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Norman Seeff in Mannheim
Fotografie als Seelenerforschung

Von Ike und Tina Turner über die Stones bis hin zu Patti Smith und Frank Zappa: Der südafrikanische Fotograf Norman Seeff hatte sie alle vor der Kamera. Seine intimen Musiker-Porträts sind jetzt im Zephyr, dem Raum für Fotografie der Reiss-Engelhorn-Museen, zu sehen.

Von Monika Kursawe | 29.09.2014
    Der Fotograf Norman Seeff in den Reiss-Engelhorn-Museen in der Fotoausstellung "The Look of Sound" neben einem Foto von Mick Jagger aus dem Jahr 1972.
    Der Fotograf Norman Seeff in den Reiss-Engelhorn-Museen in der Fotoausstellung "The Look of Sound" neben einem Foto von Mick Jagger aus dem Jahr 1972. (picture alliance / dpa / Uwe Ansprach)
    Norman Seeff: "Ich will tiefer gehen, die Seele eines Menschen finden, das was den Menschen tief drinnen ausmacht. Deshalb versuche ich, eine emotionale Beziehung zu meinem Gegenüber aufzubauen, um so Fotos zu bekommen, die lebendig sind, inspiriert und voller Lebensfreude."
    Die perfekte Inszenierung interessiert Norman Seeft nicht - er will ablichten, was den Menschen vor der Linse ausmacht. Deshalb unterhält Seeff sich während der Foto-Aufnahmen mit den Künstlern. Über das Leben, Kunst und über Kreativität - und gibt dabei auch sehr viel von sich selbst Preis.
    Die Bilder, die so entstehen, sind außergewöhnlich ausdrucksstark und intim: Ike und Tina Turner beim Tanzen, Patti Smith und Robert Mapplethorpe tauschen verliebte Blicke aus, Mick Jagger blickt, die Hand schützend über die Augen gelegt, verträumt in die Ferne.
    Seeffs Bilder fangen nicht nur einen Moment ein, sondern die Essenz einer Persönlichkeit.
    Vom Arzt zum Fotografen
    Es ist kaum zu glauben, dass Seeff kein ausgebildeter Fotograf ist - sondern Arzt. Zwar hat der geborene Südafrikaner sich schon früh für Kunst und Fotografie interessiert, zunächst entschied er sich aber für eine medizinische Laufbahn: als Arzt in der Notfallambulanz des größten afrikanischen Krankenhauses im Township Soweto. Erst, als ihm mit 29 die Apartheid und die politischen Strukturen seines Heimatlandes immer mehr zu schaffen machten, beschloss er von einem Tag auf den anderen, als Fotograf noch einmal neu anzufangen:
    Norman Seeff: "Eines Morgens bin ich aufgewacht und wusste plötzlich: Ich will nicht mehr als Arzt praktizieren, ich will ein neues Leben beginnen und Künstler sein, mich kreativ verwirklichen. Und dann habe ich innerhalb einer Woche im Krankenhaus gekündigt, mir ein One-Way-Ticket gekauft und bin nach New York geflogen um Künstler zu werden."
    Der Aufprall in der Realität war allerdings wenig romantisch. Zunächst ging es nur darum, genug Geld zu verdienen, um über die Runden zu kommen.
    Norman Seeff: "Die Zeit war hart und ich hatte große Selbstzweifel, aber gleichzeitig habe ich auch sehr viel gelernt. Irgendwann habe ich beschlossen, einfach jeden Tag eine Fotosession zu machen. Es gab damals in New York eine Bar, die sowas wie das Zentrum der Künstlerszene war. Andy Warhol war da, Patti Smith und Robert Mapplethorpe, Blondie war die Kellnerin, Jonny Winter hing da rum – und da bin ich jeden Abend hin und habe mir jemand Interessantes ausgesucht. Meistens wusste ich nicht mal wer die waren, ich fand einfach, dass sie interessant aussahen. Aber sie waren alle wirklich großzügig und haben gesagt: 'Klar machen wir eine Fotosession mit Dir' - und so habe ich mir ein Portfolio aufgebaut."
    Videos von den Shootings
    Schnell machte sich Seeff einen Namen, wurde Artdirector bei United Artists Records. Bis heute stehen die Künstler Schlange, um von ihm fotografiert zu werden. Die Gespräche, die er bei den Foto-Aufnahmen führt, wurden dabei immer mehr zu einer eigenen Kunstform. Um diese, und die besondere Stimmung am Set festzuhalten, begann Seeff deshalb schon vor Jahrzehnten, seine Sessions filmen zu lassen.
    In Mannheim sind auch Auszüge aus diesen Videos zu sehen - zum Beispiel das mit Ray Charles.
    Norman Seeff: "Ray konnte wunderschön davon erzählen, was in ihm passiert während des Komponierens. Also ließ ich ein Klavier hereinbringen. Auf dem hat Ray gespielt und komponiert und wir haben uns darüber unterhalten, was dabei in ihm vorgeht. Während dieses Shootings habe ich wahnsinnig viel über den Prozess der Kreativität gelernt."
    Diese Videos sind wundervolle Zeugnisse von Seeffs ungewöhnlicher Arbeitsweise. Einer Arbeitsweise, die mehr als nur Porträts entstehen lässt: Die Bilder spiegeln die Musikkultur einer ganzen Ära wieder - und sie gewähren uns tatsächlich einen kurzen Blick in die Seele der Portraitierten.