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"No English"

Viele Studierende der Monash Universität in Melbourne sprechen oder verstehen kaum Englisch, bei Prüfungen bekommen sie mehr Zeit eingeräumt. Für die Monash Uni sind sie eine Einnahmequelle. Hochschulbildung ist in Australien eine Industrie.

Von Andreas Stummer | 17.08.2013
    Studentenfütterung in der Mensa der Monash Universität Melbourne. Während der halbe Campus an der Essensausgabe Schlange steht, stillt Nadja Metz aus Augsburg in der Unibibliothek ihren Wissensdurst. Mit ihren fünf Semestern Wirtschaftsrecht gehört die 25jährige in ihrem Studiengang schon zum alten Eisen. Obwohl Nadja fließend englisch spricht, ist sie ganz froh, dass man als Gaststudent die einen oder anderen Privilegien genießt.

    "Als ausländische Studenten kriegen wir bei den Prüfungen Sondergenehmigungen, also wir dürfen eine halbe Stunde länger machen, wenn es eine dreistündige Prüfung ist. Man ist auch sonst nachsichtiger mit uns. Die Examen werden nachsichtiger korrigiert. Also man bemüht sich schon."

    Die Uni ist für Nadja wie die Vereinten Nationen. Indien, Kanada - ihre Mitstudenten kommen von überallher, die meisten aber sind aus Asien: China, Südkorea, Indonesien, Thailand, Vietnam oder Hongkong. Eines aber kommt Nadja spanisch vor: Mit ihren asiatischen Kommilitonen ins Gespräch zu kommen ist so gut wie unmöglich, weil sie kaum englisch sprechen oder verstehen. Bei den Prüfungen aber schneiden die asiatischen Studenten oft genauso gut oder nur ein wenig schlechter ab als sie. Trotz ihrer Sprachbarriere.

    "Klar, für die Monash Uni in Melbourne sind die asiatischen Studenten Einnahmequelle. Das heißt, diese Leute bringen denen Geld und deshalb bemüht man sich auch diesen Leuten, das Leben angenehmer zu machen und so zu gestalten, dass die anderen nachziehen."

    "Fair ist das nicht", sagt Nadja, aber ihr Studiengang oder ihre Universität sind kein Einzelfall. Miles Lewis ist Professor für Architektur an der Uni Melbourne. Er hat sein eigenes Blooper-Archiv. Eine Sammlung haarsträubender, schwerer Verbrechen gegen die englische Sprache – begangen in Examen von Gaststudenten, die aus dem nicht-englischsprachigen Ausland kommen. Nicht weil Professor Lewis einen eigenartigen Sinn für Humor hat, sondern weil er nicht länger einsieht, Diplome an Studenten zu vergeben, die oft nicht die geringste Ahnung haben, wovon sie eigentlich reden.

    "Von 180 Studenten in meinen Kursen haben mehr als 30 in ihren Prüfungen völlig unzusammenhängenden Nonsens von sich gegeben und viele bestanden trotzdem – sogar mit Auszeichnung. Meine Noten wurden von der Fakultätsleitung einfach geändert. Das ist so korrupt wie unakzeptabel."

    Kein Akademiker hört es gerne, aber Hochschulbildung in Australien ist eine Industrie. Jährlich etwa 13 Milliarden Euro wert. Nur der Bergbau und der Tourismus bringen mehr Geld. Bildung ist eine Ware – wer sie will, der muss bezahlen. Oft Zehntausende Euro für einen Abschluss. Vor allem Studenten aus dem Ausland. Ohne diese Gebühren müsste ein Großteil der australischen Universitäten schließen. Die Hochschulen haben einen guten Ruf, aber sind knapp bei Kasse. Soziologin Tracy Breitag wollte es genau wissen. Sie untersuchte 15 Unis und stellte fest: Anwesenheitslisten werden gefälscht, Gruppenarbeiten positiv bewertet, obwohl nicht-englischsprachige Studenten nichts beigetragen hatten, usw. "Unterm Strich", beklagt Tracy Breitag, werde alles unternommen, um die lukrativen Studiengebührenzahler aus dem Ausland nicht zu verlieren.

    "An all diesen Universitäten wurde offen zugegeben, dass es Anweisung von der Unileitung gibt, die schlechten Noten von Auslandsstudenten in akzeptable oder gute Noten abzuändern. Meist ohne Wissen der jeweiligen Kursleiter. In anderen Fällen wurde angeordnet, dass mindestens 90% der Studenten einen bestimmten Kurs bestehen müssen."

    Hochschulbildung auf dem kleinsten, gemeinsamen Nenner. Etwa 400.000 Studenten aus dem nicht-englischsprachigen Ausland sind an australischen Unis eingeschrieben. Insider schätzen, dass fast 300.000 Abschlüsse machen, ohne die englische Sprache ausreichend zu beherrschen. Der Arbeitsmarkt kann nichts mit ihnen anfangen. Trotzdem verschafft ihnen ihre Qualifikation eine Aufenthaltsgenehmigung in Australien. Paul Johnson, der Vizekanzler der
    LaTrobe Universität in Melbourne verlangt das Einsetzen einer Untersuchungskommission. Denn den doppelten Bildungsstandard für einheimische und ausländische Studenten könnten sich Australiens Unis künftig einfach nicht mehr leisten.

    "Die Forschungsarbeit, die wir an unseren Unis betreiben, wird zum Großteil durch die Studiengebühren von Studenten aus Entwicklungsländern finanziert. Das ist für eine gesunde Wirtschaft wie die unsere eine Blamage. Wenn sich das nicht ändert, dann sehe ich die Gefahr, dass Australiens Universitäten in die Mittelmäßigkeit abrutschen."