Freitag, 19. April 2024

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NSA-Affäre
"Der Generalbundesanwalt macht sich damit lächerlich"

Der Grünen-Politiker Ströbele hat kritisiert, dass Generalbundesanwalt Range offenbar kein Ermittlungsverfahren wegen der NSA-Affäre einleiten wird. Er reagierte damit auf Medienberichte, wonach Range seine Entscheidung mit fehlenden Zeugen und fehlenden belastbaren Beweisen begründet.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 28.05.2014
    Ströbele sagte im Deutschlandfunk, für ihn sei dieses Verhalten nicht nachvollziehbar. Es gebe mehrere Zeugen wie den US-Informanten Snowden oder Journalisten. Range traue sich nicht, gegen die Verantwortlichen bei der NSA vorzugehen.

    Das Interview in voller Länge
    Tobias Armbrüster: Herr Ströbele, ist das eine gute, pragmatische Entscheidung des Generalbundesanwalts?
    Hans-Christian Ströbele: Jeder blamiert sich, so gut er kann. Diese Entscheidung ist völlig unverständlich und überhaupt nicht nachvollziehbar. Die ganze Welt weiß, dass das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist. Die Kanzlerin hat selbst erklärt, das geht gar nicht. Was geht denn eigentlich gar nicht, wenn da nichts war? Der US-Präsident hat ihr versichert, dass in Zukunft ihr Handy, jedenfalls solange er im Amt ist, das nicht weitergeführt wird. Und ein Bundestagsuntersuchungsausschuss hat sich konstituiert, der unter anderem auch diese Handy-Abhörung der Kanzlerin untersuchen soll. Und was viel schlimmer ist: Millionen von Kommunikationsdaten der deutschen Bevölkerung sollen ja auch abgeschöpft worden sein, gespeichert und verarbeitet. Und wenn dann der Generalbundesanwalt schon allein ein dreiviertel Jahr braucht – er hat ja offenbar nicht ermittelt, sondern er hat sich herumgehört – und sagt, da gibt es nicht mal einen Anfangsverdacht, dann ist das völlig daneben und ich glaube, der Generalbundesanwalt macht sich damit auch lächerlich.
    Armbrüster: Aber er sagt, das lesen wir zumindest in den Berichten der Medien, die diese Meldungen heute Morgen bringen, er sagt, so ein Ermittlungsverfahren hätte keine Aussicht auf irgendeinen Erfolg, er hätte wahrscheinlich keine Unterlagen aus den USA bekommen. Was würde dann ein Ermittlungsverfahren für einen Sinn machen, wenn es sozusagen da an Futter fehlt?
    Ströbele: Erstens müsste er ja überhaupt erst mal ermitteln. Er ermittelt ja bisher gar nicht, sondern er klärt, ob ein Anfangsverdacht dafür da ist, dass Ermittlungen geführt werden sollen. Und dann kann er gucken, was gibt es an Aussagen, was gibt es an Zeugen, man kann die Kanzlerin befragen, das wollen wir im Untersuchungsausschuss ja auch tun. Es gibt eine Urkunde, in der die Telefonnummer des Handys der Kanzlerin ist, in der die Kanzlerin selber benannt ist, und diese Urkunde wird von niemand bezweifelt, dass sie echt ist, die ist von der NSA. Also wie man danach sagen kann, da gibt es keinen Anfangsverdacht? – Es geht ja hier nicht darum, dass das letztlich bewiesen werden kann, dass das vor Gericht ausreicht für eine Anklage oder gar für eine Verurteilung, sondern es geht erst mal darum, dass er ermittelt. Und es gibt auch einen Zeugen! Ich habe in Moskau von Herrn Snowden gehört, dass er auch bereit ist, vor der deutschen Justiz, das heißt auch vor dem Generalbundesanwalt auszusagen.
    "Die ganze Welt weiß, dass das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist"
    Armbrüster: Welche Motive vermuten Sie dann hinter dieser Entscheidung von Harald Range?
    Ströbele: Das Eisen ist ihm zu heiß, vermute ich, und er traut sich nicht, tatsächlich gegen die vorzugehen oder überhaupt erst mal Ermittlungen einzuleiten, die hier die Verantwortung tragen. Das sind sicherlich sehr, sehr mächtige Leute in den USA, nämlich die Chefs der NSA, die Leute, die das dann in Deutschland, in Großbritannien organisiert haben, und möglicherweise auch Helfer, Mitwisser, die bei den deutschen Geheimdiensten daran in irgendeiner Weise indirekt mit beteiligt gewesen sind. Das wollen wir ja im Untersuchungsausschuss auch alles klären. Das heißt, wir ermitteln, wir hören Zeugen, wir hören Sachverständige, aber der Generalbundesanwalt sagt, ich habe das nicht nötig.
    Armbrüster: Was hätte denn ein Ermittlungsverfahren bringen können?
    Ströbele: Ein Ermittlungsverfahren hätte natürlich zur Aufklärung einen wesentlichen Teil beitragen können. Ob das dann letztlich möglich ist, einen Prozess durchzuführen, ob die Zeugen zur Verfügung stehen, ob die bereit sind, in Deutschland auszusagen, überhaupt bei ihm auszusagen, das müsste man natürlich alles klären. Das ist ja immer so in solchen Verfahren. Es geht darum, Ermittlungen einzuleiten und dann zu gucken, welche Beweismittel stehen vor Gericht zur Verfügung. Es gibt ja auch eine ganze Reihe von Journalisten, die sich in vielen Interviews öffentlich geäußert haben und belegt haben, warum das so gewesen ist, dass nicht nur das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist, sondern auch die gesamte Kommunikation von großen Teilen der deutschen Bevölkerung. Da gibt es schon Bücher drüber, das ist schon fast Geschichte, muss man sagen, und der Generalbundesanwalt will nicht. Also ich bin auch nicht sicher, ob das eine Entscheidung ist, die auf Dauer hält.
    Armbrüster: Herr Ströbele, kann es denn sein, dass hier politischer Druck ausgeübt wurde auf den Generalbundesanwalt?
    Ströbele: Die Bundesregierung behauptet ja, dass sie keinerlei Druck ausübt. Da gibt es mehrere Äußerungen von Ministern. Aber es ist mindestens ein indirekter politischer Druck da, so nach dem Motto, das ist ganz heiß, da kann man sich nur verbrennen, da gehe ich nicht ran.
    Armbrüster: Der Generalbundesanwalt hat offenbar entschieden, es wird kein Ermittlungsverfahren wegen der NSA-Spähaffäre bei uns in Deutschland geben. Wir haben darüber gesprochen mit Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Vielen Dank, Herr Ströbele, dass Sie die Zeit für uns hatten heute Morgen.
    Ströbele: Ja, okay! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.