"Nicola Porpora - Violin Sonatas"
Um die Alte Musik soll es heute gehen. Und es sind zwei völlig gegensätzliche Veröffentlichungen, auf die ich Sie heute morgen aufmerksam machen möchte: zum einen eine Doppel-CD mit dem sogenannten "Schwanengesang" von Heinrich Schütz, also den Psalmen 119 und 100, sowie dem "Deutschen Magnificat"; zum anderen eine überaus weltliche Produktion mit sechs der zwölf Violinsonaten, die Nicola Porpora 1754 veröffentlichte. * Musikbeispiel: Nicola Porpora - Presto aus: Sonate XI D-dur für Violine und b.c. Das war der 2. Satz, Presto, aus der Sonate Nr. 11 in D-dur. Nicola Porpora also als Komponist von Geigensonaten? Den Mann kennt man doch, wenn überhaupt, als Meister italienischen Gesangs und als Zuchtmeister des jungen Joseph Haydn, schließlich noch als Lehrer des genialischen Hasse. Gelebt hat er bis 1768 und war doch nur ein Jahr jünger als Bach. Porpora war durch und durch konservativ. Der galante Stil zeichnet sich bei ihm nur in Schemen ab. Seine Violinsonaten sind, rundheraus gesagt, Virtuosenstücke. Und so werden sie auf der neuen CD auch gespielt, die bei Dabringhaus und Grimm erschienen ist. Der Geiger Anton Steck und der Organist Christian Rieger haben sich dabei auf eine aparte Besetzung kapriziert: Geige und Pedalcembalo. Näher hätte sicher das Musizieren zu dreien gelegen, also mit Cembalo und Continuo-Cello. Tatsächlich sollte man ein Wort über die Verwendung des Pedalcembalo verlieren. Christian Rieger spielt den bezifferten Baß in der geläufigen Manier und verdoppelt mit dem Pedal - so weit möglich - den Baß der linken Hand. Das macht nicht unbedingt Sinn. So wie das Jogging ja auch in erster Linie der körperlichen Ertüchtigung dient und weniger dem Fortkommen des Menschen, so kommt das einfach nur hinzugefügte Cembalopedal dem Fortgang der Musik nicht unbedingt zugute. Rieger ist zweifelsohne gut zu Fuß und er beweist einigen Sportsgeist, denn so einfach ist es nicht, die unteren Extremitäten genau mit der linkeren oberen zu synchronisieren. Das Pedalcembalo wäre indes hervorragend geeignet, die gesamte Partitur en trio zu realisieren: Baß im Pedal, Harmonien in der linken Hand, Geigenpart in der rechten. So hätte man bei Dabringhaus und Grimm wenigstens Personal sparen können, zumal dies alte und bewährte Organistenpraxis wäre. Im Duo kann man, vor allem am zweimanualigen Cembalo, ohne jegliche läuferische Anstrengung den gleichen Effekt haben. Den dominierenden Part hat natürlich der Geiger Anton Steck. Er spielt die Sonaten mit dem richtigen Aplomb, frei weg nach Stehgeigermanier. Sie sind eben wirklich nur Virtuosenstücke. Die kompositorische Substanz ist unendlich dünn. Porpora schreibt sich von einer Durchgangsfloskel zur nächsten, spickt indes das Nichtssagende dermaßen mit Doppel- und Mehrfachgriffen und Trillern ohne Ende, dass ein Feuerwerk von geigerischen Effekten abgebrannt wird, dem man immerhin einige Aufmerksamkeit zu schenken bereit ist. An diesen Violinsonaten kann man erfahren, warum ernsthaftere Musiker entschieden gegen die Manieren italienischer Primadonnen eingenommen waren. Und hier möchte man auch das böse Wort von der Wirkung ohne Ursache angewendet wissen. Anton Steck schlägt sich indes wirklich bravourös. Manchmal greift er nicht so ganz genau, und dann kneift es ein bisschen im Ohr. Vor allem den scheinbar nebensächlichen Durchgangsnoten fehlt es gelegentlich an Nachdruck und entschiedenem Gestaltungswillen. Das aber macht nun einmal den wirklich großen Instrumentalisten aus, dass er auch dem Unwichtigen mit aller Energie nachsetzt. Anderseits dürften das Gleichmaß der Modulationen, die Häufigkeit der Schusterflecke, die ewigen Allgemeinplätze letzten Endes auch einen so fähigen Solisten wie Steck ermüdet haben. Manchmal überrascht Porpora übrigens doch dadurch, dass er das Potential der Geige außerordentlich kundig ausreizt. Zum Beispiel im einleitenden Sostenuto der Sonate Nr. 2 in G-dur mit anschließender Fuge, die schon konzertanten Zuschnitt hat. Aber auch bei dieser Fuge seufzt man auf halber Strecke: Ein Königreich für eine Idee. Arien indes konnte Porpora schreiben, wie die anschließende Aria Cantabile zeigt, wo man die neapolitanische Primadonna glaubt, mit Händen greifen zu können, obwohl Primadonnen selbstverständlich immer schon ungreifbar waren. * Musikbeispiel: Nicola Porpora - Sostenuto, u. Aria Cantabile aus: Sonate II G-dur für Violine und b.c. Soweit Anton Steck, Violine, und Christian Rieger, Pedalcembalo, mit der Sonate Nr. 2 von Nicola Porpora. Sechs Sonaten sind jetzt, wie gesagt, bei Dabringhaus und Grimm erschienen.