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"Niemand soll Fragen stellen"

In zwei Wochen wählt die Internationale Handball-Föderation IHF einen neuen Präsidenten. Der durch Manipulationsaffären stark in die Kritik geratene Amtsinhaber Hassan Moustafa hat nur noch einen Gegenkandidaten, den Luxemburger Jeannot Kaiser. Der Isländer Gudmundur Ingvarsson zog seine Kandidatur plötzlich zurück - und erneuerte seine Kritik an Moustafa.

Gudmundur Ingvarsson im Gespräch mit Jessica Sturmberg |
    Jessica Sturmberg: Gudmundur Ingvarsson, können Sie uns erläutern, warum Sie ihre Kandidatur zurückgezogen haben?

    Gudmundur Ingvarsson: Das hat rein private Gründe und hat auch mit dem Umstand zu tun, dass ich mehr als 100, 150 Tage von meiner Arbeit und meiner Familie fernbleiben müsste und das geht momentan einfach nicht.

    Sturmberg: Da sind aber auch die Entwicklungen in der Internationalen Handball-Föderation, die sie kritisieren?

    Ingvarsson: Ja sicher, es gibt einiges im Welthandball, an dem wir in Island Kritik üben. Fangen wir damit an, dass es beim anstehenden Kongress den Kandidaten nicht erlaubt werden soll, sich zu vorzustellen und ihre Ideen zu präsentieren, was absolut undemokratisch ist. Dann die mutmaßlichen Skandale und Bestechungen und so weiter, das ist ein erheblicher Imageschaden für den Handball. Und ich denke, die derzeitigen Amtsinhaber, allen voran der Präsident und sein Kassenwart müssen abdanken.

    Sturmberg: Als Sie beschlossen haben zu kandidieren, was war Ihre Intention, warum haben Sie es getan?
    Ingvarsson: Weil ich glaube, dass wir eine Führung in der Internationalen Handball-Föderation brauchen, weil wir aufräumen müssen, es muss eine Ende haben mit der mutmaßlichen Korruption und Bestechung und ich war bereit das anzupacken.

    Sturmberg: Können Sie einmal die Präsidentschaft von Hassan Moustafa beschreiben?

    Ingvarsson: Das ist eine One-Man-Show. Sie sehen keine Bücher, Sie haben keinen Einblick in die Finanzen, man weiß überhaupt nichts über die wirtschaftliche Situation der IHF und es macht auf mich den Eindruck, als ob er denkt, das wäre alles seins und niemand soll Fragen stellen oder sich in irgendeiner Weise einmischen. Es ist mehr oder weniger wie eine One-Man-Show.
    Sturmberg: Welche Konsequenzen befürchten Sie, wenn dieses "System Hassan Moustafa" fortbesteht?

    Ingvarsson: Was ich befürchte ist, dass der Imageschaden für den Handball immer größer und größer wird. Dass die Konflikte mit dem Internationalen Olympischen Komitee zunehmen - es besteht immerhin die Gefahr, dass Handball aus dem Olympischen Programm herausgenommen wird. Wir müssten den Handball-Kalender entzerren, die Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft nur noch alle vier Jahre statt wie jetzt alle zwei Jahre austragen. Die Bestechungen und Skandale bedeuten einen erheblichen Schaden für den Sport und meine Kandidatur wäre einem totalen Aufräumen gewidmet gewesen.

    Sturmberg: Wie hätten Sie aufgeräumt?

    Ingvarsson: Natürlich muss man an der Spitze anfangen. Die Geschäftsführung muss komplett ausgetaucht werden. Und man braucht eine gut arbeitende Schiedsrichterkommission.

    Sturmberg: Hatten Sie Kontakt zu Jeannot Kaiser, dem luxemburgischen Kandidaten?

    Ingvarsson: Nein.

    Sturmberg: Da Sie nun Ihre Kandidatur zurückgezogen haben, denken Sie, dass dadurch die Chancen steigen, wenn es nur einen Gegenkandidaten zu Moustafa gibt?

    Ingvarsson: Natürlich hätten wir niemals gegen Hassan Moustafa gewonnen, wenn zwei Kandidaten aus Europa gegen ihn antreten. Nur was ich gerne gesehen hätte, dass es einen Kandidaten gegeben hätte aus einem Land, in dem Handball auf Topniveau gespielt wird und das ist in Luxemburg wohl eher nicht der Fall. Ich komme auch aus einem kleinen Land mit nur 300.000 Einwohnern, aber in Island wird Handball auf sehr hohem Niveau gespielt. Also für Jeannot Kaiser wird es sicher schwierig.

    Sturmberg: Unterstützen Sie nun Jeannot Kaiser, auch wenn Luxemburg nicht diese Handball-Tradition aufweisen kann?

    Ingvarsson: Ja, ich hoffe, dass die Leute ihn wählen.

    Sturmberg: Hat es wirklich nur persönliche Gründe, dass Sie Ihre Kandidatur zurückgezogen haben?

    Ingvarsson: Absolut.