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Neuer Prophet am Himmel

Meteorologie. - Trotz aller Unkenrufe ist die Wettervorhersage besser als ihr Ruf, denn heute liegt ihre Treffsicherheit bei weit über 80 Prozent in der Tages-Vorausschau. Wesentlichen Anteil daran haben schnelle Großrechner, aber vor allem die orbitalen Wetterbeobachtungssatelliten. Doch auch die Augen aus dem All erspähen den Globus nicht lückenlos. Dabei bleiben vor allem auf der Südhalbkugel weite Flächen unbeobachtet und die Wetterprognose denn auch fehlerbehaftet. Abhilfe soll der deutsche Satellit "Champ" bringen.

Volker Mrasek |
    Seit über drei Jahren ist Champ jetzt im All. Rein äußerlich darf man sich den deutschen Satelliten vorstellen wie einen überdimensionalen Handfeger, dem die Borsten ausgefallen sind. Mit dem Stiel voran saust er durch den Orbit. Auszug aus einer Projektbeschreibung des Geoforschungszentrums Potsdam, wo die Operationszentrale sitzt ...

    Von einer russischen Kosmos-Rakete ins All gebracht, soll Champ seine Mission über mindestens fünf Jahre erfüllen. Auf einer nahezu polaren Umlaufbahn umkreist er die Erde in einer relativ niedrigen Flughöhe von etwa 400 Kilometern etwa 15 mal pro Tag.

    Eigentlich soll Champ vor allem das Schwerefeld der Erde aus dem Weltraum vermessen. Doch inzwischen rückt ein anderes Experiment an Bord immer mehr in den Blickpunkt: Am Heck hat Champ zwei Antennen - für die außerirdische Kommunikation ...

    Champ guckt nach anderen Satelliten! Er sieht praktisch - relativ von Champ aus - die auf- und untergehenden GPS-Satelliten.

    Der Potsdamer Projektleiter Christoph Reigber über seinen Schützling. Champ empfängt also Radiosignale von den Satelliten des Globalen Positionierungs-Systems, kurz: GPS. Dabei geht es allerdings nicht um irgendeine Ortsbestimmung. Aus rund 20.000 Kilometern Höhe abgestrahlt, und das permanent, liefern die GPS-Signale zugleich Informationen über Temperatur und Wasserdampf-Gehalt der Erdatmosphäre ...

    Der wesentlich tiefer fliegende Champ sieht die GPS-Satelliten sozusagen untergehen. Diese Okkultationen dauern etwa eine Minute. Und die Signalwege werden zunehmend durch die Atmosphäre gekrümmt und beeinflusst. Aus der Veränderung des Brechungswinkels lässt sich mit mathematischen Verfahren die Verteilung von Temperatur oder Wasserdampf vom Erdboden bis in Höhen über 100 Kilometer ableiten.

    Eigentlich macht Champ nichts anderes als ein Wetterballon, der in der Atmosphäre aufsteigt und meteorologische Messdaten in verschiedenen Höhen sammelt. Solche Messprofile liefert auch der Satellit - allerdings mit einem entscheidenden Unterschied, wie Christoph Reigber schildert:

    Dass wir im Gegensatz zu Radiosonden, die ja im wesentlichen nur über den Landgebieten oder bei Inseln aufsteigen, hier eine globale Überdeckung haben. Insbesondere auch die Ozeanbereiche und die antarktischen, arktischen Gebiete überdecken. Und das sind praktisch Gebiete, wo wenig Datenmaterial zur Verfügung steht.

    Champ schwärzt also weiße Flecken auf der Welt-Wetterkarte, vor allem in der Südhemisphäre. Dort sind Messstationen noch immer dünn gesät. Dabei ist klar: Hätte man mehr Daten auch von dort, könnten die Wettervorhersage weiter verbessert werden - auch auf der Nordhalbkugel. Davon sind britische Meteorologen fest überzeugt. Sie wollen die Champ-Daten in Kürze nutzen. Die Potsdamer Geoforscher haben schon jetzt einen engen Draht zum britischen Wetterdienst und zum Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage in Reading ...

    Die Absicht der Briten ist, von uns ab Januar 2004 im Routinebetrieb diese Daten geliefert zu kriegen. Das heißt also, wir müssen sehr schnell den Zugang zu den Daten kriegen. Das erreichen wir mit einer Antenne, die wir in Spitzbergen aufgebaut haben. Der Satellit überfliegt diese Station praktisch 15 mal am Tag. Und wir haben immer wieder Kontakt mit ihm. Dann haben wir eine direkte Datenverbindung von Spitzbergen hier nach Potsdam. Und wir rechnen dann sehr schnell die Bahnen aller GPS-Satelliten, des Champs, und dann setzt also die Maschinerie ein, um die Profile abzuleiten.

    Drei Stunden - länger dürfe die Prozedur nicht dauern, sagt Christoph Reigber. Denn die Wetterdienste fütterten ihre Vorhersage-Programme ständig mit neuen Daten, und das in kurzen Zeitabständen. Champ macht jetzt den Anfang, mit 250 Höhenprofilen pro Tag. Er soll aber kein Einzelgänger bleiben. Weitere Satelliten sind eingeplant für die so genannten Radio-Okkultationsmessungen, auch deutsche wie etwa Terrasar, ein neuer Umweltsatellit für das Jahr 2005:

    Man kann davon ausgehen, dass in der nahen Zukunft mehrere tausend Profile pro Tag mit dieser Technik geliefert werden. Und das gibt natürlich dann die für die Wettervorhersage interessante, schnelle Information.