"Man würde das Auswerteprogramm öffnen und die Sachbearbeiter ziehen sich dann die Datencontainer, die angeliefert wurden, in dieses Programm rein. Dann würde der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter diese Bilder beurteilen. Und alle Bilder, die kinderpornografisch sind oder aus anderen Gründen beweiserheblich, kann er dann entsprechend markieren. Und dann hat er zum Schluss den gesamten kinderpornografischen Datenbestand."
Was Judith Dobbrow beschreibt, ist die Routine der Kinderpornografie-Ermittlungen. Die schlanke Frau mit langem braunem Pferdeschwanz leitet das Kommissariat 131 im Landeskriminalamt Berlin, zuständig für den dokumentierten sexuellen Missbrauch. Ab morgen berät der Bundestag über Verschärfungen des Sexualstrafrechts. Was in dem Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, steht, betrifft auch Judith Dobbrows Arbeit. Seit siebzehn Jahren beurteilt sie, was bei Hausdurchsuchungen im Bücherschrank Verdächtiger gefunden wurde, was an Papierfotos, vor allem aber an digitalem Material, Datensticks oder Festplatten.
Die Datenmengen, sagt sie, sind in der Zeit rasant gewachsen. Um die 200.000 Bilder mögen sich auf einer durchschnittlichen Computer-Festplatte finden, wie sie sie bekommt, vom Urlaubsfoto über allgemeine Pornografie bis zu dem, was sie sucht: kinderpornografische Aufnahmen.
"Wir haben Ermittlungsverfahren, da finden wir vielleicht zehn Stück. Und wir haben Ermittlungsverfahren, da gehen wir dann schon in die Zehntausende."
Es sind Datenmengen, derer die Polizei nicht mehr Herr wird. Die Kommissariatsleiterin versucht nicht, das zu beschönigen.
"Wir sind einfach nicht mehr in der Lage uns wirklich alle Daten, die wir sehen könnten, inhaltlich ganz ausführlich anzugucken. Das ist aber der Sache geschuldet, dass einfach die Auswertemasse immer größer wird und dass die Anzahl der Verfahren gehandeld werden muss. Sodass man leider nicht mehr jedes Verfahren bis ins Kleinste ausermitteln kann."
Judith Dobbrow hört die Frage nicht gern, wie sehr sie die schrecklichen Bilder belasten. Sie weiß, dass es sinnvoll ist, was sie tut, sagt sie. Deshalb kommt sie damit zurecht. Allerdings: Dass nicht in jedem Fall sorgfältig ausermittelt werden kann, damit ist sie hörbar unzufrieden. Denn:
"Dazu muss man dann bedenken, dass ja eigentlich jedes kinderpornografische Bild, was ich irgendwie sehe, ja tatsächlich einen Missbrauch darstellt und es auch immer die Chance geben kann, wenn das Bild noch nicht bekannt ist, dass man über andere Ermittlungen oder über das Zusammenführen von Bildern, Serien, Videoserien den Tatverdächtigen, also den Missbraucher, ermitteln kann und auch eben den Missbrauch beenden könnte, der irgendwo passiert. Das sollte eigentlich das eigentliche Ziel der Bearbeitung dieser ganzen Kinderpornografie-Vorgänge sein – oder ein wichtiges Ziel."
Unter Parlamentariern spricht man von der "Lex Edathy"
Und dazu komme es meist nicht. Die resolute Frau will nicht über Personalmangel klagen. Gerade die technische Ausstattung sei gut, lobt sie. Trotzdem: Anders als in manchen anderen Bundesländern durchforstet die Polizei in Berlin nicht von sich aus das Internet. Sie wartet auf Hinweise aus der Bevölkerung oder von Kollegen, sei es in anderen Ländern oder im Bundeskriminalamt.
Und ebenso wie in allen anderen Bundesländern, ebenso wie im Bundeskriminalamt auch, kommen in den meisten Fällen die Kollegen von der Technik nicht hinterher, wenn bei Hausdurchsuchungen Festplatten beschlagnahmt werden.
"Es ist so, dass die Sachen zuerst von uns zur Kriminaltechnik gehen, die müssen die Daten für uns aufbereiten. Und aufgrund des Rückstaus, der da besteht, kann man sagen: Im Schnitt braucht es zwei Jahre, bis wir dann die Daten bekommen und wir dann die Daten noch mal auswerten können."
Mindestens für die 26 Berliner Kriminaltechniker dürfte es demnächst noch deutlich mehr zu tun geben. Denn der Gesetzentwurf, der morgen dem Bundestag vorliegt, sieht verschiedene Verschärfungen des Sexualstrafrechts vor. Ein Teil davon ist mit dem Namen Sebastian Edathy verbunden. Manche sprechen gar von der "Lex Edathy".
Rückblende. Im Februar dieses Jahres wurde bekannt, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen kanadischen Vertreiber kinderpornografischer Bilder aufgetaucht war. Als immer mehr Details an die Öffentlichkeit kamen, gab der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, am 14. Februar eine Pressekonferenz. Er bestätigte die Ermittlungen gegen Edathy, der inzwischen sein Bundestagsmandat niedergelegt hatte. Die Filme, die Edathy nach Erkenntnissen der Ermittler im Internet bestellt hatte, beschrieb der Leitende Oberstaatsanwalt so:
"Es handelt sich um nackte Knaben, die vermeintlich in natürlichen Lebensposen toben, spielen, in natürlichen Posen sitzen irgendwo, sich darstellen. Alles aber letztendlich auch mit Bezug zu den Genitalien."
Jörg Fröhlich sprach in der Pressekonferenz von einem Graubereich und einer schwierigen strafrechtlichen Bewertung.
"Wir halten uns da zur Zeit ein bisschen bedeckt und gehen eher restriktiv davon aus, dass hier die Strafbarkeitsschwelle noch knapp unterschritten ist, haben uns aber gleichwohl zu Ermittlungen entschlossen."
Andere sahen es anders: Was die Filme zeigten, sei ganz eindeutig nicht strafbar, so die ganz überwiegende Ansicht. Und so ging die Kontroverse eher darum, ob die Staatsanwaltschaft wegen des bloßen Verdachts, es könnten sich noch andere Bilder finden, ermitteln durfte - obwohl es doch nur legales Verhalten des Politikers gab, um den Verdacht zu begründen.
Gesetzesreform regelt Verjährungsfristen und führt Vorgaben aus internationalen Vorgaben aus
Auch Sebastian Edathy selbst stellte die Frage – unter anderem den Verfassungsrichtern in Karlsruhe. Und die beendeten die Diskussion Ende August: Sie wiesen Edathys Verfassungsbeschwerde zurück. Die Staatsanwälte hätten die kriminalistische Erfahrung zugrunde legen dürfen, dass derjenige, der solche Bilder bei einem solchen Anbieter bestellt, nicht von vornherein sicher sagen kann, ob die Grenze der Legalität eingehalten wird. Und dass sich auch noch anderes bei ihm finden könne.
So erbittert diese Diskussion geführt wurde – für den Gesetzgeber stellte sich eher eine andere Frage – die, ob der Fall Edathy nicht eine Gesetzeslücke aufgezeigt habe. Der Tübinger Rechtswissenschaftler Joachim Renzikowski ist einer der wenigen Experten für Sexualstrafrecht in Deutschland. Was derzeit strafbar ist, sei nicht immer eindeutig, sagt er.
"Harte Kinderpornografie ist die Darstellung von sexuellem Kindesmissbrauch und das ist eigentlich relativ einfach zu beantworten. Sehr schwierig sind die Bilder, die sogenannten Posing-Bilder, die nur Posen und Haltungen von Kindern darstellen. Da habe ich einen wirklichen Graubereich: Ab wann ist die Abbildung eines nackten Kindes schon pornografisch und ab wann noch nicht?"
Wenige Tage nach der Pressekonferenz der Staatsanwälte in Hannover sagte in Berlin Bundesjustizminister Heiko Maas, in dem Moment noch SPD-Parteifreund Edathys:
"Ich halte es grundsätzlich für schwierig, bei konkreten Taten gleich nach Strafverschärfungen zu rufen. Und ich glaube, niemand hat etwas davon, wenn wir in einen Bereich vorstoßen, in dem schon das reine Fotografieren von Kindern im Urlaub am Strand in die Nähe des Strafrechts gebracht wird. Es gibt allerdings einen Fall, bei dem wir uns entschlossen haben, die Erweiterung des Strafrechts zu prüfen: Das ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Bildern mit nackten Kindern in sexueller Pose."
Seitdem hat Maas seine Meinung offenbar geändert. Sein Entwurf geht weit darüber hinaus. Nicht alles, was darin steht, hat mit dem Fall Edathy zu tun. Vielmehr waren in den vergangenen Jahren ganz unterschiedliche Fragen aufgetaucht, von Verjährungsfristen bis zu der Frage, wann sich ein Lehrer strafbar macht, der mit einer minderjährigen Schülerin schläft. Internationale Verträge waren umzusetzen. Verschiedene Änderungen sah schon der Koalitionsvertrag vor. Was das sogenannte Posing betrifft, geht es eher um eine Klarstellung. Bei diesen Bildern zeigen sich Kinder in – was immer das im Einzelfall heißt – sexuell aufreizenden Posen. Aber, so der Strafrechtsexperte Renzikowski:
"Das Problem ist, dass ich im Augenblick eine sexuelle Handlung brauche. Das heißt also, wenn ich das Kind nackt schlafend abbilde – und eine solche Situation kann man ja leicht manipulieren – dann ist das keine Handlung. Jetzt bestraft werden soll also die sexualisierte Darstellung als Solches und es kommt auf eine Handlung nicht mehr an."
Bis zu zwei Jahre Haft für Fotografen von fremden nackten Kindern
Wie groß das Bedürfnis nach solchen Klarstellungen ist, ist offen. Die Polizeipraktikerin Judith Dobbrow leidet in ihrem Arbeitsalltag nicht an Schwierigkeiten, Strafbares von Legalem abzugrenzen.
"Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen harsch. Aber in den meisten Fällen, die wir zu beurteilen haben, sehe ich tatsächlich einen sexuellen Missbrauch eines Kindes. Der Großteil der Kinderpornografie, die im Netz unterwegs ist, zeigt tatsächlich richtige Missbrauchsbilder. Zumindest bei den Verfahren, die wir hier in den letzten Jahren bearbeitet haben, hat sich diese Frage gar nicht so oft gestellt."
Dazu kommt: selbst wenn es im Einzelfall Schwierigkeiten geben sollte, ein einzelnes Bild einzuordnen, kommt es darauf unter dem Strich nicht an, sagt die Praktikerin. Natürlich sähen sich die Ermittler jedes Foto an, das auf dem Rechner gespeichert sei, natürlich müssten sie unterscheiden, was davon legal sei und was nicht. Aber wo sich die eine Art der Bilder finde, da finde sich auch die andere.
"Sodass wir jetzt nicht anfangen müssen, bei einzelnen Bildchen nachzuweisen: das könnte jetzt vielleicht doch noch in die Richtung Kinderpornografie gehen oder nicht. Weil im Grunde genommen bei fast allen Verfahren genug anderes Material vorhanden ist."
Die wesentliche Verschärfung aber ist eine andere. In der vergangenen Woche verabschiedete das Bundeskabinett den Gesetzentwurf. Und Justizminister Maas sagte in einem Interview:
"Wir gehen jetzt einen Schritt weiter und sagen, dass auch Nacktbilder generell, insbesondere von Kindern, wenn sie unbefugt gemacht werden und verbreitet werden, in Zukunft strafrechtlich geahndet werden. Es handelt sich dann um unbefugte Aufnahmen. Das heißt, Bilder, die gegen den Willen von Kindern oder ohne das Einverständnis der Erziehungsberechtigten gemacht worden sind. Und wir haben festgestellt, dass es einen Markt gibt, der in den letzten Jahren entstanden ist, dass solche Bilder, die nicht als Kinderpornografie klassifiziert werden, trotzdem in Pädophilennetzwerken vertrieben werden, und dem wollen wir Einhalt gebieten."
Bis zu zwei Jahre Haft drohen demnach demjenigen, der solche Bilder auch nur macht, selbst wenn er nicht vorhat, sie zu verkaufen oder auch nur auf die eigene Facebook-Seite zu stellen. Das geht sehr viel weiter als die noch im Februar erwogene Strafbarkeit des gewerbsmäßigen Handels. Am Rande des Deutschen Juristentags in Hannover war es vor einigen Tagen dieser Passus, der für Aufregung sorgte. Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Wolfgang Ewer wies darauf hin, was der neue Paragraf 201a des Strafgesetzbuches bedeuten könnte:
"Ich glaube, dass das Fotografieren von Kindern, die auf einem Kindergeburtstag nackt im Garten in einem Rasensprenger sich abkühlen, nicht einmal sittlich zu missbilligen ist. Wenn ein solches Verhalten künftig unter Strafe gestellt wird, dann droht etwas bestraft zu werden, was selbst nicht strafwürdig ist. Und das geschieht allein deshalb, weil man sagt, es bestünde ja die Möglichkeit, dass dies den Einstieg zu einem ganz anderen Verhalten, nämlich zur Verbreitung Kinderpornografischer Fotografien darstellt."
Ehemaliger Generalbundesanwalt kritisiert den Gesetzentwurf
Ewer sprach für seinen Verband, als er die neue Norm ablehnte: Die Strafbarkeit werde hier in unzumutbarer Form vorverlagert. Der Entwurf verstoße gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, das Prinzip also, dass Strafrecht immer nur als letztes Mittel zur Anwendung kommen dürfe. Das Beispiel des Kindergeburtstages ist dabei kein mühsam konstruierter Sonderfall. Im Justizministerium hat man offenbar durchaus auch solche Bilder im Visier. Strafbar wäre also – trotz der Beteuerungen des Justizministers vom Februar – auch das Urlaubs-Strandfoto. Dann nämlich, wenn außer dem eigenen Kind noch ein Spielkamerad unbekleidet an der Sandburg mitbaut, und dessen Eltern ihr Einverständnis nicht erklärt haben. Für den Dortmunder Rechtsanwalt Wilhelm Krekeler schießt der Gesetzentwurf damit über das Ziel hinaus.
"Ich glaube, dass hier etwas unter Strafe gestellt wird, was insgesamt gesellschaftlich nicht unbedingt geächtet ist. Denn es gibt durchaus Menschen, die solche Bilder betrachten, ohne dass sie auch dadurch gleich sich so sexuell erregen, dass man meint, dass dadurch ein Missbrauch des Kinderbildes erfolgt."
Krekeler spricht von moralisierenden, irrationalen Erwägungen hinter dem Gesetzentwurf. Zu den wenigen, die in den Diskussionen in Hannover den Ansatz verteidigten, gehört Dagmar Freudenberg, die Vorsitzende der Strafrechts-Kommission des Deutschen Juristinnenbundes.
"Ich denke, man kann und muss als Eltern und auch als jemand, der die Verantwortung für andere – Nachbarskinder, Freundeskinder – übernimmt, sich vorher versichern, ob jemand anderes einverstanden ist, dass Fotos gefertigt werden. Denn wir haben ja durchaus auch in dem Bereich Menschen, die dazu neigen könnten, Bilder herzustellen, die sie dann verkaufen oder verbreiten. Und das muss ausgeschlossen bleiben, sonst ist der Schutz lückenhaft."
Zu den Kritikern dagegen gehört auch der ehemalige deutsche Chefankläger, Generalbundesanwalt Kay Nehm. Er allerdings stellt nicht nur auf die Strafbarkeit von Alltagsverhalten ab. Er hinterfragt stattdessen die kriminalpolitische Richtung insgesamt:
"Die Problematik ist natürlich sehr viel tiefer. Man darf nicht immer nur vom Fall Edathy ausgehen, sondern man muss auch auf die Gründe gehen, warum Menschen das angucken. Und es ist ja allgemeine Erkenntnis, dass man Menschen, die diese Neigung haben, nicht heilen kann. Also man kann nur dafür sorgen, dass die Anreize entfallen und dass möglichst der Schritt dann zum Übergriff nicht stattfinden wird. Und wenn ich jetzt Bilder anfertige in der Familie, weil spielende Kinder sich ausziehen, was sie ja bekanntermaßen gerne machen, dann ist ja nicht das Problem, dass die Bilder angefertigt werden, in der Familie ins Album geklebt werden, sondern wenn sie in dritte Hände geraten. Und ich habe Zweifel, ob man das dann in diesem Gesetzespaket so fassen kann, wie der Gesetzgeber sich das vorstellt."
An sich könne es darum auch gar nicht gehen, ärgert sich der Rechtswissenschaftler Renzikowski. Die vom Bundesjustizminister zitierten Pädophilenkreise, in denen solche Bilder gehandelt würden, seien kein Grund, die Bilder selbst unter Strafe zu stellen.
"Niemand kann verhindern, dass jemand sich mit den Unterwäschebildern vom Otto-Katalog aufs Klo verzieht und sich dann selbst befriedigt. Und selbstverständlich haben die Unterwäsche-Models nicht darin eingewilligt, aber ihre Rechte insofern sind nicht betroffen, weil das reines Kopfkino ist. Das hat alles mit sexueller Selbstbestimmung überhaupt nichts mehr zu tun. Das ist die Bestrafung von Unmoral und das Wittern von Schmutz und Unrat hinter jeder Ecke. Das ist eines liberalen Rechtsstaates nicht würdig."
Diskussion über die Grenzen zwischen Pressefreiheit und dem Recht am eigenen Bild
Worum es gehe bei dieser Vorschrift, das sei an sich etwas ganz anderes: Das Recht am eigenen Bild, und das sei schon jetzt nach dem Kunst-Urheber-Gesetz geschützt. Egal ob bekleidet oder nicht, egal ob Kind oder Erwachsener – niemand müsse hinnehmen, gegen seinen Willen fotografiert zu werden. Und tatsächlich spricht auch dieser Entwurf nicht von Kinderbildern, sondern von Nacktbildern allgemein.
"Ich würde sagen, der Gesetzentwurf geht deshalb zu weit, weil er schon die Herstellung solcher Bilder unter Strafe stellt und damit Verhaltensweisen, wo ich sagen würde: Das kann man auch zivilrechtlich regeln. Was das Problem ist aus meiner Sicht ist die Verbreitung, die dann häufig unkontrolliert ist. Und wenn ein Bild erst mal im Netz steht, dann kann ich es ja praktisch nicht mehr zurückholen. Und da würde ich sagen: Das ist dann eher strafwürdig."
Eine weitere Regelung, im gleichen Paragrafen 201 a wie das Nacktfoto-Verbot, dürfte in der Praxis noch deutlich öfter angewendet werden. Ebenso wie der Fotograf oder Vertreiber der Nacktbilder soll nämlich bestraft werden, wer Bilder schießt, die geeignet sind, "dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden". Was hier unter Strafe gestellt werden soll, ist tatsächlich massenhafter Alltag – durchaus auch gefährlicher. Das sogenannte Cybermobbing nimmt zu, am meisten unter Jugendlichen – ein ernstes Problem.
"Ich möchte mich auch nicht in desolatem Zustand als Oktoberfestbesucher irgendwo abgebildet sehen."
Sagt Joachim Renzikowski. Allerdings: Journalistenverbände kritisieren, die Vorschrift im Entwurf gehe viel zu weit. Der Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes Hendrik Zörner fürchtet um die Pressefreiheit. Denn: Was heißt erheblich schaden?
"Wir befürchten, dass insbesondere Prominente in Zukunft die Gerichte bestürmen werden unter Berufung auf diese Formulierung des erheblichen Schadens, wenn sie sich in einem Foto nicht so wiedergegeben sehen, wie sie es gerne hätten."
Auch Joachim Renzikowski fordert konkretere Regeln. Immerhin stehe im Kunst-Urheber-Gesetz jetzt schon das Ergebnis recht genauer Abwägungen mit Presse- und Meinungsfreiheit und all den anderen Rechtfertigungen für Fotos und deren Veröffentlichung - während der neue Entwurf lapidar von "unbefugten" Aufnahmen spricht. Stattdessen hätte sich der Gesetzgeber auf die schon bestehenden Regeln beziehen sollen.
"Damit man weiß, was man darf und was man nicht darf. Also ich darf vielleicht als Privater meinen kotzenden Nachbarn nicht fotografieren und ins Netz stellen. Aber wenn das irgendein hoher Politiker ist, mag es durchaus ein Interesse geben, zu zeigen, dass er nicht an sich halten kann."
Der Gesetzentwurf regelt noch viel mehr. Er erweitert die Strafbarkeit des sogenannten Cybergroomings, des Heranpirschens an Minderjährige im Internet, er verlängert strafrechtliche Verjährungsfristen, wie es der runde Tisch gegen Kindesmissbrauch in der vergangenen Legislaturperiode gefordert hat und vieles mehr. Joachim Renzikowski hat gewisses Verständnis dafür, dass sein Fachgebiet zu den Bereichen im Strafgesetzbuch zählt, die am häufigsten geändert werden. Denn vieles werde von außen – von der Europäischen Union, vom Europarat zum Beispiel - an den Gesetzgeber herangetragen.
"Den Vorwurf, den ich eigentlich dem Gesetzgeber mache ist, dass er immer nur punktuell auf bestimmte öffentliche Ärgernisse reagiert – siehe jetzt also den Fall Edathy, der sich bis in die Gesetzesbegründung niederschlägt. Statt dass er mal hergeht und sagt: Wir müssen uns Gedanken machen, in welchem System wir die sexuelle Selbstbestimmung von Personen richtig schützen und die Strafvorschriften dann auch aufeinander abstimmen. Punktuelle Regeln erinnern immer so an Patchwork, an Flickenteppich. Und das ist eigentlich keine gute Gesetzgebung."