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Neues Hochschulbarometer
"Das System sollte schon erhalten bleiben"

Viele Nachwuchswissenschaftler klagen darüber, mit Zeitverträgen abgespeist zu werden. Eine Umfrage unter Hochschulrektoren und -präsidenten bestätigt den Trend: "Die meisten Hochschulleiter wollen tatsächlich grob an dem bisherigen System von befristeten Verträgen festhalten", sagte Pascal Hetze, Programmleiter für Analysen und Innovationspolitik beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im DLF.

Pascal Hetze im Gespräch mit Michael Böddeker | 24.04.2017
    Das Bild zeigt eine Laboranordnung mit Kolben und Gläsern.
    Nachwuchswissenschaftler sollen viel forschen, viel veröffentlichen, Lehrveranstaltungen geben, und das alles oft nur mit einem Zeitvertrag. (imago stock&people)
    Michael Böddeker: Nachwuchswissenschaftler an den Hochschulen in Deutschland, die haben es nicht leicht: Sie sollen viel forschen, viel veröffentlichen, Lehrveranstaltungen geben, und das alles oft mit unsicherer Zukunft, denn die meisten haben keine Festanstellung, sondern nur einen Zeitvertrag.
    Über das Problem haben wir hier auch schon öfter berichtet. Bleibt natürlich die spannende Frage, ändert sich das womöglich in der Zukunft irgendwann mal. Laut einer neuen repräsentativen Umfrage unter Hochschulrektoren und -präsidenten sieht es eher nicht so aus.
    Das besagt zumindest eine erste Auswertung des Hochschulbarometers vom Stifterverband und der Heinz Nixdorf Stiftung, und darüber spreche ich mit Pascal Hetze. Er ist Programmleiter für Analysen und Innovationspolitik beim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Guten Tag!
    Pascal Hetze: Schönen guten Tag!
    Böddeker: Wie sehr möchten denn die Leiter der Hochschulen am bisherigen System mit den Befristungen festhalten?
    Hetze: Die meisten Hochschulleiter wollen tatsächlich grob an dem bisherigen System von befristeten Verträgen festhalten. Wir sehen jedoch sehr große Unterschiede nach den einzelnen Hochschulgruppen. Also besonders ausgeprägt ist dieser Wunsch bei den staatlichen Universitäten.
    Bei Fachhochschulen sieht es schon deutlich weniger aus, und die privaten oder spezialisierten Hochschulen möchten sogar den Anteil der Befristungen leicht erhöhen. Dazu muss man allerdings sagen, dass der Anteil bei Befristungen bei privaten Hochschulen noch sehr, sehr gering ist.
    "Die Rektoren wünschen durchaus eine leichte Reduktion"
    Böddeker: Also vor allem die staatlichen Hochschulen möchten das gerne beibehalten. Sie sagten, die meisten sind das. Was heißt das in Prozent? Wie viele möchten das so weiterführen?
    Hetze: Wir haben zwei Dinge gefragt: Wir haben gefragt, wie hoch ist der jetzige Anteil an befristeten Stellen und wie hoch sollte er optimal sein, und von den Unirektoren haben die Rektoren im Durchschnitt gesagt, bisher sind 62 Prozent aller wissenschaftlichen Stellen befristet, optimal wären 57. Das heißt, die Rektoren wünschen durchaus eine leichte Reduktion, aber über die Hälfte der Stellen soll also zukünftig zeitlich nur bedingt ausgeschrieben werden.
    Böddeker: Wie kommt das? Was sind da die Gründe für die Hochschulen für diese Befristungen?
    Hetze: Gerade die Universitäten haben natürlich eine große Aufgabe, nämlich die Qualifizierung von wissenschaftlichem Personal, und diese Nachwuchswissenschaftler sind in der Regel für ihre Promotion oder für eine Post-Doc-Phase an der Universität beschäftigt.
    Das heißt, sie sehen auch gar nicht ihre zentrale Funktion, ein Leben lang an dieser Hochschule zu bleiben, sondern man bleibt fünf Jahre, vielleicht ein bisschen länger, ein bisschen kürzer, um seine Promotion abzuschließen, und geht dann in die Wirtschaft. Nur ein geringer Teil bleibt letztendlich dann wirklich in der Wissenschaft.
    Böddeker: Nun gab es ja ein paar Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Dadurch sollten dauerhafte Befristungen zumindest ein bisschen abgebaut werden. Hatte das wohl Einfluss auf die Hochschulleiter bei der Befragung?
    Hetze: Davon ist auszugehen. Es ist nicht die erste Befragung, die andeutet, dass die Hochschulen durchaus wünschen, die Befristung ein bisschen herunterzufahren, aber die überwiegende Mehrheit sagt ja doch, das System, wie es ist, sollte in den Grundzügen schon erhalten bleiben.
    "Die privaten Hochschulen profitieren in sehr geringem Maße nur vom Hochschulpakt"
    Böddeker: Außer den Befristungen haben Sie auch noch gefragt zum Hochschulpakt, also dem Bund-Länder-Pakt, mit dem die gestiegene Zahl von Studierenden aufgefangen werden sollte. Wie beurteilen die Hochschulleiter diesen Pakt?
    Hetze: Auch die Bewertung ist sehr, sehr gemischt, und es gibt große Unterschiede zwischen den Antworten der privaten Hochschulen und der staatlichen Hochschulen. Bei den staatlichen Hochschulen sagen immerhin 80 Prozent, dass der Hochschulpakt insgesamt erfolgreich ist. Bei den privaten Hochschulen sind es nur 20 Prozent.
    Böddeker: Gibt es Gründe dafür?
    Hetze: Die gibt es durchaus, denn die privaten Hochschulen profitieren in sehr geringem Maße nur vom Hochschulpakt. Die meisten Bundesländer geben die Mittel, die sie über den Hochschulpakt bekommen, nicht an die privaten Hochschulen weiter.
    Böddeker: Der Hochschulpakt hatte ja verschiedene Ziele: Die Studienqualität sollte besser werden, beruflich Qualifizierte sollten an die Hochschulen kommen. Wie fällt da das Fazit aus zu diesen verschiedenen Zielen?
    Hetze: Die Studienqualität finden die meisten Hochschullehrer tatsächlich verbessert. Auch hier über 80 Prozent sagen, ja, die Mittel, die Paktmittel, immerhin 38 Milliarden insgesamt, wirken hier, wir konnten mehr Personal einstellen, wir konnten die Infrastruktur verbessern. Bei den anderen Zielen sieht das schon deutlich schwächer aus. Der Zugang von beruflich Qualifizierten, der höhere Anteil von Frauen bei Stellenbesetzungen, der Versuch, mehr Studierende an die Fachhochschulen und an die MINT-Fächer zu bringen, in all diesen Fragen sagt nur eine Minderheit, dass hier schon größere Erfolge zu verzeichnen sind.
    "Mehr als jede vierte Vorlesung wird von Personen gehalten, die nicht an den Hochschulen beschäftigt sind"
    Böddeker: Wie sieht es auch mit den Studienabbrechern? Das soll ja in der aktuell laufenden Phase Drei des Paktes angegangen werden. Gab es dazu Aussagen?
    Hetze: In der Tat ist das eine Neuerung im Hochschulpakt. Hier ist die Skepsis noch sehr groß: Gerade mal ein Drittel sagt, dass hier zumindest in den letzten Jahren schon Erfolge erzielt wurden.
    Böddeker: Außerdem haben Sie noch gefragt zum Thema Lehre auf Honorarbasis, also zum Beispiel Gastdozenten. Was kam da raus?
    Hetze: Die große Zahl der Lehrveranstaltungen wird natürlich vom hauptamtlichen Lehrpersonal geleistet, aber immerhin ist doch bemerkenswert, dass mehr als jede vierte Vorlesung von Personen gehalten wird, die nicht an den Hochschulen beschäftigt sind. Das können Lehrbeauftragte sein, außerordentliche Professuren, Gastprofessuren. Bei den privaten Unis ist der Anteil noch mal deutlich höher. Hier sind es vier von zehn Lehrveranstaltungen, die von extern gehalten werden.
    Böddeker: Mit Pascal Hetze vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft habe ich über das neue Hochschulbarometer gesprochen. Das zeigt unter anderem, vor allem die Universitäten setzen auch in Zukunft auf befristete Verträge mit Nachwuchswissenschaftlern. Vielen Dank für das Gespräch!
    Hetze: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.