Archiv

Neues Album
Robbie Williams swingt souverän wie lange nicht

Robbie Williams' erfolgreichstes Album ist nicht etwa eines mit seinen Partygassenhauern, sondern "Swing When You're Winning": der Sänger mit großem Orchester auf den Spuren von Frank Sinatra. Zwölf Jahre später schließt er mit seinem neuen Werk "Swings Both Ways" dort an.

Von Bernd Lechler |
    Robbie Williams' erfolgreichstes Album ist nicht etwa eines mit seinen Partygassenhauern, sondern "Swing When You're Winning": der Sänger mit großem Orchester auf den Spuren von Frank Sinatra. Zwölf Jahre später schließt er mit seinem neuen Werk "Swings Both Ways" dort an.
    Tausendmal gehört, oder? Man könnte auch nicht sagen, dass Robbie Williams diesem Klassiker etwas ganz Neues abgewinnt. Spaß macht es trotzdem: ehrwürdiges Songwriting-Handwerk, meisterliche Orchesterarrangements - und ein Sänger, der diese Musik einer früheren Generation offenbar wirklich liebt.
    "Meine frühste musikalische Bildung", sagt er, "waren Ella Fitzgerald, Nat King Cole, Frank Sinatra - die Platten, die mein Vater daließ; der ja wegging, als ich drei war." Und der kleine Robbie saß später ganze Nachmittage am Plattenspieler und lernte diese Songs quasi auswendig. "Das waren meine Bücher", sagt er.
    Beim ersten Swingausflug interpretierte Robbie Williams noch fast ausschließlich alte Klassiker. Diesmal datiert er nicht nur seinen eigenen Hit "Love Supreme" ein Dreivierteljahrhundert zurück - das halbe Album hat er, im Team, selbst verfasst: "Snowblind" ist eine berückend unkitschige Ballade, vermutlich aus früheren Sessions - geschrieben wie der energische Opener "Shine My Shoes" mit Robbies altem Melodienlieferanten Guy Chambers, was hoffen lässt, dass die beiden sich auch zukünftig wieder beflügeln könnten.
    Die Besetzung der Duette mag teils nach Marktsegmenten kalkuliert sein, haut aber hin: In "Dream A Little Dream" lässt Robbie seine aufmüpfige Popkollegin Lily Allen leuchten - und besonders schön ist der Titelsong mit dem exaltierten Rufus Wainwright. Das Wortspiel "Swings Both Ways" meint nämlich eine ambivalente sexuelle Orientierung, der Songtext ist eine lange Reihe eindeutiger Zweideutigkeiten, und Wainwright darf zu Robbie sagen: "Ich glaub, du bist ein bisschen schwul!" Der sagt nur: "Wollen wir tanzen?"
    Der Sänger Rufus Wainwright
    Der exaltierte Rufus Wainwright ist einer der Duettpartner von Robbie Williams (AP Archiv)
    Kokett oder bescheiden - seine Stimme finde Robbie Williams nur so "ok". Um das zu kaschieren, habe er "personality songs" ausgesucht: welche mit starken Charakteren. Manche Ballade sei ihm zu groß.
    "Es gibt Songs, die gehören einfach Frank Sinatra oder Nat King Cole. 'Unforgettable' von mir - das geht nicht. Ich kann was anderes."
    Der alte Dschungelbuchkracher war im Orang-Utan-Original mit Louis Prima vielleicht trotzdem einen Tick besser, so sehr sich Robbie Williams und Olly Murs hier auch zum Affen machen. Toll dafür: der selbst verfasste Rausschmeißer "No One Likes A Fat Popstar" - ein selbstironischer Diätwitz, der Größe bekommt, indem Robbie Williams ihn ganz ernst nimmt.
    Natürlich wird dieses Album ein Riesenerfolg werden. Zu gut passen Name und Genre unter den Weihnachtsbaum von Freunden, Onkeln und Schwiegermüttern gleichermaßen. Aber wer findet, dass das man alles eh von Sinatra hören muss oder einem eine Platte, auf der Castingshowgewächse wie Kelly Clarkson mitmachen, nicht ins Haus kommt, der verpasst was: So vergnüglich und stellenweise anrührend, so souverän und unpeinlich, so gut war Robbie Williams seit Jahren nicht mehr.