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Notbremse im Orbit

Raumfahrt. - Aus der Rückkehr zum normalen Flugbetrieb, den die jüngste Mission des Space Shuttles "Discovery" für die US-Raumfahrt bedeuten sollte, wird nichts. Bis zum nächsten März bleiben die betagten Geräte am Boden, damit sie nach allen Regeln der Kunst ertüchtigt werden können. Dennoch sieht die Nasa kaum Verzögerungen im Zeitplan.

    "And Discovery is home."

    sagte der Nasa-Sprecher in Kalifornien am Dienstag der letzen Woche, als Discovery im Dunkeln auf der Edwards Air Force Base aufsetzte. Erst an diesem Wochenende werden diese Worte so richtig Wirklichkeit: In der heutigen Nacht wird der Shuttle huckepack auf dem Rücken einer Boeing 747 von der West- zur Ostküste, quer über den amerikanischen Kontinent, zurück zum Kennedy Space Center geflogen werden, womit er dann am Samstag wirklich wieder zuhause wäre. Eigentlich hätte er dann als Reservefähre für einen möglichen Ernstfall vorbereitet werden sollen, um eventuell die Mannschaft der im nächsten Monat startenden Atlantis zu retten. Doch aus dem Start der Atlantis im September wird nichts, wie überhaupt in diesem Jahr kein Shuttle mehr abheben wird.

    "Wir haben den 4. März als nächsten Starttermin im Auge. Einer der Gründe für diese Verschiebung waren die Untersuchung an der Isolierschicht des Außentanks. Wir müssen dort einige Änderungen vornehmen. Wahrscheinlich werden wir die Abdeckung entfernen, von der sich beim Start der Discovery ein großes Stück Schaum gelöst hat. Wir werden versuchen, dort maschinell Isoliermaterial aufzuspritzen, das gleichmäßiger sein wird als die bislang von Hand bearbeiteten Stellen. Damit rutschen wir jedoch ins erste Startfenster des nächsten Jahres, das sich wegen der Dunkelheit in den Wintermonaten erst im März öffnet."

    Bill Gerstenmaier, der in dieser Woche zum neuen Chef der Abteilung für bemannten Raumflug innerhalb der US-Raumfahrtbehörde Nasa ernannt wurde. Vor allem müssen die bereits fertigen Tanks am Kennedy Space Center nun überarbeitet werden. Weil die Nasa nun auf die Startfenster im September und November verzichtet, ändert sich auch die Flugsequenz und damit der Einsatz der beiden derzeit flugfähigen Fähren. Gerstenmaier:

    "Atlantis hätte eigentlich im September den Deutschen Thomas Reiter zur Internationalen Raumstation fliegen und beim nächsten Flug ein weiteres Element der ISS ins All tragen sollen. Damit handelt es sich um einen der großen, schweren Solarzellen-Ausleger, die die Raumstation mit Strom versorgen. Weil Atlantis drei Jahre jünger als Discovery und mit leichteren Materialien gebaut ist, kann sie schwerere Lasten transportieren. Nach den bisherigen Planungen hätten wir also zwei Atlantis-Flüge in Folge gehabt, die Fähre also nach jeder Mission überholen müssen. Nun haben wir genügend Zeit, um stattdessen Discovery auf eine Mission im März vorzubereiten, während der Thomas Reiter seinen Langzeitaufenthalt an Bord der ISS antreten wird. Dann wird Atlantis mit dem ISS-Bauteil folgen, dann wieder Discovery."

    Die dritte und neueste Fähre, Endeavour, wird derzeit in Kalifornien generalüberholt und kann erst Mitte nächsten Jahres wieder eingesetzt werden. Weil durch die Änderungen im Flugplan die Zeiten zwischen den Shuttle-Missionen 2006 kürzer sein werden, ändert sich somit insgesamt nichts an der geplanten Anzahl von Einsätzen im nächsten Jahr. Aufatmen also auch bei den Europäern, die immer noch auf den Transport ihres Weltraumlabors Columbus zur ISS warten. Mike Griffin, Chef der NASA:

    "Mit Hilfe des Space Shuttles werden wir den Aufbau der ISS weiterführen. Dazu haben wir uns gegenüber uns selbst und unseren internationalen Partnern verpflichtet. Wir glauben daran, dass wir mit der Fähren-Flotte in den uns verbleibenden fünf Jahren die Raumstation komplett zuende bauen können."

    Als Gegenleistung für das Andocken ihres Labors an die ISS haben die Japaner eine Zentrifuge für Arbeiten in der Schwerelosigkeit entwickelt und den Amerikanern kostenlos bereitgestellt. In der letzten Woche hat die NASA jedoch angedeutet, auf deren Transport ins All verzichten zu wollen. Japans und Europas Experimentierlabore liegen jedoch noch im Zeitplan, der bis 2010 das Einmotten der Raumfähren vorsieht.