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Nikolaus gegen Weihnachtsmann

In keinem anderen christlichen Land ist der Nikolaus so angesehen wie in den Niederlanden. In der jüngsten Zeit jedoch machen ihm Weihnachtsmann und Christkind Konkurrenz. Dieses Jahr soll die Ankunft des Weihnachtsmannes erstmals genauso festlich gefeiert werden wie die des Nikolauses, zur großen Empörung traditionsbewusster Niederländer. Kerstin Schweighöfer berichtet.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Das Dorfzentrum von Noordwijk, einem beliebten Badeort an der südholländischen Küste. Schon seit Wochen sind die Schaufenster weihnachtlich geschmückt. Alles ist vorbereitet für den Einzug des Weihnachtsmannes: Am 9. Dezember soll er erstmals festlich empfangen werden - und zwar nach dem Vorbild seines großen Rivalen, dem Heiligen Nikolaus. Der ist bereits Mitte November in den Niederlanden eingetroffen: Seine Ankunft ist ein nationales Spektakel und wird sogar live im Fernsehen übertragen. Traditionsbewussten Bürgern ist es jedoch ein Dorn im Auge, dass der Weihnachtsmann sich auf Kosten von Sinter Klaas, wie der Nikolaus hier genannt wird, zu profilieren versucht.

    "Mit Weihnachten hat dies nichts mehr zu tun", klagt ein Ehepaar. Es gehe den Geschäftsleuten einzig und allein darum, ihren Umsatz noch weiter anzukurbeln. Den Weihnachtsmann wie den Nikolaus zu empfangen sei idiotisch, sagt ein Mann. Nichts gegen vorweihnachtliche Stimmung, meint eine junge Frau, aber auf den Einzug des Weihnachtsmannes könne sie verzichten.

    Mit einer Handschriften-Protestaktion über das Internet versuchen die Weihnachtsmann-Gegner, dieses Schauspiel zu verhindern. Allein in den ersten drei Tagen gingen mehr als 1200 Unterschriften ein. Initiator ist die "Vereinigung zum Erhalt von Sinterklaas" (VBS). Ihr Ziel: das Nikolausfest, eine urholländische Tradition, zu bewahren und vor den wachsenden Einflüssen des Weihnachtsmannes zu schützen. Denn der sei kein Heiliger, sondern bloß eines Erfindung des Handels, sagt Geografiestudentin Nicol Lodewick:

    "Also, der Weihnachtsmann ist eigentlich nichts anderes als ein rotgekleideter, dicker Mann, den die Geschäfte erfunden haben."

    Nicol gehört zu jener Gruppe niederländischer Studenten, die die VBS vor drei Jahren gegründet haben:

    "Naja, das war 2003. Wir haben dann im November, wir waren mit einigen Freunden im Café, wir haben dann einen Weihnachtsmann schon gesehen, als, das war November, und dann haben wir gedacht, das geht zu weit, da müssen wir etwas machen. Und wir haben dann die Vereinigung gegründet."

    Inzwischen ist die VBS für traditionsbewusste Niederländer zu einer Plattform geworden: Über ihre Website halten sie sich gegenseitig auf dem Laufenden und entwickeln Projekte und Ideen zum Schutz der Nikolausfeier. Denn in keinem anderen christlichen Land ist sie als Familienfest wichtiger als der Heilige Abend. Schon Wochen im Voraus bricht im ganzen Land Reim- und Bastelfieber aus: Denn am Nikolausabend liest man sich selbstgereimte Gedichte vor und packt kunstvoll verpackte Geschenke aus, so genannte surprises.

    "Also Sinterklaas ist wirklich ein Familienfest. Die ganze Familie ist beieinander. Und beim Weihnachtsmann geht es nur ums Geld und den Kommerz und nicht mehr um die Traditionen."

    Der Heilige Nikolaus kommt in den Niederlanden aus Spanien, und zwar per Schiff rheinabwärts. Dabei steuert er jedes Jahr eine andere Stadt an, in diesem Jahr war es Middelburg: Wer nicht selbst am Kai Spalier stehen konnte, schaute sich die Ankunft im Fernsehen an. Wie immer berichtete auch die niederländische Nachrichtensendung darüber-

    So lange Sinterklaas im Land weilt, dürfen die Schaufenster eigentlich nur mit Peffernüssen und Schokoladenbuchstaben geschmückt werden. Und Nikolausgeschenke dürfen auch nur in spezielles Nikolauspapier und nicht in Weihnachtspapier eingepackt werden. Doch die wenigsten Geschäftsleute halten sich daran noch: Statdessen wird alles sofort weihnachtlich geschmückt.

    Sollte der Weihnachtsmann jetzt auch noch ähnlich festlich empfangen werden wie Sinterklaas, so die Befürchtung, könnte dessen Einfluss weiter schwinden. Denn nicht nur Noordwijk will die Ankunft seines rotbemützten Konkurrenten groß feiern, sondern auch Rotterdam, am 16. Dezember - und zwar auf amerikanisch, inclusive Coca Cola-Truck.

    Mit ihrer Unterschriften-Protestaktion will die VBS verhindern, dass daraus ein Trend wird. Die Mitglieder sind zuversichtlich.

    "Wir hätten nie gedacht, dass wir so vielen Leuten aus dem Herzen sprechen"."

    sagt Nicol:

    ""Die letzten Generationen haben es eigentlich verschlafen, und jetzt wollen wir die alten Traditionen wieder zurückbringen. Und wir hören auch von vielen Freunden und anderen jungen Leuten, dass sie wirklich unsere Ideen unterstützen."