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Neuer Aufseher für US-Auslandssender
Sorge um die Unabhängigkeit der "Voice of America"

Donald Trump hat den US-Auslandssender "Voice of America" schon mehrfach scharf kritisiert. Nun hat der US-Präsident seinen Wunschkandidaten Michael Pack als Chef für die zuständige Aufsichtsbehörde durchgesetzt. Und der hat seinen neuen Job mit einem Paukenschlag begonnen.

Von Sinje Stadtlich | 18.06.2020
Das Gebäude des Voice of America in Washington
Der US-Auslandssender "Voice of America" wurde 1942 als Instrument gegen die Nazi-Propaganda der Deutschen gegründet (Alexey Agarishev/Sputnik/dpa)
"Widerlich" sei die Berichterstattung der "Voice of America", so Donald Trump im April. "Chinesische Propaganda" würde der Sender verbreiten, auf Kosten amerikanischer Steuerzahler, twitterte sein Social-Media-Beauftragter.
Anfang dieser Woche wurde nun außerdem bekannt, dass die US-Gesundheitsbehörde CDC in einer internen E-Mail Anweisungen gegeben hatte, der "Voice of America" grundsätzlich keine Interviews zu geben. Mit dem Hinweis auf eine Presseerklärung des Weißen Hauses, in der steht, der Sender spreche nicht für Amerikas Bürger, sondern für seine Feinde.
Carlos Martinez vom Committee to Protect Journalists: "Es ist nicht zu rechtfertigen, dass eine Regierungsbehörde Interviews mit der staatlich finanzierten 'Voice of America' ablehnt, nur um das Weiße Haus nicht zu verärgern. Die Regierung soll mal erklären, warum sie das tut. Und warum sie diesen Sender als das Gegenteil dessen hinstellt, was er ist – nämlich ein Lieferant unabhängiger Informationen für die Menschen auch in den Ländern, in denen Zensur stattfindet."
Konservativer Filmemacher und Vertrauter von Steve Bannon
Donald Trump allerdings hat sich auf die "Voice of America" eingeschossen. Und hatte auch schon länger eine Idee, was zu tun sei, um den Sender besser in den Griff zu bekommen. Es ging um die Neubesetzung der Spitze der "US Global Media Agency", der Behörde, der die "Voice of America" untersteht.
Donald Trump bei einer Pressekonferenz Mitte April: "Michael Pack ist mein Kandidat für den Chefposten der Aufsichtsbehörde. Seit zwei Jahren wird er nicht vom Kongress bestätigt, so können wir die 'Voice of America' nicht ordentlich führen. Wenn Michael Pack den Job antreten würde, würde er das super machen."
Seit 2018 hatten die Demokraten versucht, die Nominierung von Trumps Kandidaten zu verhindern. Michael Pack ist ein konservativer Filmemacher und Vertrauter von Trumps ehemaligem Chef-Strategen Steve Bannon. Zuletzt wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Bereicherung ermittelt.
Sorge um Unabhängigkeit der "Voice of America"
Doch Anfang Juni schien Donald Trumps Druck endlich zu wirken: Die republikanische Mehrheit im Senat stimmte für Michael Pack. Kurz darauf kam der Rücktritt von "Voice of America"-Direktorin Amanda Bennett.
Amanda Bennett, die zurückgetretene Direktorin des staatlich finanzierten US-Auslandssenders "The Voice of America"
Die Direktorin des staatlich finanzierten US-Auslandssenders Voice of America, Amanda Bennett, hat Mitte Juni 2020 ihren Rücktritt erklärt (Getty Images / Drew Angerer)
Kein gutes Zeichen, findet Frank Sesno, Direktor der School of Media and Public Affairs an der George Washington University: "Amanda Bennett war eine mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete, unabhängige Journalistin. Dafür stand sie bei der 'Voice of America'. Michael Pack dagegen hatte immer eine bestimmte Agenda mit seinen Filmen, er steht Trump nah. Auch wenn Bennett das bei ihrem Rücktritt nicht so klar gesagt hat: Die Sorge ist nun, dass die Unabhängigkeit der 'Voice of America' gefährdet ist, dass der Sender unter einer neuen Führung im besten Fall ein interessengeleitetes Programm machen wird, und im schlimmsten Fall Propaganda."
Bennetts Nachfolge noch unklar
Gegründet 1942 als Instrument gegen die Nazi-Propaganda der Deutschen, hat sich die "Voice of America" im Laufe der Jahrzehnte mit unabhängigem Journalismus einen Ruf erarbeitet. Nicht immer war der Sender auf Regierungslinie, so wie kurz nach dem 11. September 2001, als er trotz Warnungen des Außenministeriums Ausschnitte aus einem Interview mit Taliban-Führer Mullah Omar sendete.
Frank Sesno: "Gerade weil die 'Voice of America' eine wichtige Rolle in der Geschichte gespielt hat, sollte es jetzt darum gehen, dass sie weiter freien und unabhängigen Journalismus betreiben und alle wichtigen Informationen liefern kann. Wenn die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der 'Voice of America' untergraben werden, dann wird es Jahre dauern, diesen Ruf wiederherzustellen. Und das macht mir große Sorgen."
Direktorin Amanda Bennett hatte ihren Sender noch vehement gegen Trumps Vorwürfe der chinesischen Propaganda verteidigt. Am Ende schien sie den Kampf leid zu sein.
Und Michael Pack, der neue Chef der Aufsichtsbehörde, hat seinen neuen Job mit einem Paukenschlag begonnen: Heute Nacht entließ er mindestens drei Chefs von anderen Medienunternehmen, die seiner Behörde unterstehen – darunter "Radio Free Europe" – und installierte in deren Gremien Trump-freundliches Personal.
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"Radio Free Europe" - Instrumentalisierter Freiheitssender
"Radio Free Europe" wurde im Kalten Krieg als Alternative zu kommunistischen Propagandawellen gegründet. Heute betreibt der Sender mehr als 25 Redaktionen. Doch so frei, wie der Titel suggeriert, scheint er zumindest in Kasachstan nicht zu sein.