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Neuer Gelehrtentreff

Professor Kurt Pawlik ist Präsident der Joachim-Jungius-Gesellschaft in Hamburg. Das Thema der bevorstehenden Akademie-Gründung in der Hansestadt ist für ihn so wichtig, dass er in Frankreich zum Telefonhörer greift, um seine Meinung dazu zu sagen:

Von Dorothea Heintze | 01.09.2004
    Warum in Hamburg und jetzt eine Akademie? Die Joachim-Jungius-Gesellschaft hat es begrüßt, dass der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg diese weitsichtige Initiative ergriffen hat. Was wird sie uns bieten? Wir werden zusätzlich zu den Universitäten Fächer und institutionsübergreifend die Gelegenheit haben, Themen integriert wissenschaftlich anzugehen, einzubinden dabei eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und nicht zuletzt auch die Öffentlich einzubeziehen und die Stellung von Wissenschaft im Dreieck von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik noch besser herauszustellen.

    Seit Jahrzehnten, so berichtet er, habe man sich in der Jungius-Gesellschaft für eine Akademiegründung eingesetzt. Denn: Nicht nur die Hansestadt, der gesamte Norden ist in diesem Bereich nicht vertreten. Insgesamt sieben Akademien wirken in Deutschland - die nördlichste hat ihren Sitz in Göttingen. Nun endlich soll Hamburg nachziehen. Wie es die Statuten der Union aller deutschen Akademien vorschreibt, wird auch die Hamburger Akademie als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch ein Gesetz gegründet. Die Stadt verpflichtet sich damit, für die Grundfinanzierung aufzukommen.

    Wie soll die Hamburger Akademie arbeiten? In der Wissenschaftsbehörde ist Staatsrat Doktor Roland Salchow für die Akademiegründung zuständig. Er erläutert:

    Die bisherigen Akademien der Wissenschaften haben ja vornehmlich Vorhaben mit sehr langen Laufzeiten, zum Teil länger als 50 Jahren, die anderen Akademien haben eine Gliederung in Naturwissenschaften und Geisteswissenschaftlichen Klassen und solche Dinge. Das wollen wir alles nicht mehr haben. Wir wollen, dass die Hamburger Akademie sich einige Themen von öffentlichem Belang aussucht, drei, vier Themen, interdisziplinäre Themen, das ist vorausgesetzt. Und ordentliches Mitglied dieser Akademie kann man nur sein, wenn man an einem dieser drei vier Themen wirklich mitarbeitet. Das heißt, die Akademien sind nicht ein Aufenthaltsraum oder eine schöne Sache, wo man sich sieht, sondern sind Stätten der Arbeit und der Produktion.

    Eine moderne, schlanke und langsam wachsende Arbeitsakademie soll es in Hamburg sein. Im Laufe der Zeit wird sie herausragende Wissenschaftler, so genannte "Young Fellows", nach Hamburg berufen, die dann im Rahmen der Akademie interdisziplinär zu aktuellen Problemfragen forschen und arbeiten. 1,5 Millionen Euro spendierte das Hamburger Mäzenatenehepaar Hannelore und Helmut Grewe für die ersten drei Jahre. Außerdem stellen sie Gästewohnungen zur Verfügung. Die Geschäftsstelle wird zunächst in den Räumen der Jungius-Gesellschaft verbleiben. Die Zusatzkosten für die Stadt sollen so gering wie möglich sein.

    Die angekündigte Bescheidenheit ist wichtig, denn die Akademiegründung ist in der Hansestadt nicht unumstritten. Gerade hat Wissenschaftssenator Jörg Dräger die weit reichende Streichungen bei den Hamburger Geisteswissenschaften angekündigt. Zu Recht fragt sich da Heide Opitz von der oppositionellen GAL-Fraktion, wer die Akademie eigentlich finanzieren soll, wenn das Geld der Mäzene aufgebraucht ist. Kurt Pawlik von der Jungius-Gesellschaft hofft auf Drittmittel:

    Der Zugewinn kann enorm für Hamburg und die Region sein. Ich habe mir die Etats der anderen angesehen. Die sämtlich bringen mehr an Drittmitteln von außen ein, als das jeweilige Land in die Akademie als Finanzierung einbringt. Wir werden Chance haben und werden die Gelegenheit sicher wahrnehmen können, für Hamburg auch dies zu bewirken.

    Warum gründet Hamburg gerade jetzt eine weitere regionale Akademie? Immerhin steht das Thema "nationale Bundesakademie" seit Jahren im Raum. Bisher konnte Hamburg an dieser Diskussion nicht teilnehmen: nur Akademien, formal gegründet als Körperschaften des öffentlichen Rechts, haben Zutritt und Rederecht in der Union, dem Zusammenschluss aller deutschen Akademien. Völlig unabhängig von dieser rein formalen Frage ist Staatsrat Roland Salchow skeptisch:

    Es redet zwar alle Welt davon, eine Bundesakademie gründen zu wollen, aber ich bin mir nur 50/50 sicher, dass es zu einer Bundesakademie kommt. Der Wissenschaftsrat hat ein Gremium eingesetzt, um darüber nachzudenken, ob man das wirklich tun soll und was die denn soll und mit Moment hat man auch mit verschiedenen Eitelkeiten in diesem Bereich zu tun und darum weiß ich noch gar nicht, wohin die Reise geht.


    Bundesakademie hin oder her: Der Hamburger Senat zeigt sich entschlossen. Schon Anfang 2005 soll die neunköpfige Gründungskommission zusammentreten. Sie wird dann die ersten 30 ordentlichen Mitglieder berufen. Für die Zukunft soll deren Zahl auf 80 anwachsen, hinzu kommen 40 korrespondierende Mitglieder und später dann auch die Ehemaligen. Ein großes Ziel in klammen Zeiten. Das Hoch im Norden ist dabei.