Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Niedersachsen
Bauern protestieren gegen geplantes Erdkabel

Der Strom muss von den Norden in den Süden gelangen, von den Windrädern hin zu den Industrieregionen Bayerns. Und dies soll nach vielen Protesten nun über Erdkabel geschehen. Womöglich führt diese Trasse durch das Alte Land in Niedersachsen, bekannt für seine Äpfel - die Bauern dort fürchten um ihre Ernte.

Von Ines Burckhardt | 20.10.2016
    "Willkommen im Alten Land" steht am Dienstag (19.06.2012) auf einem Schild in der Nähe von Jork. Niedersachsen schickt das Alte Land und die Rundlingsdörfer im Wendland ins Rennen um den Weltkulturerbetitel der UNESCO.
    Die Äpfelbauer im Alten Land fürchten um ihre Erträge. (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen )
    Die Apfelernte im Alten Land bei Stade ist im vollen Gange: Alle paar Minuten fahren Landwirte auf kleinen Treckern mit Anhängern voller Obst vorbei. Ernst Eckhof steht inmitten von Apfelbäumen neben der Straße. Viele Landwirte halten an, wenn sie Ernst Eckhof sehen. Der 62-Jährige kennt hier jeden. Seit fast 200 Jahren baut seine Familie im Alten Land Obst an. Nun sollen hier Erdkabel verlegt werden. Drei Trassenverläufe hat der Netzbetreiber TenneT vor Kurzem vorgeschlagen. Zwei von ihnen laufen mitten durch das Alte Land südlich von Hamburg, eine streift die Obstregion nur am Rande.
    Um die Erdkabel zu verlegen, müssten Bauarbeiter den Boden etwa zwei Meter tief und 40 Meter breit aufgraben. Für Ernst Eckhof ein Albtraum, wie er sagt:
    "Da werden wir so extrem behindert und eben auch zum Teil geschädigt, dass wir das nicht hinnehmen können. Es kann nicht immer alles auf unserem Rücken ausgetragen werden. Und vor allen Dingen: von oben herab von jemandem, der gar nicht die Probleme kennt."
    Es ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende in Deutschland: Der Windstrom aus dem Norden muss in den Süden, wo die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Doch dafür müssen die Stromnetze ausgebaut werden. Der Widerstand im vergangenen Jahr gegen die großen Leitungen über der Erde verlangt nun eine weit teurere Verlegung unter die Erde.
    Obstbauern lehnen Erdkabel ab
    Doch auch damit sind viele Betroffene jetzt nicht einverstanden – wie Ernst Eckhof. Probleme sieht der Obstbauer viele auf sich und seine Kollegen zukommen. Er zeigt auf drei Reihen von Bäumen, die sehr viel kleiner sind als andere daneben. Darunter liege eine Gasleitung, sagt er. Die wurde hier vor Jahrzehnten verlegt.
    "Da wächst vielleicht die halbe Erntemenge drauf. Das ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn man den Boden hier intensiv angeht. Und das wird bei einer Verkabelung, bei dem Erdkabel, wird das mit Sicherheit genauso passieren."
    Denn der Boden hier sei sehr sensibel. Der Netzbetreiber TenneT verspricht, den Boden Schicht für Schicht mit Baggern auszuheben und nach der Erdkabelverlegung auch Schicht für Schicht wieder einzusetzen. Aber das beruhigt die Landwirte nicht. Eckhofs Kollege Johann Knabbe, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Stade:
    "Da müssen die Bauarbeiter dort hin, zerstören dort oberflächlich schon mal das Gefüge und greifen gleichzeitig dann mit den Baggern ganz tief in dieses Gefüge ein. Selbst, wenn man das getrennt ablegt – man kriegt nicht mehr den Urzustand hin."
    Diese Sorge haben viele Landwirte in ganz Deutschland. Auch der Bauernverband Bayern sieht die Verlegung der Erdkabel kritisch. Er befürchtet unter anderem ein Austrocknen der Böden durch die warmen Erdkabel.
    Dabei war es gerade das Bundesland Bayern, das am meisten gegen die oberirdischen Stromtrassen protestierte. Ministerpräsident Seehofer sagte in einem ZDF-Interview im August vergangenen Jahres:
    "Wir sind ja nicht irgendein Bundesland, wir sind der Freistaat Bayern. Und wenn es Stromtrassen gibt, sogenannte Monstertrassen, die quer durch diese schöne Landschaft führen, dann ist es meine Pflicht so was zu verhindern, wenn ich selbst überzeugt bin, dass es in dieser Form nicht notwendig ist."
    Vorrang für das Erdkabel: Hohe Mehrkosten
    Den Vorrang für Erdkabel hat der Bundestag im Dezember vergangenen Jahres beschlossen, um, Zitat, "die Akzeptanz für den Netzausbau in der Bevölkerung zu stärken".
    Aber das wird viel Geld kosten: Die Erdkabel sind laut Experten drei bis acht Mal so teuer wie Freiluftleitungen. Letztlich zahlen das die Verbraucher über den Strompreis. Und: Der Bau der Trasse verzögert sich um drei Jahre, denn die Planungen mussten noch einmal von vorne beginnen.
    In diesen Wochen reisen TenneT-Vertreter durchs Land und laden zu Diskussionen über Südlink ein. Sie wolle die Befürchtungen der Landwirte hören, sagt TenneT-Sprecherin Ulrike Hörchens. Ernteeinbußen seien aus ihrer Sicht aber nicht zu befürchten:
    "Wir haben schon etwa 1000 Kilometer verlegt in Norddeutschland, das geschieht im Rahmen unserer Offshore-Anbindungen. Bislang haben wir da gute Erfahrungen gemacht. Bislang sind da keine Auswirkungen auf den Ertrag bekannt."
    Auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen nur geringe Auswirkungen auf die Pflanzen. Allerdings fehlt bisher eine Langzeitstudie mit verschiedenen Böden. TenneT verspricht deshalb Entschädigungen für den Fall der Fälle:
    "Wir entschädigen auf jeden Fall für die Nutzung des Grundstücks. Dann gibt es aber auch noch darüber hinaus Entschädigungen für Wirtschaftsverluste und Ertragseinbußen während der Bauzeit. Wir gleichen Folgeschäden aus, zahlen Aufwandspauschalen. Also grundsätzlich kann man sagen, dass alle Schäden, die durch die Baumaßnahmen entstehen, beseitigt oder ersetzt werden."
    2021 sollen die Erdkabel verlegt werden, fertig ist die Trasse laut TenneT dann 2025. Ernst Eckhof will - zusammen mit anderen Obstbauern aus dem Alten Land - zu der TenneT-Veranstaltung Anfang November in Stade gehen und seine Bedenken vortragen. Große Hoffnungen macht er sich nicht:
    "Ich habe immer wieder festgestellt, es wird einem wirklich alles zugesagt. Und wenn dann die Baufirma kommt, die das machen soll: Dann werden hier Fehler gemacht, da Fehler gemacht. Das geht dann nach dem Motto: Ach, nachher kommt ja einer mit dem Portemonnaie und bezahlt das. Solche Sachen sind nicht bezahlbar. Das kann man nicht in Geld ausrechnen, das geht einfach nicht."
    Sein Land sei sein wichtigstes Produktionsmittel, sagt Eckhof. Deshalb wolle er auch keine Entschädigungen, sondern verhindern, dass sein Land zerstört wird.