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Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer in NRW
"Wir sollten die Evaluation aus Baden-Württemberg abwarten"

Die geplanten Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer in NRW könnten die Internationalisierungsstrategien negativ beeinflussen, sagte Marcus Baumann von der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen im Dlf. Jedes Land sei gut beraten, auch diese Studenten zu fördern, denn Handel und wirtschaftlicher Austausch könnten davon profitieren.

Marcus Baumann im Gespräch mit Michael Böddeker | 11.01.2018
    Begrüßung der Erstsemester an der Westfälische-Wilhelms-Universität in Münster. 5400 Studenten haben zum Wintersemester 2014/2015 ihr Studium aufgenommen
    In Zukunft könnten Nicht-EU-Ausländer 1.500 Euro Studiengebühren pro Semester in NRW zahlen (imago / Rüdiger Wölk)
    Michael Böddeker: Allgemeine Studiengebühren, die gibt es in Nordrhein-Westfalen schon seit Jahren nicht mehr, dafür sind jetzt aber andere Studiengebühren in Sicht, und zwar Gebühren für Nicht-EU-Ausländer. Immerhin 1.500 Euro pro Semester sollen die in Zukunft zahlen, so der Plan der NRW-Landesregierung aus CDU und FDP. Als Vorbild dient dabei Baden-Württemberg, wo es seit dem laufenden Wintersemester schon genau solche Gebühren gibt. Im NRW-Landtag gab es dazu gerade eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss, viele Experten haben dort die Pläne der Landesregierung kritisiert, und auch die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen ist mehrheitlich dagegen. Warum, darüber sprechen wir jetzt mit dem Vorsitzenden der Konferenz, Professor Marcus Baumann, er ist zugleich Rektor der Fachhochschule Aachen. Schönen guten Tag!
    Marcus Baumann: Schönen guten Tag, Herr Böddeker!
    Böddeker: Was spricht denn aus Ihrer Sicht gegen diese geplanten Studiengebühren?
    Baumann: Wir befürchten, dass diese geplanten Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer unsere Anstrengungen in den Internationalisierungsstrategien sehr negativ beeinflussen könnten. Wir haben also gerade in den letzten Jahren auf breiter Front uns sehr auch um Ausländer und Ausländerinnen bemüht, die ins Land zu holen und haben Konzepte aufgesetzt, um auch hier die Studierwilligen aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland zu holen, und wir befürchten, dass durch Studiengebühren, die dann sich nur auf diese Kommilitoninnen und Kommilitonen beziehen, dann die Bereitschaft, nach Deutschland zu kommen, möglicherweise abnehmen wird.
    Böddeker: Andererseits würde Ihnen das etwas mehr Geld in die Kassen bringen, oder nicht?
    Baumann: Ja, das ist richtig. Es sind ja immerhin 3.000 Euro, die da im Jahr veranschlagt werden, also für zwei Semester jeweils 1.500 Euro. Wir befürchten aber auf der anderen Seite, dass die Ausnahmetatbestände, die zu berücksichtigen sind, zu einem erheblichen Mehraufwand in der Verwaltung führen wird, sodass also das, was wir dann an zusätzlichem Aufwand haben, diesen Benefit, den wir durch die zusätzlichen Einnahmen hätten, wieder auffrisst.
    "An der Fachhochschule Aachen wäre das dramatisch"
    Böddeker: Gestern Nachmittag gab es im Wissenschaftsausschuss des NRW-Landtags eine Anhörung. Mit dabei waren neben Ihnen, also der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen, auch Studierendenvertreter und auch der Hochschullehrerbund. Eingeladen hatten die Grünen, die Studiengebühren selbst kategorisch ablehnen, aber es waren gestern nicht alle grundsätzlich dagegen, zum Beispiel die Landesrektorenkonferenz der Universitäten Nordrhein-Westfalen, die schließt die Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer zumindest nicht ganz so kategorisch aus wie Sie zum Beispiel. Sind denn Fachhochschulen stärker davon betroffen, wenn diese Gebühren kommen?
    Baumann: Nein, das kann man so nicht sagen. Also ich weiß auch nicht, ob sie nicht kategorisch abgelehnt werden, also so in dieser Schärfe, wie Sie das formulieren, ist mir das nicht bekannt, aber was auf jeden Fall auch klar ist, wir geben das ja auch nur zu bedenken als Fachhochschulen. Was wir abwarten sollten, sind die Ergebnisse der Evaluation aus Baden-Württemberg, und dann kann man sich substanziell äußern und kann eine Position beziehen, und ich glaube, Nordrhein-Westfalen ist auch gut beraten, wenn man einfach abwartet, wie sich dieses Gebührenmodell, was ja in Baden-Württemberg eingeführt worden ist, wie das sich entwickelt, und wenn das alles evaluiert worden ist, dann kann man auch die richtigen Entscheidungen für Nordrhein-Westfalen treffen.
    Böddeker: Ein paar Erfahrungen von dort gibt es ja auch schon, nämlich gab es dort einen deutlichen Rückgang bei den ausländischen Studierenden. Jetzt mal angenommen, das kommt in NRW ähnlich und es gäbe zum Beispiel ein Viertel weniger ausländische Studieren hier an den Hochschulen, inwiefern wäre das ein Problem, also wie würde sich das zum Beispiel ganz konkret an Ihrer Hochschule auswirken, der Fachhochschule Aachen?
    Baumann: An der Fachhochschule Aachen wäre das dramatisch, denn wir haben über 20 Prozent Ausländer und dann auch einen hohen Anteil Nicht-EU-Ausländer, und wir haben auch kooperative Studiengänge mit Ländern, die eben nicht zur EU gehören, und da haben wir schon Befürchtungen und wissen auch nicht, wie sich dort die Studierendenzahlen dann angesichts der Studiengebühren entwickeln würden.
    "Für Unternehmer im Ausland ist das absolut wünschenswert"
    Böddeker: Wir blicken heute später bei uns in der Sendung noch in ein ganz anderes Land, das schon Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer hat, nämlich nach Großbritannien. Da kostet ein Studium für Ausländer noch mal deutlich mehr, nämlich 10.000 bis 40.000 Euro pro Jahr. Trotzdem hat Großbritannien mehr Ausländer an den Unis als Deutschland, also zeigt das Beispiel nicht auch, dass es auch mit Studiengebühren funktionieren kann?
    Baumann: Ich glaube, dass in dem angelsächsischen Raum die Situation insofern eine etwas andere ist, als dass da ja grundsätzlich Studiengebühren für alle erhoben werden, also auch für die Inländer und dass es entsprechende Stipendienunterstützungssysteme gibt, von denen nicht nur die Inländer, sondern auch die Ausländer profitieren können. Das heißt, sie können sich über Leistungsstipendien das Leben dort erheblich erleichtern. Der zweite Vorteil, den die haben, ist natürlich, dass viele Ausländer auch da hingehen, wo sie sprachlich weniger Probleme haben, das heißt also in England, also die englische Sprache als Weltsprache, und auch im Nicht-EU-Ausland in der Regel als erste Fremdsprache gelernte Sprache erleichtert es natürlich den Studieninteressierten, in einem angelsächsischen Land zu studieren. Da kommt bei uns immer noch die Sprachhürde dazu, auch wenn wir im Masterbereich allenthalben schon umstellen auf die englische Sprache und Studiengänge einführen, sind wir aber, was den Bachelorbereich anbelangt, insgesamt in Deutschland gesehen noch etwas hinterher.
    Böddeker: Gibt es denn generell auch Argumente der Gegenseite, die Sie nachvollziehen können? Manche argumentieren ja auch so, dass es ungerecht ist, wenn Deutschland ein kostenloses Studium bereitstellt, die Absolventen dann später aber wieder in ihre Heimatländer zurückkehren?
    Baumann: Also ich finde, das ist zu kurz gedacht, denn aus meiner Sicht gestaltet sich das ja so, dass wir die Aktivitäten deutscher Unternehmen im Ausland auch mit befördern wollen, und es ist ganz klar so, dass ein deutsches Unternehmen im Ausland nach Arbeitskräften sucht, und wenn diese Arbeitskräfte in Deutschland ausgebildet sind, dann weiß man, was man von der Qualität zu halten hat, und wenn es dann Inländer sind, die in Deutschland studiert haben und die deutsche Kultur kennengelernt haben und die deutsche Sprache dann beherrschen, ist das für diese Unternehmen im Ausland natürlich ein Arbeitnehmer, der absolut wünschenswert ist. Andererseits ist es so, was wir auch vielfach beobachten, wir haben gerade in Aachen schon sehr lange einen hohen Anteil an ausländischen Studierenden, dass sie nach dem Abschluss ihres Studiums dem deutschen Arbeitsmarkt eine Zeit lang zur Verfügung stehen, hier noch Erfahrungen sammeln, auch Führungserfahrungen sammeln und dann nach vier, fünf, sechs Jahren in ihr Heimatland zurückgehen und aber die Verbindung zu ihrer Alma Mater behalten und auch die guten Eindrücke, die sie dann in Deutschland gewonnen haben, mitnehmen in ihr späteres Berufsleben und damit dafür sorgen, dass der Handel und der wirtschaftliche Austausch zwischen den Ländern dann befördert wird. Und jedes Land ist vor diesem Hintergrund wirklich gut beraten, wenn auch Nicht-EU-Ausländer gefördert werden und ihnen die Bedingungen für ein Studium in Deutschland erleichtert werden. Das ist meine ganz feste Überzeugung.
    Böddeker: Markus Baumann ist Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen. Aus Sicht der Fachhochschulen spricht also viel gegen die geplanten Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.