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Neues Masterstudium für Kita-Leiter
"Hinreichende Kompetenzen sind für die Leitungen sehr wichtig"

An der Europa-Universität Flensburg startet der bundesweit erste Masterstudiengang für Kita-Leiter. Mit der Bedeutung der frühkindlichen Bildung in den letzten Jahren seien auch die Anforderungen an die Leitung von Kindertageseinrichtungen gestiegen, sagte Jürgen Schwier von der Uni Flensburg im DLF.

Jürgen Schwier im Gespräch mit Michael Böddeker | 06.11.2015
    Kita "Uns Lütten" in Mecklenburg-Vorpommern
    Ohne berufliche Praxis kann kein Studieninteressierter in den Masterstudiengang für Kita-Leiter wechseln. (Foto: Silke Hasselmann )
    Michael Böddeker: Mehr Qualität ist ja nicht nur in der Hochschulbildung wichtig, so wie beim Qualitätspakt Lehre, sondern auch schon ganz am Anfang in der frühkindlichen Bildung, nämlich an den Kitas, denn die sollen ja nach Möglichkeit viel mehr sein als bloß Kinderverwahrstätten.
    Gestern haben wir schon über eine Konferenz zu genau diesem Thema berichtet, da haben mehrere Bundesminister betont, dass Investitionen in diesem Bereich wichtig seien. Auch in der Ausbildung der Fachkräfte kann mehr in Kitas investiert werden, ab jetzt auch mit einem neuen Studiengang. Bei dem geht es auch um die Lehre und auch um die Qualität in der Kitaausbildung.
    Darüber habe ich gesprochen mit Jürgen Schwier, er ist nämlich einer der Studiengangsleiter, und ihn habe ich gefragt: An wen richtet sich eigentlich dieses Studienangebot?
    Jürgen Schwier: Der Hintergrund ist natürlich, dass die Bedeutung der frühkindlichen Bildung in den letzten Jahren gestiegen ist, und das hat natürlich unter anderem die Konsequenz, dass auch die Anforderungen und die Erwartungen an das Leitungspersonal in Kindertageseinrichtungen gestiegen ist, und dem wollen wir eben Rechnung tragen, indem wir hier eben den ersten Master in diesem Bereich anbieten, der eben auch sich an unterschiedliche Zielgruppen richtet.
    Wir haben auf der einen Seite Kitaleitungen, die zum Teil schon ein vorgängiges Bachelorstudium absolviert haben oder ein erziehungswissenschaftliches Studium. Und andererseits haben wir eben auch hier die Zugangsmöglichkeit für erfahrene Erzieherinnen und Erzieher mit mehrjähriger Berufspraxis, die dann über ein zusätzliches Modul, das sie noch parallel studieren müssen, eben auch Zugang zu diesem Master haben.
    Mehrjährige Berufspraxis ist Voraussetzung
    Böddeker: Das heißt, man kann auch mit der entsprechenden beruflichen Vorbildung in diesen Studiengang gehen?
    Schwier: Die ist bei beiden Zielgruppen Voraussetzung. Man kann nicht direkt sozusagen mit einem abgeschlossenen Bachelorstudium ohne berufliche Praxis in diesen Master wechseln, sondern man braucht in dem Fall beides, den Bachelorabschluss und die mehrjährige Berufspraxis in einer Kindertageseinrichtung.
    Böddeker: Wie ist dieses Studium aufgebaut? Was lernt man da alles?
    Schwier: Wir haben im Kern in diesem Studium sieben Module. Das reicht vom Qualitätsmanagement über die Personalführung über Elternarbeit, Erziehungspartnerschaften, natürlich auch der Bereich Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit. Auch ein wichtiges Feld: Gesundheit, Bewegung und Prävention. Ein Thema, das eigentlich in allen pädagogischen Bereichen zurzeit eine Rolle spielt, ist das Feld Inklusion und Entwicklungsdiagnostik. Und schließlich geht es auch um frühkindliche Kompetenzentwicklung mit Schwerpunkt auf dem Bereich der sprachlichen und der naturwissenschaftlichen Bildung.
    "Sprachliche Bildung wird an Bedeutung gewinnen"
    Böddeker: Sprachliche Bildung könnte ja auch insofern wieder wichtig werden, weil es viele Flüchtlingskinder gibt, die jetzt auch in die Kitas kommen.
    Schwier: Das wird sicherlich an Bedeutung gewinnen, und das wird wirklich in der Praxis zuerst an Bedeutung gewinnen. Als wir vor zwei Jahren begonnen haben, diesen Studiengang zu planen, war das in der Tat noch nicht im Fokus.
    Böddeker: Wenn man jetzt diesen Masterstudiengang absolviert hat, was kann man damit dann anschließend beruflich machen?
    Schwier: Die Zielperspektive ist natürlich, dass man im Bereich der Leitung frühkindlicher Bildungseinrichtungen auch aktiv wird. Das scheint auch – wir haben ja jetzt die erste Studierendengruppe zusammen. Das scheint auch bei den Studierenden die vorherrschende Motivation zu sein.
    Böddeker: Braucht man dafür wirklich einen Studiengang? Muss man das studieren, um eine Kita leiten zu können, oder kann man sich das Ganze nicht auch in der jahrelangen Praxis in der Kita aneignen?
    Schwier: Ja, man kann sich sehr viel, glaube ich, durch Praxis aneignen. Man kann, glaube ich, aber auch Abkürzungen nehmen, indem man eben Kompetenzen im Rahmen eines universitären Studiums erwirbt, weil wir zum Teil eben auch Inhalte haben, die man sich, glaube ich, nicht durch Praxis aneignen kann, sondern wo es wichtig ist, vielleicht auch die bestehende Praxis zu reflektieren, um vielleicht zu anderen Lösungen zu kommen.
    Lernziel: Defizite erkennen und beheben
    Böddeker: Was könnte das sein?
    Schwier: Das kann beispielsweise der Bereich der naturwissenschaftlichen Bildung sein, wo sicherlich auch aus meiner Sicht Nachholbedarf ist, den man, glaube ich, nicht aus der Praxis heraus generieren kann. Das geht aber auch bis zu konkreten Fragen des Qualitätsmanagements. Auch da ist ja ein Input an Know-how auch gefragt, um das dann leisten zu können.
    Böddeker: Also mehr Qualität in der Kita ist das Ziel. Aber was genau macht Qualität eigentlich konkret aus? Wie würden Sie das definieren?
    Schwier: Wir glauben eben, dass es für Leitungen sehr wichtig ist, dass sie in zentralen Feldern, die im Kita-Alltag eine Rolle spielen, über hinreichende Kompetenzen verfügen, dass sie auch ihr Personal anleiten können, also sagen können, wo haben wir da vielleicht Defizite, was läuft bei uns schon gut.
    Und das setzt ja auch das Know-how voraus, dass, wenn ich feststelle, es gibt hier vielleicht eine Praxis, die noch nicht optimal ist, dass ich vielleicht Maßnahmen ergreifen kann aufgrund von vorhandenem Handlungswissen, die eben in die richtige Richtung gehen.
    Böddeker: Sagt Jürgen Schwier von der Europa-Universität Flensburg. Dort kann man jetzt einen neuen Masterstudiengang für angehende Kita-Leiter belegen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.