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Neuer Comic von Brian Vaughan
"Paper Girls" mit Walkie-Talkies

"Saga" von Brian K. Vaughan war ein preisgekrönter Science-Fiction-Comic, der in Sachen Komplexität und Erfolg großen amerikanischen Fernsehserien in nichts nachsteht. Mit "Paper Girls" legt Vaughan nun einen Genre-Mix aus Teenager-Abenteuer und Alien-Invasion vor. Ob das gut geht?

Von Andrea Heinze |
    Der Comic- und TV-Autor Brian K. Vaughan wurde durch seine Arbeiten für die TV-Serien mit "Lost" und "Under The Dome" bekannt und hat u. a. mit seinem Comic "Saga" Kultstatus erreicht
    Der Comic- und TV-Autor Brian K. Vaughan wurde durch seine Arbeiten für die TV-Serien mit "Lost" und "Under The Dome" bekannt und hat u. a. mit seinem Comic "Saga" Kultstatus erreicht (imago stock&people)
    Es beginnt, wie eines dieser typischen Teenager-Abenteuer: vier Mädchen, alle um die zwölf Jahre alt, tragen am frühen Morgen nach Halloween Zeitungen aus. Allein das bringt schon genug Ärger - immer wieder lauern ihnen Halbstarke auf, bauen sich bedrohlich vor ihnen auf, in ihren mehr oder weniger furchteinflößenden Kostümen und fordern sinnloses Zeug - einfach nur, um ihre Macht zu demonstrieren.
    Zum Glück haben sich die vier zusammengeschlossen und bieten den Jungs Paroli - dabei sind sie selbst alles andere als zimperlich, Begriffe wie "Schwuchtel" oder "HIV-Patient" fallen auch schon mal. Und das in einer Zeit, als zeitungaustragende Mädchen noch genauso ungewöhnlich waren, wie katholische Messdienerinnen. Doch die Paper Girls scheren sich nicht um Rollenzuschreibungen.
    Der Kalte Krieg lässt grüßen
    Vaughan hat die Geschichte Ende der 80er-Jahre angesiedelt, als Hip-Hop in der Subkultur groß wird. Vermutlich hören die Paper Girls genau das auf ihren Walkmen. Auf jeden Fall wimmelt der Comic nur so von Verweisen auf die 80er-Jahre: Föhnfrisuren, BMX-Räder, Walkie-Talkies und alles Mysteriöse wird mit Angriffen der Russen erklärt - der Kalte Krieg lässt grüßen.
    Der Zeichner Cliff Chiang hat das in klare Bilder in gedeckte Pink- und Blautöne gepackt, in die schon mal gelb die Flamme eines Feuerzeugs leuchtet. Wenn es spannend wird, werden ganze Bilder krachend gelb. Chiang hat bislang Superhelden-Comics gezeichnet und kennt sich mit starken Frauen aus: "Wonder Woman" gehört genauso zu seinem Repertoire wie "Ms. Marvel", die erste muslimische Superheldin. Die Paper Girls zeichnet er im Laufe der Geschichte immer häufiger aus der Untersicht, lässt sie so größer erscheinen, als würden sie an ihren Herausforderungen wachsen.
    Waschechter Genre-Mix
    Tatsächlich wachsen die Herausforderungen den Paper Girls eher über den Kopf. Denn dieser Comic ist eben nicht nur das übliche Teenager-Abenteuer, in dem sich ein paar Heranwachsende in einer unübersichtlichen Welt zurechtfinden müssen, sondern ein waschechter Genre-Mix. Autor Brian K. Vaughan selbst hat die Comic-Reihe als Mischung aus dem Film "Stand by Me" und dem Alien-Klassiker "Krieg der Welten" beschrieben. Denn hinter den Halloween-Masken verbergen sich manchmal eben auch Monster, die Jagd auf Menschen machen und möglicherweise aus dem All kommen.
    Wer Vaughans preisgekrönte Science-Fiction-Reihe "Saga" kennt, weiß, mit welch überbordendem Einfallsreichtum er Figuren erfinden kann. Das deutet sich auch schon im ersten Band der "Paper Girls" an, der noch ganz auf der Erde bleibt: Da gibt es eine geflügelte NASA-Astronautin, düstere Gestalten, die mit Lumpen umwickelt scheinen, Ritter auf Flugsauriern und einen zotteligen Althippie, der auch sowas wie ein Gott sein könnte. Wer von diesen Gestalten die Guten sind, bleibt vorerst unklar.
    "Esst nie vom Baum der Erkenntnis"
    Vaughan lässt immer neue, rätselhafte Spuren in die Geschichte einfließen. Was bedeutet es zum Beispiel, dass die Paper Girls ein flaches, handtellergroßes Ding mit dem Symbol eines angebissenen Apfels finden? Hat das etwas mit dem Traum am Beginn des Comics zu tun, als eines der Paper Girls einen heilen Apfel in Händen hält - und sich daraus ein Albtraum entwickelt, der mit der Drohung "esst nie vom Baum der Erkenntnis" endet? Brian K. Vaughan ist ein Meister des kunstvoll verschachtelten Storytellings - das wird auch in "Paper Girls" deutlich. Deshalb - und auch wegen des großartigen 80er-Jahre-Looks - hat diese Serie Kultpotenzial.