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Niedersachsen-Wahl
Balsam für die sozialdemokratische Seele

Erst vor drei Wochen wurde auf Bundesebene gewählt. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen sieht nun vieles anders aus: Die SPD gewinnt, Ministerpräsident Stephan Weil bleibt wohl im Amt. Die CDU fährt das schlechteste Ergebnis seit 1959 ein. Die AfD zieht mit 6,2 Prozent in den Landtag ein, die Linke scheitert an der Fünf-Prozent-Klausel. Eine Analyse.

Von Volker Finthammer | 16.10.2017
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) steht am 15.10.2017 auf der Wahlparty der SPD.
    Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) steht am 15.10.2017 auf der Wahlparty der SPD. (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Stephan Weil rettet die SPD. Denn nach drei verlorenen Landtagswahlen und der verlorenen Bundestagswahl gelingt es der SPD in Niedersachsen nur drei Wochen nach der Bundestagswahl zum ersten Mal nach 1998 wieder stärkste Partei im Land zu werden. Doch dieser Balsam für die sozialdemokratische Seele überdeckt, dass es für eine Fortsetzung der rot-grünen Landesregierung in Hannover nicht mehr reicht, obwohl es zwischenzeitlich so aussah, als könnte die alte Koalition durch Ausgleichs- und Überhangmandate doch noch eine Mehrheit erhalten. Aber dafür hätte das Ergebnis der SPD noch etwas besser ausfallen müssen, als es am Ende war
    Denn während die SPD 4,3 Prozentpunkte hinzugewinnen kann und auf 36,9 Prozent der Stimmen kommt, verlieren die Grünen ganze fünf Prozentpunkte und kommen nur noch auf 8,7 Prozent der Stimmen in Niedersachsen. Dabei hat zwischen beiden Parteien sogar einen gewisser Austausch der Wähler stattgefunden. Denn die SPD verbucht neben einem deutlichen Hinzugewinn aus dem Lager der Nichtwähler knapp 90.000 Wählerinnen und Wähler, die zuvor den Grünen ihre Stimme gaben.
    "Die SPD profitiert noch etwas aus der Politisierung der Bundestagswahl, die ja vor erst drei Wochen war. Sicherlich spielt da auch eine Rolle dieser Duellcharakter der Wahl, nämlich wer wird stärkste Partei. Wenn Wahlberechtigte in der Tat das Gefühl haben, sie können etwas mitentscheiden, es kommt auf sie an, dann bringt sie das auch an die Urnen", sagt Roberto Heinrich von Infratest Dimap.
    CDU konnte nicht genügend Nichtwähler mobilisieren
    Zweitstärkste Kraft in Niedersachsen wird die CDU mit 33,6 der Stimmen was Verluste von 2,4 Prozentpunkte bedeutet. Es ist dies das schlechteste Ergebnis der CDU seit 1959. Die Wähler der Union sind zur SPD und zur AfD abgewandert und auf der anderen Seite hat die Partei nicht genügend Nichtwähler mobilisieren können, um diese Abwanderung kompensieren zu können.
    Die Liberalen können den Bundestrend in Niedersachsen nicht wiederholen. Sie verlieren 2,4 Prozentpunkte und kommen nur noch auf 7,5 Prozent der Stimmen und wenn man auf die Wählerwanderung bei der FDP schaut, dann fallen da zwei Trends auf. Die meisten ehemaligen FDP Wähler sind zur CDU abgewandert, aber auch zur AFD und zu den Linken. Nichtwähler haben die Liberalen nicht mobilisieren können. Im Gegenteil: Rund 23.000 ehemalige FDP Wähler sind in dieses Lager abgewandert.
    Linke scheitert an 5-Prozent-Klausel
    Die Linke verpasst mit 4,6 Prozent der Stimmen den erneut Einzug in den Landtag. Das gelingt jedoch der AfD mit 6,2 Prozent der Stimmen. Deren Stimmenzuwachs resultiert anders als bei allen vorangegangenen Wahlen in diesem Jahr nicht aus der starken Mobilisierung von Nichtwählern sondern darin, den anderen Parteien Wähler abspenstig zu machen. Allen voran der Union, aber auch von der SPD und der Linken.
    "Nun hat die AfD sich auch in der Vergangenheit schon schwergetan in Niedersachsen. Wir haben es gesehen bei der Bundestagswahl 2013, bei der Europawahl 2014, auch bei der Bundestagswahl vor drei Wochen, dass die AfD in Niedersachsen schlechter abgeschnitten hat als im gesamten deutschen, aber auch westdeutschen Schnitt."
    Keine leichte Regierungsbildung
    Das sei auch ein Ausdruck für die zerstrittene Partei, sagt Roberto Heinrich von Infratest Dimap. Erfreulich ist die um drei Prozentpunkte gestiegene Wahlbeteiligung. Doch die Regierungsbildung dürfte nicht leicht werden. Möglich sind eine Große Koalition, ein Jamaika Bündnis oder eine Ampelkoalition, also SPD Grüne und FDP, die von den Liberalen am Wahlabend sogleich abgelehnt wurde. Auch in Hannover kann demnach wie in Berlin die Regierungsbildung noch lange dauern.