Beatrix Novy: Bisher konnte man sich das Älterwerden noch so vorstellen, dass der oder die junge Wilde mit fortschreitenden Jahren und Familienstand verhäuslichte. Irgendwann die Karten für zu laute Rockkonzerte dem Nachwuchs überließ, um selber ein Taxi in die Oper zu nehmen. Aber, dem ist nicht so, warnen die Erforscher des Publikumsverhaltens. Den Institutionen der sogenannten Hochkultur wachsen mitnichten die neuen Kunden automatisch heran.
Da helfen auch keine zwölf Tenöre auf Galatournee. Einmal Rockmusik, immer Rockmusik. Das sieht man ja auch an den vielen Kreisen und Formationen – für wen werden die wohl spielen. Da heißt es, und da sind wir hier mit unserer Kultursendung auch dran interessiert, da heißt es jetzt handeln, um in Zukunft die Museen und Theater vollzukriegen, zum Beispiel.
Eine von denen, die nach Handlungsmöglichkeiten suchen, ist Birgit Mandel, Professorin für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim. Ihr Stichwort heißt Audience Development, wir übersetzen das jetzt mal mit "Publikumsmanagement". Was heißt das?
Birgit Mandel: Ja, es ist eine Methode oder sagen wir besser, es ist eine Strategie. Das Audience Development wurde maßgeblich entwickelt in Großbritannien, aber auch in den USA schon seit vielen Jahren wird es angewendet. Was das Besondere am Audience Development ist, ist, dass es Methoden quasi und Strategien des Marketings und der Public Relations kombiniert mit Methoden der Kulturbesucherforschung und der direkten Kulturvermittlung. Beim Audience Development geht es darum, bewusst sich um ein neues anderes Publikum zu bemühen, indem man sehr systematisch guckt, was könnte denn diese neuen Zielgruppen, die wir jetzt noch nicht haben, interessieren an unseren Programmen. In Großbritannien, wo Audience Development sehr stark auch politisch verantwortet ist, zeigt sich allerdings, dass es nicht ausreicht, jetzt nur an den ganzen Rahmenbedingungen herumzuschrauben und zu denken, dann wird es schon netter für die Leute, dann kommen die, sondern dass Kultureinrichtungen tatsächlich noch einen Schritt weitergehen müssen. Sie müssen sich auch verändern in ihrer Programmatik, also in ihren Inhalten, die sie da verhandeln, damit sie wirklich relevant werden für ein anderes Publikum.
Novy: Wie kann Oper Inhalte verhandeln? Inszenierungen, die progressiv oder spektakulär sind, gibt es ja genug.
Mandel: Ja, ich glaube, es geht wirklich darum zu gucken, was sind Themen, die Leute eigentlich berühren. Da glaube ich beispielsweise – ich nenne jetzt auch wirklich direkt mal eine Einrichtung, die ich da ganz gut finde: Ich bin totaler Fan der Neuköllner Oper und kann bei dieser Neuköllner Oper sehen, dass sie tatsächlich auch ein neues, anderes Publikum, auch aus der direkten Nachbarschaft im Stadtteil Berlin-Neukölln zieht, und zwar einfach deswegen, weil die überhaupt keine vorhandenen Opern irgendwie versuchen ein bisschen umzugestalten, damit sie etwas progressiver werden, sondern weil die tatsächlich ganz neue Opernstoffe entwickeln.
Novy: Und obwohl das zeitgenössische Musik ist, fasziniert es die Leute?
Mandel: Es fasziniert die Leute, weil sie häufig auch in die Entwicklung selber eingebunden sind, weil Leute aus der Nachbarschaft befragt werden nach Ansichten, weil sie quasi Stoffe selbst mitgestalten. Und ich glaube, das ist was ganz Wesentliches beziehungsweise das haben auch Ergebnisse aus den Audience-Development-Programmen in Großbritannien gezeigt, dass natürlich dann, wenn man die Leute aktiv versucht einzubeziehen, man selbstverständlich näher an ihnen dran ist.
Novy: Sind mit die Leute auch Migranten gemeint?
Mandel: Die Zielgruppe der Migranten ist, wie wir alle wissen, natürlich nicht eine Zielgruppe, sondern auch Migranten gehören den unterschiedlichsten Lebensstilgruppen und Milieus an. Und was man bislang weiß über Kulturnutzung von Menschen mit Migrationshintergrund, ist, dass sie sich eigentlich genauso viel interessieren für kulturelle Angebote, dass sie diese aber noch signifikant weniger nutzen als die deutsche Bevölkerung. Und das heißt also, dass es offensichtlich für sie noch weiter weg ist, dass sie noch mehr das Gefühl haben, diese Einrichtungen, die passen überhaupt nicht zu mir, die passen nicht zu meinem Leben, da fühle ich mich unwohl, da gehöre ich nicht hin, keiner meiner Freunde und Bekannten geht da hin. Das sind alles so Barrieren, die von Nicht-Kulturnutzern insgesamt genannt werden, und da sind diese offensichtlich noch signifikanter.
Novy: Und da sind aber diese Strategien der Einbindung auch erfolgreich gewesen?
Mandel: In Großbritannien ja, weil natürlich nur dann, wenn ich zu Menschen sage, hei, was interessiert euch, was sind eure Themen, was können wir zusammen machen, nur dann werden diese Menschen sich ernst genommen fühlen und werden auch kommen erstmalig. Das ist natürlich wirklich nicht ganz einfach. Es gibt aber inzwischen schon einige Best-Practice-Beispiele, wo man tatsächlich dann ... Also ich nenne mal ein Beispiel wiederum aus Berlin – im HAU, Hebbel am Ufer, ein sehr avantgardistisches Theater, was prinzipiell auch nur eine sehr kleine Gruppe der Gesellschaft anspricht –, da hat man dann einfach gesagt, was könnte die türkischen Jugendlichen hier in unserer Nachbarschaft eigentlich interessieren, und hat sich mit ein paar unterhalten und herausgefunden, dass es da einen Rapper gibt, der total angesagt ist in der türkischen Jugendszenerie, und den hat man dann eingeladen. Und interessanterweise über diesen Rapper hat man tatsächlich diese Zielgruppe, die sonst einen großen Bogen ums HAU machte, auch erreicht und eingebunden. Und da sind wir dann natürlich wieder auch bei den Projekten kultureller Bildung, die ich für ganz wesentlich halte, für jedes Audience Development.
Da helfen auch keine zwölf Tenöre auf Galatournee. Einmal Rockmusik, immer Rockmusik. Das sieht man ja auch an den vielen Kreisen und Formationen – für wen werden die wohl spielen. Da heißt es, und da sind wir hier mit unserer Kultursendung auch dran interessiert, da heißt es jetzt handeln, um in Zukunft die Museen und Theater vollzukriegen, zum Beispiel.
Eine von denen, die nach Handlungsmöglichkeiten suchen, ist Birgit Mandel, Professorin für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim. Ihr Stichwort heißt Audience Development, wir übersetzen das jetzt mal mit "Publikumsmanagement". Was heißt das?
Birgit Mandel: Ja, es ist eine Methode oder sagen wir besser, es ist eine Strategie. Das Audience Development wurde maßgeblich entwickelt in Großbritannien, aber auch in den USA schon seit vielen Jahren wird es angewendet. Was das Besondere am Audience Development ist, ist, dass es Methoden quasi und Strategien des Marketings und der Public Relations kombiniert mit Methoden der Kulturbesucherforschung und der direkten Kulturvermittlung. Beim Audience Development geht es darum, bewusst sich um ein neues anderes Publikum zu bemühen, indem man sehr systematisch guckt, was könnte denn diese neuen Zielgruppen, die wir jetzt noch nicht haben, interessieren an unseren Programmen. In Großbritannien, wo Audience Development sehr stark auch politisch verantwortet ist, zeigt sich allerdings, dass es nicht ausreicht, jetzt nur an den ganzen Rahmenbedingungen herumzuschrauben und zu denken, dann wird es schon netter für die Leute, dann kommen die, sondern dass Kultureinrichtungen tatsächlich noch einen Schritt weitergehen müssen. Sie müssen sich auch verändern in ihrer Programmatik, also in ihren Inhalten, die sie da verhandeln, damit sie wirklich relevant werden für ein anderes Publikum.
Novy: Wie kann Oper Inhalte verhandeln? Inszenierungen, die progressiv oder spektakulär sind, gibt es ja genug.
Mandel: Ja, ich glaube, es geht wirklich darum zu gucken, was sind Themen, die Leute eigentlich berühren. Da glaube ich beispielsweise – ich nenne jetzt auch wirklich direkt mal eine Einrichtung, die ich da ganz gut finde: Ich bin totaler Fan der Neuköllner Oper und kann bei dieser Neuköllner Oper sehen, dass sie tatsächlich auch ein neues, anderes Publikum, auch aus der direkten Nachbarschaft im Stadtteil Berlin-Neukölln zieht, und zwar einfach deswegen, weil die überhaupt keine vorhandenen Opern irgendwie versuchen ein bisschen umzugestalten, damit sie etwas progressiver werden, sondern weil die tatsächlich ganz neue Opernstoffe entwickeln.
Novy: Und obwohl das zeitgenössische Musik ist, fasziniert es die Leute?
Mandel: Es fasziniert die Leute, weil sie häufig auch in die Entwicklung selber eingebunden sind, weil Leute aus der Nachbarschaft befragt werden nach Ansichten, weil sie quasi Stoffe selbst mitgestalten. Und ich glaube, das ist was ganz Wesentliches beziehungsweise das haben auch Ergebnisse aus den Audience-Development-Programmen in Großbritannien gezeigt, dass natürlich dann, wenn man die Leute aktiv versucht einzubeziehen, man selbstverständlich näher an ihnen dran ist.
Novy: Sind mit die Leute auch Migranten gemeint?
Mandel: Die Zielgruppe der Migranten ist, wie wir alle wissen, natürlich nicht eine Zielgruppe, sondern auch Migranten gehören den unterschiedlichsten Lebensstilgruppen und Milieus an. Und was man bislang weiß über Kulturnutzung von Menschen mit Migrationshintergrund, ist, dass sie sich eigentlich genauso viel interessieren für kulturelle Angebote, dass sie diese aber noch signifikant weniger nutzen als die deutsche Bevölkerung. Und das heißt also, dass es offensichtlich für sie noch weiter weg ist, dass sie noch mehr das Gefühl haben, diese Einrichtungen, die passen überhaupt nicht zu mir, die passen nicht zu meinem Leben, da fühle ich mich unwohl, da gehöre ich nicht hin, keiner meiner Freunde und Bekannten geht da hin. Das sind alles so Barrieren, die von Nicht-Kulturnutzern insgesamt genannt werden, und da sind diese offensichtlich noch signifikanter.
Novy: Und da sind aber diese Strategien der Einbindung auch erfolgreich gewesen?
Mandel: In Großbritannien ja, weil natürlich nur dann, wenn ich zu Menschen sage, hei, was interessiert euch, was sind eure Themen, was können wir zusammen machen, nur dann werden diese Menschen sich ernst genommen fühlen und werden auch kommen erstmalig. Das ist natürlich wirklich nicht ganz einfach. Es gibt aber inzwischen schon einige Best-Practice-Beispiele, wo man tatsächlich dann ... Also ich nenne mal ein Beispiel wiederum aus Berlin – im HAU, Hebbel am Ufer, ein sehr avantgardistisches Theater, was prinzipiell auch nur eine sehr kleine Gruppe der Gesellschaft anspricht –, da hat man dann einfach gesagt, was könnte die türkischen Jugendlichen hier in unserer Nachbarschaft eigentlich interessieren, und hat sich mit ein paar unterhalten und herausgefunden, dass es da einen Rapper gibt, der total angesagt ist in der türkischen Jugendszenerie, und den hat man dann eingeladen. Und interessanterweise über diesen Rapper hat man tatsächlich diese Zielgruppe, die sonst einen großen Bogen ums HAU machte, auch erreicht und eingebunden. Und da sind wir dann natürlich wieder auch bei den Projekten kultureller Bildung, die ich für ganz wesentlich halte, für jedes Audience Development.