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Neurowissenschaft
Stress vermindert die Denkleistung im Alter

Forscher am Münchner Helmholtz-Zentrum haben sich in einer Untersuchung der geistigen Gebrechlichkeit im Alter gewidmet und eine entscheidende Ursache ausgemacht: Stress. Je mehr davon unser Körper im Laufe des Lebens erfährt, desto schlechter sind unsere kognitiven Leistungen im Alter.

Von Thekla Jahn |
    Die Hand einer Seniorin
    Ein Zuviel an Kortisol im Blut schädigt langfristig das Gehirn und dämpft allgemein die geistige Aktivität. (dpa / picture alliance / Daniel Reinhardt)
    Die Dosis macht das Gift. Bei zu viel Stress ist es ein körpereigenes Hormon, das Kortisol, das toxisch wirkt. Dabei ist Kortisol eigentlich ein Helfer. Es mobilisiert Energie und wehrt Stressspitzen ab:
    "Es ist grundsätzlich so, dass Menschen, wenn sie gesund sind, sehr früh morgens - bereits eine halbe Stunde bevor sie wach werden - geht der Kortisolspiegel langsam hoch und stellt sich auf Aktivität ein und hilft dem Körper, mit den Anforderungen des Tages zurechtzukommen. Im Laufe des Tages nimmt dieser Kortisolspiegel deutlich ab und erreicht seinen Tiefpunkt spät abends. Late Night Kortisol nennen wir das – hört sich an wie ein Blues."
    Und hat in gewisser Weise ja auch etwas davon: Wir relaxen vom Tag. Bei manchen Menschen nun ist der von der Natur gewollte Wechsel zwischen hohem und niedrigem Kortisolspiegel nicht mehr vorhanden:
    "Sie funktionieren, wenn man so will, wie ein Metronom, dass gleichmäßig Takt, also gleichmäßig Kortisol abgibt, aber nicht mehr dynamisch auf Anforderungen reagieren kann."
    Professor Karl-Heinz Ladwig hat mit seiner Arbeitsgruppe Mental Health am Münchner Helmholtz-Zentrum bei über 700 gesunden alten Menschen die morgendlichen und abendlichen Kortisolspiegel überprüft und gleichzeitig die geistige Leistungsfähigkeit. Und siehe da: Je weniger sich der Kortisolspiegel im Tagesverlauf veränderte, umso größer war bei den Betroffenen die kognitive Einschränkung bis hin zu einer beginnenden Demenz.
    "Es ist denkbar, dass wir jetzt im Alter gewissermaßen den ausgebrannten Zustand sehen können ... Das ist sozusagen der Endstatus einer erschöpften Stressreaktion, in der sich zeigt, dass der Körper nicht mehr so reagieren kann, wie er müsste."
    Anhaltender Stress überfordert den Körper auf Dauer
    Die Ursache: länger anhaltender Stress im mittleren Lebensalter. Während dieser Zeit schüttet der Mensch immer und immer wieder extrem viel Kortisol aus. Doch die Rezeptoren, welche das Hormon in die Körperzellen transportieren sollen, sind damit auf Dauer überfordert.
    "Also dieser Teufelskreis - immer mehr produzieren und immer weniger Funktion an den Zellen haben - führt dazu, dass das allgemeine Niveau dieses Hormons steigt und dass die Gefahr besteht, dass das Hormon neurotoxisch wirkt."
    Ein Zuviel an Kortisol im Blut schädigt langfristig im Gehirn Gedächtnisbereiche wie den Hippocampus, die Amygdala, den präfrontalen Kortex. Und es dämpft allgemein die geistige Aktivität.
    "Schon länger wird diskutiert, ob Kortisol und eine verminderte Denkleistung zusammenhängen. Nicht alle epidemiologischen Studien kamen zu gleichen Ergebnissen, aber unsere Untersuchung zeigt jetzt eindeutig: Es gibt einen Zusammenhang zwischen einem gleichbleibenden Kortisolspiegel am Tag und eingeschränkter Denkleistung. Unsere Studie beweist diese Theorie."
    Die Theorie einer erschlafften Stressreaktion des Körpers, so Hamimatunissa Johar vom Münchner Helmholtz Zentrum. Allerdings:
    "... sind Frauen in gewisser Weise gesünder, indem sie eher extrovertiert und auch in der Stressverarbeitung anders reagieren, insgesamt abgeschwächter reagieren. Und eigenartigerweise - als Mann muss ich sagen leider - dass Frauen in unserer Studie in jedem Fall höhere Kognitionsleistungen gebracht haben als Männer durch die Bank in jeder Altersgruppe."
    Und die reichten bei der Studie vom 65. bis zum 94. Lebensjahr. Ob es allerdings nur daran liegt, dass Frauen Stress eher äußern und sich ihm entziehen, als Männer, oder ob es nicht an der untersuchten Generation liegt, in der viele Frauen noch nicht einem stressigen Berufsalltag ausgesetzt waren, lässt sich nicht eindeutig sagen.