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Nicht nur Gorleben als Standort

Die neue baden-württembergische Landesregierung will laut Koalitionsvertrag die Festlegung auf Gorleben als einziges mögliches Endlager für radioaktiven Atommüll aufgeben. Wird die Suche nach einem deutschen Endlager nun neu eröffnet?

Von Michael Brandt | 27.04.2011
    Bereits am Ostermontag hatte sich der künftige baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen fast in einem Nebensatz zum Thema Atommüll-Endlager geäußert, und zwar so:

    "Wir bringen keinerlei Endlagerstandorte ins Gespräch. Das ist völlig unangemessen und würde den Prozess nur behindern. Es geht erst mal darum, dass bei der Endlagersuche überall gesucht werden darf, wo geeignete Gesteinsformationen festgestellt werden. Darum geht es erst mal."

    In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" war dann die gleiche Aussage noch einmal zu lesen, allerdings deutlich zugespitzt. Nun hieß es: Alles, was geeignet ist für atomare Endlager, muss untersucht werden, da ist niemand ausgenommen. Das war dann doch so etwas wie ein Tabubruch. Nachdem die baden-württembergische Noch-Umweltministerin Tanja Gönner, CDU, sich bei diesem Thema bislang sehr zurückhaltend gegeben hatte. Es sei zwar richtig, so Gönner vor einigen Wochen, dass es auch in Baden-Württemberg Gesteinsformationen gebe, die möglicherweise geeignet sein könnten, allerdings sehe sie das Bundesland im Südwesten weit hinten, was die Möglichkeit angehe, Atommüll dauerhaft zu lagern. Kretschmann hatte der Aussage bereits am Montag hinzugefügt, was auch in dem Zeitungsinterview zu lesen war, dass er nämlich der Meinung sei,

    "dass sich ein Endlager, bevor nicht alle Atommeiler stillstehen und der Ausstieg damit unverrückbar irreversibel – ich mir sowieso ganz schlecht vorstellen kann, dass wir irgendwo ein Endlager ausweisen können, solang nur noch ein Atomreaktor läuft in der Bundesrepublik Deutschland."

    Aber dann sei es offenbar doch vorstellbar. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet sogar, dass das Thema genau in dieser Verbindung – ergebnisoffene Suche bei Ausstieg – sogar in den Koalitionsvertrag kommt, der heute um zwölf Uhr vorgestellt werden soll. Die Reaktionen auf Kretschmanns Interviewäußerungen waren jedenfalls verwundert bis positiv. Die niedersächsische Grüne Rebecca Harms nannte den Vorstoß mutig und Profil bildend für die neue Landesregierung, der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, CDU, reagierte erfreut, und Wolfram König, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, sagte im Interview mit dem SWR:

    "Das, was für den Koalitionsvertrag jetzt offenbar in Aussicht steht, nämlich erstmals auch die Bereitschaft eines Bundeslandes, zu sagen: Wir stellen uns der Verantwortung, die wir mit dem Einstieg in die Atomenergienutzung gegangen sind, nämlich die Entsorgung auch der Abfälle sicherzustellen, wir als Bundesland sind grundsätzlich bereit, auch ein Suchverfahren bei uns durchzuführen, ist ein ganz wichtiges und starkes Signal."

    Die Suche nach einem möglichen Endlagerstandort, so König weiter, müsse entlang der geologischen Situation und nicht entlang der politischen Wünsche fortgesetzt werden. Grundsätzlich sind als Endlager Salzgesteine geeignet, Granitgesteine und Ton, der im Südwesten von Baden-Württemberg zu finden ist.

    "In Baden-Württemberg gibt es Tongesteine, die grundsätzlich geeignet sein könnten, aber wir sind weit davon entfernt, Standorte zu benennen, und ich glaube, das wäre auch das falsche Signal. Hier geht es nicht um Standorte, hier geht es um ein Suchverfahren, das bundesweit alle möglichen geologischen Bedingungen ins Auge fasst, die für eine Endlagerung infrage kommen. Das ist Salzgestein, das ist Granitgestein, und es ist eben auch Tongestein."

    Gleichwohl gilt auch für Baden-Württemberg das Ergebnis einer Umfrage, nach der 65 Prozent der Menschen gegen ein Atommüll-Endlager in ihrer Region sind.