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Nord- und Ostsee
Neue Giftstoffe bereiten Probleme

Fünf Wochen lang war das Forschungsschiff "Celtic Explorer" in der Nord- und Ostsee unterwegs und hat dort Proben entnommen. Die positive Nachricht: Die Wasserqualität hat sich deutlich verbessert, da viele Giftstoffe verboten wurden. Doch neue Substanzen unter anderem in Outdoorjacken belasten die Umwelt.

Von Axel Schröder | 08.09.2014
    Ebbe am Strand
    Die Nordsee: Die Wasserqualität hat sich verbessert, aber neue Substanzen sorgen für Probleme. (Deutschlandradio / Jan-Martin Altgeld)
    Dr. Sieglinde Weigelt-Krenz war in den letzten Wochen nur über eine knarzende Satellitenverbindung erreichbar. Die Meereschemikerin arbeitet für das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie, das BSH, und leitet die Gesamtaufnahme, die Probenahmen in Nord- und Ostsee. Ein straffes Programm, bei dem einmal pro Jahr an mehreren Dutzend immer gleichen Stellen die Temperaturen, der Sauerstoff-, Salz- und Schadstoffgehalt der See geprüft wird:
    "Die erste Station beginnt pünktlich acht Uhr. Das heißt: Halb acht spätestens im Labor, Geräte vorbereiten. Damit die startklar sind, wenn wir auf Station kommen. Dann setzen wir die sogenannten Kranzwasserschöpfer ein."
    Und mit diesen Schöpfern hieven die zwölf Forscher auf der "Celtic Explorer" das Meerwasser an Bord, füllen es ab, notieren Ort und Datum jeder einzelnen Probe. An einigen Orten, so Sieglinde Weigelt Krenz, sei der Sauerstoffgehalt in der Nordsee mit nur 60 Prozent erschreckend niedrig. Normal sind Werte über 90 Prozent. Sie fürchtet, dass Kleinlebewesen am Meeresgrund unter dem Mangel leiden werden.
    Wasserqualität hat sich in einigen Punkten stark verbessert
    Genau analysiert werden die Wasserproben erst in den kommenden Monaten im Hamburger Labor des Bundesamtes. Klar ist schon heute: Der Zustand der Nordsee hat sich in den letzten 20, 30 Jahren in einigen Punkten stark verbessert, erklärt Dr. Stefan Schmolke vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie:
    "Wir haben in der Nordsee signifikant abnehmende Quecksilberkonzentrationen seit Jahrzehnten. Man kann diesen Effekt der abnehmenden Quecksilberkonzentrationen im Sediment bis in die zentrale Nordsee hinaus beobachten."
    Schmolke führt den Rückgang der Quecksilberbelastung vor allem auf den Zusammenbruch der Chemiekombinate in der DDR zurück. Kaum noch messbar sind radioaktive Stoffe, die früher über die Wiederaufbereitungsanlagen in LaHague und Sellafield ins Meer gepumpt wurden. Und auch die Belastung mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln, zum Beispiel mit Atrazin, ist zurückgegangen, weil diese Stoffe seit Jahren verboten sind.
    Einige Stoffe sorgen für neue Probleme
    Die gute Nachricht lautet: Giftstoffe verbieten lohnt sich. Der Zustand der Nordsee lässt sich auf diese Weise messbar verbessern. Die schlechte Nachricht schiebt der Wissenschaftler Schmolke aber gleich hinterher:
    "Die chemische Industrie reagiert natürlich darauf. Indem andere Substanzen entwickelt werden, die – hoffentlich – umweltverträglicher sind, das in dem einen oder anderen Fall vielleicht auch sind. Manchmal aber auch einfach nur – das ist eine subjektive Einschätzung – manchmal auch einfach nur kosmetischer Art sind. Das heißt, dass die Struktur von irgendeinem Herbizid nur ein bisschen verändert wird. Damit ist es eine andere Substanz. Die aber quasi genauso wirkt wie die geregelte Substanz. Aber eben ungeregelt ist."
    Kritisch sehen die Wissenschaftler vom BSH die Belastung durch sogenannte PFCs – polyfluorierte Kohlenwasserstoffe. Sie werden eingesetzt, damit Outdoorjacken und –hosen wasserfest werden. Mit Risiken und Nebenwirkungen für die Umwelt, warnt der Greenpeace-Experte Manfred Santen:
    "PFC sind zumindest teilweise fortpflanzungsschädigend. Und zum Teil eben auch hormonell wirksam. Man stellt das fest zum Beispiel an Fischen, die eine hohe PFC-Belastung haben, die verweiblichen, deren Hormonsystem stark gestört wird. Und was das für den menschlichen Körper bedeutet, kann man nicht abschließend sagen."
    Dazu kommt: Polyfluorierte Kohlenwasserstoffe bauen sich unendlich langsam ab und reichern sich in Fischen aber auch im menschlichen Organismus an. Die besonders giftigen PFCs sind in Europa mittlerweile weitgehend verboten. In asiatischen Ländern – dort, wo unsere Outdoor-Jacken produziert werden – sind sie noch im Einsatz. Nach der ersten Maschinenwäsche dieser Jacken gelangen die Stoffe dann auch hierzulande noch in die Flüsse und landen am Ende auch in der Nord- und Ostsee.