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NRW-Hochschulgesetz
Eine Novelle für mehr Freiheit und mehr Pflichten

Unumgängliche Anwesenheit in Seminaren und stärker festgelegte Studienverläufe – das sind ein paar der Änderungen, die für das Studium in NRW angestrebt werden. Damit will Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen den Hochschulen mehr Entscheidungsfreiheit geben. Von Studierenden kommt Kritik.

Von Lena Sterz | 06.02.2018
    Studenten verfolgen in Köln in der Aula Universität eine Veranstaltung.
    Die schwarz-gelbe Landesregierung will die Anwesenheitspflicht an Hochschulen in NRW wieder einführen. ( picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Als die neue Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen vor 40 Jahren studiert hat, war das Wort "Anwesenheitspflicht" für Studierende eher ein Fremdwort. Heute wird die Pflicht, Vorlesungen und Seminare zu besuchen, wieder viel diskutiert. Rot-grün hatte sie in NRW abgeschafft – die parteilose Ministerin will sie wieder möglich machen:
    "So wird etwa das gesetzliche Verbot von Anwesenheitspflichten abgeschafft und die Verantwortung dafür in die Hände der Hochschulen gelegt, die auch viel mehr und viel besser weiß, was sie dafür zu berücksichtigen hat."
    Streitthema: Anwesenheit
    Ministerin Pfeiffer-Poensgen nennt das eine von mehreren kleinen Änderungen. Für viele Studierende wäre eine Anwesenheitspflicht aber eine einschneidende Änderung. Dass es besser ist, wenn die Hochschulen darüber selbst entscheiden können, finden die Studierenden nicht.
    "Ich habe erlebt, dass Leute, die vielleicht im Krankenhaus lagen, eine Freundin von mir, die musste ein komplettes Semester wiederholen, weil sie leider drei Mal gefehlt hat. Und weil das einfach so streng war, dass keine Ausnahmen möglich waren."
    Das ist Imke Ahlen, die als 1. Vorsitzende des AStAs der Universität Köln die Interessen von 50.000 Studierenden vertritt. Sie hat zum Teil selbst unter Anwesenheitspflicht studiert, denn in begründeten Ausnahmefällen wie etwa Praxis- oder Laborseminaren können Lehrerende auch jetzt schon verlangen, dass ihre Studierenden präsent sein müssen. Wer mehr als zwei Mal pro Semester fehlt, hat Pech gehabt. Imke Ahlen bekommt mit, dass die Anwesenheitspflicht für viele Studierende gerade in teuren Großstädten vor allem ein finanzielles Problem ist.
    Studium und Nebenjob noch vereinbar?
    "Selbst wenn man Bafög bekommt oder die Eltern einen irgendwie finanzieren können, braucht man in den allermeisten Fällen noch einen Nebenjob, den man irgendwie hinkriegen muss."
    Vier von fünf Studierenden haben laut Kölner Astas einen Nebenjob, den sie irgendwie mit dem Studium unter einen Hut bringen müssen. Und das ist aus der Erfahrung von Asta-Vertreterin Imke Ahlen nicht das einzige Problem.
    "Gerade in den Semestern pendeln viele Studierende, weil sie noch keine Wohnung hier haben und wenn dann Bahnen ausfallen, was ja gerade im Wintersemester schon mal häufig vorkommt, dann verpasst man auch mal was – selbst, wenn man es gar nicht möchte."
    Dozenten und Professoren sehen die Anwesenheitspflicht unterschiedlich – aber wer hält schon gerne eine Vorlesung vor einer Handvoll Studierenden? Dass einige Studierende finden, dass sie sich besser im Selbststudium auf die Prüfung vorbereiten, hören die wenigsten Dozenten gerne.
    Mit Semesterzielen zu weniger Studienabbrechern
    Ein anderer Vorschlag, den Studierendenvertreter kritisch beobachten, ist das Vorhaben, Studienverlaufsvereinbarungen einzuführen. In solchen Vereinbarungen zwischen Studierenden und Lehrerenden soll etwa drinstehen, wann welches Seminar besucht werden soll und welche Semesterziele erreicht werden sollen, so Pfeiffer-Poensgen:
    "Es geht um eine verbindlichere Gestaltung letzten Endes des Studienverlaufs. Und das ist auch eine Idee, die auch von den Hochschulen vorgetragen wurde, weil wir einfach eine sehr hohe Abbrecherquote haben."
    Wie hoch die genau ist, dazu gebe es statistisch keine einwandfreien Daten, sagte die Ministerin auf Nachfrage. Verschiedene Studien sprechen von um die 30 Prozent. Dass die mit dem engen Korsett eines Verlaufsplans sinken würde, bezweifelt Studierendenvertreterin Imke Ahlen.
    Gesetzlich verankern: Tests für Studieninteressierte
    "Gerade Leute, die langsamer studieren, weil sie ein Kind haben, weil sie einen Nebenjob haben, weil sie gerade neben dem Studium noch das Latinum nachholen müssen – da gibt es super verschiedene Gründe und die Studierenden sind sehr vielfältig – da finde ich nicht, dass man allgemeine Verlaufsvereinbarungen in irgendeiner Form treffen kann oder sollte."
    Die Landesregierung will außerdem die Abbrecherquote senken, indem sie "Self Assessment Tests" gesetzlich verankert. In solchen Tests sollen Studieninteressierte schon vor Beginn des Studiums herausfinden können, ob das anvisierte Studienfach an einer bestimmten Hochschule für sie passend ist. Diese Idee findet auch die Studienvertreterin Imke Ahlen gut – solange der bestandene Test nicht die Voraussetzung zum Studium wird. Denn sonst werde die Allgemeine Hochschulreife entwertet.