des Verkehrs, was wir selbst für selbstverständlich erachten, wird niemals weltweit entstehen können. Das ist ökologisch und ökonomisch undenkbar. "