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Neue Weihnachtsmusik

Wie keine andere Zeit des Jahres ist das Weihnachtsfest auch heute noch in erheblichem Maße von Liedern vom Mittelalter bis zum Barock geprägt, von "Joseph, lieber Joseph mein" bis zu "Es ist ein Ros entsprungen". Alle Jahre wieder erscheinen auch neue Aufnahmen mit alter Weihnachtsmusik und jedes Mal sind Ersteinspielungen darunter. Besonders interessant ist diesmal ein Weihnachtsoratorium von Reinhard Keiser, der vor allem als Opernkomponist in Hamburg wirkte.

Von Rainer Baumgärtner |
    Die Rastatter Hofkapelle unter Leitung von Jürgen Ochs hat das Oratorium für das Label Carus erstmals aufgenommen. Bevor wir uns der deutschen Barockweihnacht mit Arien und Chorälen, mit Pauken und Trompeten zuwenden, können Sie zunächst aber eine ganz andere Art von Weihnachtsmusik kennen lernen. Eine jüngst bei Coviello Classics erschienene CD des von Katharina Bäuml geleiteten Ensembles "Capella de la Torre" trägt den Titel "Feliz Navidad - Mediterrane Weihnachtsmusik der Renaissance".

  • Anonymus (Cancionero de Uppsala), Un niño dos es nasçido

    Das Weihnachtsfest war im Spanien des 16. Jahrhunderts musikalisch kein Anlass für das Wiegen des neugeborenen Jesuleins in der Krippe - so wie in Deutschland -, sondern ein Ereignis von überschäumender Freude. Dies vermittelt die Aufnahme der im Jahr 2005 gegründeten Capella de la Torre in eindrucksvoller Weise. So wie das Lied "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt", das soeben zu hören war, stammt mehr als die Hälfte der Stücke auf der CD "Feliz Navidad" aus der in Venedig gedruckten Sammlung "Villancicos de diversos autores". Besser bekannt als 'Cancionero de Uppsala', dokumentiert sie die Musik am Hofe des Kunst liebenden Herzogs Fernando von Aragon in Valencia. (Neben diesen anonym überlieferten Liedern finden sich mehrere Werke von Francisco Guerrero sowie einige wenige italienische Kompositionen auf der CD.) Inhaltlich handelt es sich bei einer Reihe der aufgenommenen Stücke nicht um Weihnachtslieder im engeren Sinne, sondern in ihnen wird die Jungfrau Maria besungen.

    Der Ensembleklang der Capella de la Torre wird von Doppelrohrblattinstrumenten beherrscht und auch Ensembleleiterin Katharina Bäuml spielt Schalmei und Pommer. Gelegentlich sorgen Blockflöte und frühe spanische Gitarre als Begleitinstrumente aber für eine leisere Atmosphäre. So auch im folgenden Villancico aus dem "Cancionero de Uppsala", der mit den Worten beginnt "Qué bonito Niño chiquito! - Ach, schönstes Kindlein, das die Jungfrau gebiert".

  • Anonymus (Cancionero de Uppsala), Qué bonito Niño chiquito!

    Der Cancionero de Uppsala, auf den sich die neue Weihnachts-CD der Capella de la Torre vor allem stützt, überliefert nur den mehrstimmigen Satz ohne Hinweis darauf, wie die Werke in der Renaissance realisiert wurden. Es handelt sich um kunstvolle höfische Lieder, die oft die Musik des Volkes nachahmten. Den damit verbundenen Aspekt des Tänzerischen hat das Ensemble mit dem ausgeprägten Einsatz von Schlagwerk stark betont. Auf den Hörer übt dies eine mitreißende Wirkung aus, doch ob es der ursprünglichen Intention der Stücke nahe kommt, ist offen. Hier noch das gleichfalls anonym überliefert Lied "Riu, riu chiu", eines der wenigen spanischen Weihnachtslieder aus der Renaissance, das den Weg ins Repertoire vieler mitteleuropäischer Vokalensembles gefunden hat.

  • Anonymus (Cancionero de Uppsala), Riu, riu chiu

    Die Belgierin Cécile Kempenaers und der Spanier José Pizarro sind die Sänger auf der neuen CD 'Feliz Navidad' der Capella de la Torre mit vornehmlich spanischer Weihnachtsmusik der Renaissance.

    Insgesamt acht Sänger wirken bei der Ersteinspielung des "Dialogus von der Geburt Christi" von Reinhard Keiser durch die Rastatter Hofkapelle unter Jürgen Ochs mit. Und da die Acht zwei vierstimmige Chöre und die Solopartien bestreiten, bedeutet dies, dass das Vokalensemble in der kleinsten, möglichen Besetzung auftritt. Dies weist schon darauf hin, dass die vom Tenor und Kantor Jürgen Ochs gegründete Rastatter Hofkapelle nach den Prämissen der historisierenden Aufführungspraxis agiert-und sogar in besonders exakter Weise, denn ihre Größe ist derjenigen der Rastatter Markgräflichen Kapelle im 18.Jahrhundert nachempfunden.

  • Reinhard Keiser, Dialogus von der Geburt Christi: In dulci jubilo

    Mit diesem Choral beginnt der dritte und letzte Teil von Reinhard Keisers halbstündigem Weihnachtsoratorium "Dialogus von der Geburt Christi". In die Musikgeschichte ist Keiser als Hamburger Opernpionier eingegangen, doch er hat in der Hansestadt auch die junge Gattung Oratorium vorangebracht und dort im Jahr 1707 den "Dialogus" geschrieben.
    Wie es in Oratorien üblich wurde-und von Johann Sebastian Bach wenig später zur Vollendung gebracht-verbindet Keisers Werk Bezüge zum biblischen Geschehen mit fundierten weiter führenden theologischen Aussagen. Musikalisch bemerkenswert sind die sehr abwechslungsreiche Instrumentierung Keisers sowie die prägnante Kürze aller Sätze des Werkes.

    In der Arie "Was schad't mir der Tod" wird eine solistische Altstimme von zwei obligaten Violoncelli und einer einzelnen Violine umspielt. Der Solist ist Matthias Lucht, Jürgen Ochs leitet die Rastatter Hofkapelle.

  • Reinhard Keiser, Dialogus von d. Geburt Christi: Was schad't mir der Tod

    Mit dem Weihnachtsdialog von Reinhard Keiser hat die Rastatter Hofkapelle eine kleine barocke Trouvaille ausgegraben. Dieses frühe Beispiel protestantischer Oratorienkomposition in Deutschland kann sich mit den nachfolgenden Meisterwerken der Gattung zwar nicht messen, doch so mancher schöne Satz und viel weihnachtlich-besinnliche Stimmung lohnen die Entdeckung. Und zudem können Instrumentalisten wie Sänger zum größten Teil auch hohen Ansprüchen gerecht werden.

    Hören Sie noch den kurzen Schlusschoral des Werkes.

  • Reinhard Keiser, Dialogus von d. Geburt Christi: Lobt Gott ihr Christen

    Die "Neue Platte" im Deutschlandfunk war heute zwei Veröffentlichungen mit alter Weihnachtsmusik gewidmet. Die Rastatter Hofkapelle hat unter der Leitung von Jürgen Ochs erstmals das Weihnachtsoratorium von Reinhard Keiser, "Dialogus von der Geburt Christi", eingespielt, kombiniert mit dem Magnificat des Darmstädter Hofkapellmeisters Christoph Graupner, der ebenso wie Keiser aus Sachsen stammte und mit diesem auch bekannt war. Weihnachtsklänge ganz anderer Art, und zwar mediterrane, insbesondere spanische Weihnachtsmusik der Renaissance, hat das Ensemble Capella de la Torre unter dem Titel "Feliz Navidad", herausgebracht. Die beiden CDs sind bei den Firmen Carus und Coviello Classics erschienen und in Deutschland zum Beispiel über den Musikvertrieb NOTE 1 erhältlich.

    Titel: Feliz Navidad
    Mediterrane Weihnachtsmusik der Renaissance

    Ausführende: Cécile Kempenaers, Sopran
    José Pizarro Alonso, Tenor
    Capella de la Torre
    Leitung: Katharina Bäuml

    Label: Coviello Classics COV 20811
    LC 12403


    Titel: Reinhard Keiser
    Dialogus von der Geburt Christi

    Ausführende: Rastatter Hofkapelle
    Leitung: Jürgen Ochs

    Label: Carus 83.417
    LC 03989