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Noch 30 Jahre aktiv

Geologie. - Seit Ende Mai 2006 versinkt ein Teil des javanischen Landkreises Sidoarjo in Indonesien unter gewaltigen Schlammfluten. Der Schlammvulkan Lusi, der damals ausbrach, hat seitdem 40.000 Menschen obdachlos gemacht und ein großes Gebiet unter seinen Fluten begraben. Er wird wohl noch Jahrzehnte weitermachen.

Von Dagmar Röhrlich | 30.09.2010
    Metertief versinkt das Land im Schlamm. Der Gestank von Schwefelwasserstoff liegt in der Luft: Seit im Osten Javas - im Wunut-Erdgasfeld - der Schlammvulkan Lusi ausgebrochen ist, hat die zähe Masse Tausende von Häusern verschlungen, Straßen, eine Eisenbahnlinie und eine Hochspannungsleitung. Zu Beginn seiner Aktivität vor vier Jahren spuckte Lusi nur wenig Gas und heißen Schlamm, aber auf dem Höhepunkt ergossen sich täglich 150.000 Kubikmeter Schlamm, Wasser und Gas über das Land. Inzwischen sind es noch 25.000 Kubikmeter - genug um zehn olympische Schwimmbecken zu füllen. Ein Ende ist nicht in Sicht:

    "Wir haben neben dem Hauptkrater, der sich aus unter hohem Druck stehenden Sedimenten im Untergrund speist, inzwischen 180 kleinere Austrittsstellen gezählt, die sich vollkommen unerwartet irgendwo in der noch bewohnten Umgebung des Schlammvulkans auftun: in Restaurants, in Fabriken, mitten auf der Straße. Das ist gefährlich, denn plötzlich steigen irgendwo zwei, drei Meter hohe Fontänen auf, aus Wasser, Gas oder auch Schlamm. Und manche von ihnen entzünden sich auch."

    Eine dieser Gasexplosionen hat jetzt ein Haus zerstört und zwei Menschen schwer verletzt. Gespeist werden die kleinen Ausbrüche wahrscheinlich aus oberflächennahen Schichten: Sie reißen auf, weil ihr Untergrund nachgibt, Wasser und Gas brechen durch, erklärt Richard Davies von der Universität Durham in Nordwestengland. Der Experte für Schlammvulkane beobachtet, dass der Schlammsee inzwischen kaum noch in die Breite wächst - aber nur, weil das Zentrum Lusis absackt.

    "Das zentrale Gebiet sinkt ein, und zwar ziemlich schnell. Wir haben berechnet, dass es im Jahr zwischen 13 und 15 Meter sind, mindestens. Wenn das noch zehn, zwanzig Jahre so weitergeht, wird sich im Zentrum des Vulkans eine Hunderte von Metern tiefe Grube gebildet haben. Allerdings wird sie stetig mit Schlamm gefüllt. Das Land um diese Grube herum wird auch absinken, wir wissen aber nicht in welchem Ausmaß. Der schlimmste Fall wäre, wenn die Flüsse in der Nähe in Richtung Grube umgeleitet würden. Jedoch haben wir bislang keine Anzeichen dafür entdeckt."

    Zusammen mit amerikanischen Kollegen sucht der Brite nach den Ursachen des Ausbruchs. Die Forscher gehen davon aus, dass eine Erkundungsbohrung der indonesischen Öl- und Gasfirma Lapindo Brantas die Eruption auslöste:

    "Wir sind uns zu 99 Prozent sicher. Am Bohrloch gab es es am 27./28. Mai 2006 einen Zwischenfall. Die Bohrmannschaft hat den Druck des umgebenden Gesteins und des Grundwassers unterschätzt und deshalb nicht das ganze Rohr mit Stahl und Zement gesichert. So kam es zu einem Blow-out wie jetzt im Golf von Mexiko. Das war vergleichbar, nur dass hier ein Schlamm-Gas-Wasser-Gemisch unkontrollierbar aufstieg."

    Auch der Geologe Adriano Mazzini von der Universität Oslo untersucht, warum Lusi ausgebrochen ist. Unter anderem nach der Analyse seismischer Daten geht er davon aus, dass ein Erdbeben den Schlammvulkan aktiviert hat, denn es gab zwei Tage vor dem Ausbruch in etwa 200 Kilometer Entfernung ein Beben der Stärke 6,3:

    "Wir haben von Anfang an eine Verbindung zwischen Erdbeben und Lusi beobachtet. Lusi liegt auf einer Störung, und ist seit damals immer dann besonders aktiv gewesen, wenn es in der Region wieder gebebt hat."

    Auf dieser Störung liegen neben Lusi noch andere Schlammvulkane, die ebenso reagierten, erklärt Adriano Mazzini. Wie auch immer, ob Bohrung oder Erdbeben - Lusi wird wohl noch lange aktiv bleiben. Richard Davies:

    "Jetzt, wo sich 180 weitere Öffnungen gebildet haben, sehe ich keinen Weg, Lusi zu stoppen. Das Gas aus dem Untergrund treibt Schlamm und Wasser immer weiter nach oben. Man kann den Schlammvulkan nur gewähren lassen, bis der Druck langsam nachlässt. Aber das kann Jahrzehnte dauern."

    Bisherige Berichte:
    07.05.08: Kein Ende der Schlammschlacht
    05.02.07: Ein unaufhaltsamer Feind