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"Neuer Campus wird Herzstück von Leipzig"

In wenigen Wochen beginnt in Leipzig die Neugestaltung und Sanierung des Universitäts-Campus am innerstädtischen Augustusplatz. Dabei sollen die Kapazitäten und Gebäudeflächen der Hochschule in insgesamt fünf Bauabschnitten erweitert und nach modernsten Gesichtspunkten ausgestaltet werden. Damit ist der Jahre lange Streit um die Neugestaltung des Platzes um die ehemalige Paulinerkirche ist beigelegt.

Von Hanno Grieß |
    Wenn in einigen Wochen die Bauarbeiten losgehen, werden nicht nur einfach ein paar Gebäude der Leipziger Universität saniert. Die Innenstadt bekommt vielmehr ihr Jahrhunderte altes Herz am Augustsplatz wieder. So zumindest beschreibt es der Rektor der Universität, Prof. Franz Häuser aus:

    Denn aus der historischen Perspektive, insbesondere am Ende des 19. Jahrhundert, war die Universität immer dominierend an diesem Platz. Die universitären Gebäude haben dem Platz ihr Gesicht gegeben. Und das erreichen wir mit dem prämierten Modell jetzt wieder. Die Universität kriegt einen Identifikationsort nach innen und nach außen mit einem Gebäude, das den Blick fokussiert, von dem es sich lohnt, auf den Platz zu gehen und sich das Gebäude anzuschauen.

    Ein Gesicht, um das es in den letzten Jahren eine wahre Schlammschlacht gegeben hatte. Denn dort, wo heute mit einem mehrstöckigen Verwaltungsgebäude ein mittlerweile herunter gekommenes Beispiel DDR-Architektur zu bewundern ist, stand bis 1968 die 700 Jahre alte Paulinerkirche. Sie wurde auf Geheiß Walter Ulbrichts zugunsten der sozialistischen Karl-Marx-Universität gesprengt. Die Fronten bisher: Der Paulinerverein, darunter der Nobelpreisträger Günter Blobel, will eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion der alten Kirche. Die Universität, die Stadt und die meisten Leipziger wollen dagegen ein Hörsaalgebäude mit großzügiger Aula. Das hatte es an einer deutschen Universität selten gegeben: Der Streit tobte so heftig, dass schließlich der damalige Rektor der Uni, Volker Bigl mit seinem gesamten Direktorium zurücktrat. Ein erster Architekten-Wettbewerb lief ohne Ergebnis ins Leere. Der zweite hat dann einen Kompromiss zustande gebracht, der jetzt verwirklicht werden soll. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt machte sich gestern ein Bild von der Planung und zeigte sich sichtlich erleichtert:

    Dass diese Phase des Streits überwunden ist, und dass es gelungen ist, weitgehend einen Konsens zu finden zwischen Bedürfnissen und Anliegen, aber auch Interessen. Deswegen bin ich froh darüber, dass wir die ursprüngliche Planung noch einmal überarbeitet haben. Denn das was jetzt vorliegt, ist für alle Beteiligten ein Fortschritt, und deswegen glaube ich, hat sich das Geld gelohnt, den Wettbewerb in zwei Phasen durchzuführen.

    Von denen allerdings nur eine Phase, nämlich der erste Wettbewerb wirklich geplant war. Für 120 Millionen Euro wird die Uni saniert, die Gebäude werden sogar den historischen Straßenverlauf wieder herstellen. Bis 2009, zum sechshundertsten Jubiläum der Uni, soll der Campus fertig sein. Und statt der alten St. Pauli-Universitätskirche ist jetzt ein Zwitter aus Aula und Gotteshaus vorgesehen. Vieles wird von außen an die Kirche erinnern, zum Beispiel die hohen, fast gotischen Fenster. Für den Innenraum hätte sich Rektor Franz Häuser allerdings einen weniger sakralen Charakter gewünscht:

    Wenn man sich das Vorhaben mal anschaut, dann trägt das nicht notwendig den Wünschen der Universität Rechnung. Also insbesondere würde sich die Universität schon wünschen, dass der Charakter als Aula deutlicher zum Ausdruck käme als im gegenwärtigen Entwurf.

    Aber beim Wettbewerb ging es ja schließlich darum, nicht nur die Uni, sondern auch die Kirchen-Befürworter zu befriedigen. Ministerpräsident Milbradt jedenfalls mahnt zur Besonnenheit:

    Wenn man nur seine Lösung zulässt, dann ist es schwierig, zufrieden zu sein. Wenn man dagegen zu einem Kompromiss kommen will, dann muss jeder ein Stück von seinen Ideal-Vorstellungen abrücken, ohne sie aber insgesamt aufzugeben, und ich glaube, das ist erreicht worden.

    Wenn nichts mehr dazwischen kommt, könnte sich die Fronten allmählich auflösen und die Uni tatsächlich bis 2009 das neue Herz Leipzig werden. Selbst die alte Karl-Marx-Plastik soll wieder einen Platz finden. In sicherer Entfernung von der Kirchen-Aula, in unmittelbarer Nähe zu einem Studentenclub.